Nach dem Lkw-Anschlag haben Tausende Menschen in Stockholm ein Zeichen gegen Gewalt und Terror gesetzt. Bei einer Kundgebung auf einem zentralen Platz in der schwedischen Hauptstadt gedachten sie am Sonntag der vier Todesopfer mit einer Schweigeminute.
Die Polizei geht davon aus, dass ein 39-jähriger Usbeke am Freitag mit einem Lkw in einer Einkaufsstraße in eine Menschenmenge gerast war. Der Mann hat sich nach Behördenangaben einer Abschiebung entzogen und Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere "extreme Organisationen" gezeigt. Die Ermittler nahmen derweil am Sonntag eine zweite Person unter Terror- und Mordverdacht fest.
Vier Menschen starben bei dem Anschlag
Bei dem mutmaßlichen Terroranschlag in der belebten Stockholmer Drottninggatan waren vier Menschen getötet worden, 15 wurden verletzt. Zwei der Toten stammten den Behörden zufolge aus Schweden, die anderen beiden aus Großbritannien und Belgien. Geschlecht und Alter der Opfer gab die Polizei aus Rücksicht auf die Angehörigen nicht bekannt.
"Wir haben leider beim Attentat von Stockholm eine Landsmännin verloren", teilte Belgiens Außenminister Didier Reynders am Sonntag auf Twitter mit. Der Engländer war ein langjähriger Mitarbeiter des Musik-Streamingdienstes Spotify, wie dessen Gründer Daniel Ek am Sonntag in einem Facebook-Post bestätigte. "Es gibt keine Worte um zu beschreiben, wie sehr wir ihn vermissen werden und wie traurig wir sind, ihn auf diese Weise verloren zu haben", schrieb Ek. Bei den beiden Schweden soll es sich laut Medienberichten um ein elfjähriges Mädchen und eine Frau aus Westschweden gehandelt haben.
In der Nähe des Anschlagsortes in Stockholm versammelten sich am Sonntagnachmittag Tausende zu einer "Liebes-Kundgebung". Um 14.53 Uhr, der Uhrzeit des Anschlags vom Freitag, war es auf dem Platz komplett still. Viele hielten sich an den Händen und weinten. Am Montag soll es eine landesweite Schweigeminute geben.
Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt war ausreisepflichtig
Die Beweislage gegen den am Freitag festgenommenen 39-Jährigen habe sich erhärtet, sagte Jan Evensson von der Stockholmer Polizei. "Die Ermittlungen laufen sehr gut." Den Ermittlern zufolge beantragte der Mann 2014 eine Aufenthaltsgenehmigung in Schweden. Im Juni 2016 entschied die Migrationsbehörde demnach, ihn auszuweisen. Da er das Land nicht verließ, wurde nach ihm gesucht. Details zu der zweiten Festnahme gab die Staatsanwaltschaft zunächst nicht bekannt.
Auch der Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, der als islamistischer Gefährder eingestufte Anis Amri, war ausreisepflichtig. In Deutschland wird vor allem darüber gestritten, ob Behörden Möglichkeiten versäumten, ihn rechtzeitig festzusetzen und abzuschieben. Amri war ebenfalls mit einem Lkw in Menschen gefahren. Er tötete insgesamt zwölf Menschen.
Die schwedische Polizei sucht derweil weiter nach möglichen Helfern des mutmaßlichen Attentäters. "Wir haben viele Kontrollen durchgeführt und Wohnungen in Stockholm durchsucht", sagte Evensson. "Ungefähr fünf" Personen würden festgehalten. Etwa 500 Menschen seien befragt worden.
Terror, Amok, Attentat - Fahrzeuge als Waffe
Ob Attentäter, Amokläufer oder Terrorist: Wann immer Angreifer das Gaspedal durchdrücken, werden aus Fahrzeugen tödliche Rammböcke. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) forderte mehrfach dazu auf, "Ungläubige" zu überfahren. Wegen der oft hohen Zahl der Opfer erregen solche Attacken große Aufmerksamkeit - unabhängig von der Motivation des Täters. Einige Beispiele:
Frankreich: Nach einer mutmaßlichen Fahrzeug-Attacke auf Soldaten bei Paris gehen französische Ermittler einem Terrorverdacht nach. Das Fahrzeug raste am Mittwochmorgen im Vorort Levallois-Perret in die Gruppe und verletzte dabei sechs Militärs.
Großbritannien: Bei einem Anschlag mit einem Lieferwagen in London hat ein Mann mehrere Mitglieder einer muslimischen Gemeinde verletzt. Acht Opfer kamen laut Polizei ins Krankenhaus, mehrere weitere wurden vor Ort behandelt.
Großbritannien: Am Abend des 3. Juni rast ein Lieferwagen mit drei Attentätern an Bord auf den Gehweg der London Bridge und erfasst mehrere Fußgänger. Danach fahren die Insassen zum Borough Market, steigen aus und stechen mit Messern auf Passanten ein. Acht Menschen sterben.
Schweden: Ein 39-jähriger Usbeke steuert am 7. April einen Lastwagen in einer Stockholmer Einkaufsstraße in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Bei dem Anschlag kommen vier Menschen ums Leben, 15 werden verletzt.
Großbritannien: Am 22. März 2017 lenkt ein 52-Jähriger ein Auto absichtlich in Fußgänger auf der Westminster-Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten auf dem Gelände des britischen Parlaments. Er wird von Sicherheitskräften erschossen. Fünf Menschen sterben.
Deutschland: Ein Weihnachtsmarkt in Berlin wird am 19. Dezember 2016 Ziel eines islamistischen Terroranschlags. Zwölf Menschen sterben, als ein IS-Anhänger einen gekaperten Lastwagen in die Menschenmenge steuert. Wenige Tage später erschießen Polizisten den 24 Jahre alten Tunesier bei einer Kontrolle nahe Mailand.
USA: Am 28. November 2016 rast ein Student der Ohio State University in eine Gruppe Fußgänger. Danach steigt er aus dem Wagen und greift Umstehende mit einem Schlachtermesser an. Elf Menschen werden verletzt. Der IS reklamiert die Attacke später für sich.
Frankreich: Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, rast in Nizza ein Lastwagen in eine Menschenmenge. Der islamistische Attentäter tötet 86 Menschen und verletzt mehr als 200.
Österreich: Minutenlang rast ein 26-Jähriger am 20. Juni 2015 durch die Innenstadt von Graz, überfährt Café-Besucher und Fußgänger. Drei Menschen sterben, 34 werden verletzt. Vor Gericht wird der Mann für nicht zurechnungsfähig erklärt.
Niederlande: Am Königinnentag am 30. April 2009 fährt ein 38-Jähriger auf den offenen Bus der Königsfamilie zu. Mit seinem Kleinwagen tötet er sieben Menschen und verletzt zehn; Königin Beatrix und ihre Familie trifft er nicht. Der Attentäter sagt einem Polizisten, er habe einen Anschlag verüben wollen. Der Mann erliegt später seinen Verletzungen.
Der Verdächtige aus Usbekistan war am Samstag zum ersten Mal verhört worden. Ob er sich dabei zu seinem Motiv äußerte, wollte die Polizei nicht sagen. Die Ermittler untersuchten außerdem einen verdächtigen Gegenstand, der auf dem Lkw-Fahrersitz gefunden worden war. Medien hatten spekuliert, es könnte sich um eine Bombe handeln. Das bestätigte die Polizei nicht. dpa/AZ