Mehrere zehntausend Internetnutzer waren vor drei Wochen von der Regensburger Kanzlei Urmann + Collegen abgemahnt worden, weil sie angeblich urheberrechtlich geschützte Sexfilme auf der Website Redtube.com angesehen hätten. Die Anwaltskanzlei forderte die Betroffenen im Namen der Firma "The Archive" auf, 250 Euro zu bezahlen und eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Was vor drei Wochen eine Welle der Empörung auslöste, wird nun zunehmend zur juristischen Posse. Eine unrühmliche Rolle spielt darin das Landgericht Köln. Gleich mehrere Kammern des Gerichts hatten die Telekom auf Antrag eines Anwalts dazu verpflichtet, Namen und Adressen der angeblichen Porno-Nutzer herauszugeben - wodurch die Abmahnungen erst möglich wurden.
Streaming-Abmahnungen: Landgericht Köln plötzlich anderer Meinung
Am Freitag nun ruderte das Gericht zurück. "Einige Kammern haben bereits signalisiert, dass sie die inzwischen aufgetauchten Bedenken u.a. an der Ordnungsgemäßheit der Ermittlung der IP-Adressen für beachtlich halten", hieß es in einer Presseerklärung. "Diese Kammern haben mitgeteilt, dass sie dazu neigen, an ihrer ursprünglichen Einschätzung nicht mehr festzuhalten und den Beschluss aufzuheben bzw. auszusprechen, dass dadurch der Anschlussinhaber in seinen Rechten verletzt wurde."
Auf Deutsch: Die Richter, die die Beschlüsse zur Herausgabe der Daten geprüft und durchgewunken hatten, haben jetzt Zweifel an ihrer eigenen Entscheidung. Tatsächlich hatten Blogger und Journalisten in den vergangenen Tagen mehrere Hinweise auf ein abgekartetes Spiel bei der Abmahnungswelle gefunden. Nun stehen Fragen im Raum wie die, ob die angeblichen Porno-Nutzer womöglich unbemerkt in eine Falle gelockt wurden.
Ob die Richter womöglich ebenfalls getäuscht wurden, wird jetzt geprüft. Am Donnerstag leitete die Staatsanwaltschaft Köln ein Verfahren gegen Unbekannt ein. Nach Angaben der Behörde wird der Anfangsverdacht geprüft, ob dem Kölner Landgericht falsche eidesstattliche Erklärungen vorgelegt wurden.
Die Abmahner, die kurz vor Weihnachten zehntausende Internetnutzer in eine peinliche Lage brachten, geraten nun also selbst zunehmend in Erklärungsnot. Zumal stets sehr umstritten war, ob das Ansehen von Videos im Internet überhaupt ein Rechtsverstoß sein kann.
Redtube geht gegen abmahnende Firma vor
Auch Redtube selbst ist mittlerweile aktiv geworden. Die Betreiber des Portals, das eines der größten und meistbesuchten der Erotik-Branche ist, haben nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau vor dem Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung die Abmahner-Firma "The Archive AG" erwirkt.
Demnach darf das Unternehmen vorerst keine weiteren Abmahnungen verschicken. "Diese Entscheidung ist nicht nur ein Sieg für die Nutzer von RedTube, sondern für jede Person, die Streaming-Webseiten besucht", zitiert das Portal Alex Taylor, den Vizechef von Redtube. "Es ist eine klare Botschaft, dass die Ausnutzung von persönlichen Informationen und die Verletzung der Privatsphäre aus rein finanziellen Interessen nicht toleriert wird."