Anzeige gegen "Costa Concordia"-Kapitän Schettino: "Es geht um den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung, der Aussetzung, Gefährdung des Schiffsverkehrs und um unterlassene Hilfeleistung", sagte Opfer-Anwalt Hans Reinhardt am Mittwoch im nordrhein-westfälischen Marl. Er bestätigte damit einen Bericht von "bild.de".
Kapitän Schettino habe hilflose Menschen im Stich gelassen
Der Kapitän habe die hilflosen Menschen im Stich gelassen und in Todesgefahr gebracht, sagte Reinhardt. Infolge des grob fahrlässigen Verhalten Schettinos und der Offiziere seien die Opfer erheblich verletzt worden. Eine Frau habe die Havarie mit einem Beckenbruch überlebt. Auch von Prellungen, Schürfungen und traumatischen Störungen ist die Rede. Mehrere "Costa Concordia"-Opfer litten unter Panikattacken und Alpträumen.
Der Anwalt aus Marl vertritt die 19 Passagiere aus verschiedenen Bundesländern auch bei deren Forderungen nach Schmerzensgeld und Schadenersatz. Die Strafanzeige, die er am Mittwoch bei der Staatsanwaltschaft Bochum eingereicht hat, diene der Unterstützung der Schadenersatzforderungen. Dadurch könne er Akteneinsicht erhalten, sagte Reinhardt. Falls es in Italien zu einem Prozess gegen "Concordia"-Offiziere kommen sollte, könnte der deutsche Anwalt über einen italienischen Kollegen als Nebenkläger auftreten.
Strafanzeige: Staatsanwaltschaft bestätigt Erhalt
Die Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Strafanzeige. Sie sei aber noch nicht ausgewertet worden, sagte Sprecher Christian Kuhnert. Zu der Katastrophe läuft in Italien ein Beweissicherungsverfahren. Nach dem Unglück wurden bislang 17 Todesopfer geborgen, 15 werden noch vermisst.
Schifffahrt: Wie ein Ozeanriese gesteuert wird
Für die Führung eines Ozeanriesen in der Größe der «Costa Concordia» sind in der Regel mindestens fünf Nautiker verantwortlich.
Zu diesen erfahrenen Seemännern gehören: Kapitän, Staffkapitän (auch für die Verwaltung der Besatzung zuständig) und drei Wachoffiziere.
Nach Angaben des Präsidenten des Verbandes Deutscher Kapitäne und Schiffsoffiziere, Christoph Wand, muss rund um die Uhr mindestens einer von ihnen die Fahrt überwachen.
Das letzte Wort hat stets der Kapitän.
Das Schiff kann auf dem offenen Meer per Autopilot gesteuert werden.
Dazu stellt der Schiffsführer einen bestimmten Kurs ein, der Ozeanriese fährt dann automatisch in die vorgegebene Himmelsrichtung.
Soll das Schiff selbstständig eine vorgegebene Route fahren, kommt Wand zufolge der sogenannte Trackpilot zum Einsatz.
Hilfe bei der Überwachung der Position gibt das Satelliten-Navigationssystem GPS. Das Radar zeigt aus dem Wasser ragende Felsen und bewegliche Hindernisse wie Schiffe oder Eisberge an.
Daneben sind elektronische Seekarten sowie Geräte zur Messung der Wassertiefe, Geschwindigkeit und des Windes wichtig.
Die Messinstrumente müssen ständig beobachtet werden. Auch der Blick in die Umgebung ist immer wieder notwendig.
Die Technik hilft lediglich zu erkennen, ob sich etwa ein anderes Fahrzeug nähert.
Um die Route zu ändern, sind Menschen nötig. Im Hafen werden Schiffe in der Regel manuell gesteuert.
Schlechtes Wetter und starker Wind verhinderten am Mittwoch weitere Arbeiten am Wrack der "Costa Concordia", teilten die Rettungskräfte mit. Sollte es das Wetter erlauben, werde man aber die Umgebung des Wracks absuchen, hieß es. Die Einsatzkräfte hatten gehofft, mit dem Abpumpen von etwa 2300 Tonnen gefährlichem Schweröl zu beginnen. Dieser Schritt war zuvor mehrmals verschoben worden, die Suche nach Opfern hatte Vorrang.
"Costa Concordia": Suche nach Vermissten beendet
Am Dienstag hatten die italienischen Rettungskräfte die Suche nach Vermissten im unter Wasser stehenden Teil des Wracks offiziell eingestellt. Grund dafür sei die Sicherheit der Taucher, die am halb untergegangen Wrack des Kreuzfahrtschiffs arbeiteten, sagte der Chef der Rettungskräfte, Franco Gabrielli. (dpa, AZ)