Ein Spiel ist dann gut, wenn es den Abstand zwischen Erfolg und Misserfolg kurz hält. Diese Frust-Flow-Spirale macht den Reiz des Spielens aus. Auch das neue „Spiel des Jahres“, das gestern in Berlin gekürt wurde, folgt diesem Prinzip: „Camel Up“, bei dem sich zwei bis acht Spieler auf ein Kamelrennen begeben, besteche durch „eingängige Regeln und kurze Spieldauer“, teilte die Jury mit. Sie vergab die begehrte Auszeichnung für Brettspiele an den Konstanzer Spieleentwickler Steffen Bogen, der 2012 mit „Schnappt Hubi!“ schon einmal das „Kinderspiel des Jahres“ entwickelt hatte.
Dass der Preis so begehrt ist, lässt sich leicht erklären. Ein erfolgreiches Brettspiel geht normalerweise rund 25000-mal über den Ladentisch. Die Auszeichnung „Spiel des Jahres“ verspricht Verkaufszahlen von teils mehr als 300 000 Stück.
Etwa 350 neue Spiele kommen in Deutschland jedes Jahr auf den Markt. Knapp 400 Millionen Euro setzt die Branche jährlich um. Und die Gewinne sind seit Jahren stabil. Während der ersten drei Quartale des Jahres 2013 verzeichnete der Verband der Spieleverlage in Deutschland – die „Fachgruppe Spiel“ – bei Brett- und Kartenspielen sogar einen Umsatzzuwachs von stolzen fünf Prozent.
Digitales kann dem analogen Spaß offenbar nichts anhaben
Im Vergleich zu anderen Ländern liegt die Bundesrepublik an der Spitze. Deshalb nennen die US-Amerikaner Brettspiele auch „German Games“. Und Computer- und Videospiele können dem analogen Spaß offenbar nichts anhaben.
„Das liegt daran“, sagt der Günzburger Spieleverleger Hermann Hutter, seit zwei Jahren Vorsitzender der Fachgruppe Spiel, „dass man beim Brettspiel in einer Gruppe mit mehreren Menschen gemeinsam Spaß haben kann – und das ist viel authentischer und viel lustiger, als wenn man allein vor einem Bildschirm sitzt.“
Die beliebtesten Brettspiele sind dabei teils seit Jahren die gleichen geblieben: Das Kreuzworträtsel-Legespiel „Scrabble“, der Hotelbesitzer-Wettstreit „Monopoly“, der Detektiv-Klassiker „Cluedo“, das Geheimdienst-Wettrennen „Scotland Yard“, das Wissensquiz „Trivial Pursuit“, die Glückswürfeleien „Malefiz“ und „Mensch Ärgere Dich Nicht“ oder der Handels- und Bau-Strategieplaner „Die Siedler von Catan“.
Die Umsätze der Computerspiel-Industrie haben die der Brettspiele längst überholt
Mit den Umsätzen der Computerspiel-Industrie können die Brettspiele dennoch schon seit Jahren nicht mehr mithalten. Renner wie „Grand Theft Auto“, die Rollenkampfsimulationen „Baldurs Gate“ oder „Warcraft“, die Baustrategien „Age of Empires“ oder „Civilisation“ haben dem deutschen Computer- und Videospielmarkt allein 2013 Umsatzzahlen von 1,9 Milliarden Euro beschert. Vor allem der Handel mit virtuellen Gütern wächst dabei ständig. 40 Prozent der Spieler seien grundsätzlich bereit, für digitale Zusatzangebote, weitere Schwierigkeitsgrade oder werbefreie Spiele zu bezahlen, heißt es.
Bei „Camel Up“, dem neuen „Spiel des Jahres“, sind dagegen sämtliche benötigten Gegenstände im Preis inbegriffen. Die Spieler wetten auf den Ausgang eines verrückten Kamelrennens, bei dem sich die Tiere auch huckepack nehmen können. Das wilde Rennen löse Emotionen aus, die Alt und Jung fesselten und amüsierten, lobte die Jury.
Es erfüllt damit alles, was es per Definition haben muss: „Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird“, legte der Kulturhistoriker Johan Huizinga schon 1938 fest, „und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewusstsein des ‚Andersseins‘ als das ‚gewöhnliche Leben‘.“