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Konzertkritik: Alicia Keys in München: Der strauchelnde Engel

Konzertkritik

Alicia Keys in München: Der strauchelnde Engel

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    Alicia Keys: Bei ihrem Konzert in München kämpfte die Sängerin mit Heiserkeit - und blieb lächelnd charmant tapfer. (Archivbild)
    Alicia Keys: Bei ihrem Konzert in München kämpfte die Sängerin mit Heiserkeit - und blieb lächelnd charmant tapfer. (Archivbild) Foto: Walter Bieri

    All die anderen US-Pop-Heldinnen brennen ein mächtiges Effekfeuerwerk ab, wenn sie ihre Hits auf den Bühnen der Welt präsentieren. So hielt es zuletzt auch in der Münchner Olympiahalle Beyoncé, so hielt es P!nk, so hielt es JayLo. Bei der aus dem R’n’B stammenden Alicia Keys gibt es nur eine Kerze, die an einem solchen Abend an beiden Enden brennen muss: ihre große Stimme. Das hat offenkundig seinen Preis.

    So groß wie sie, die mit ihrem Debüt vor inzwischen zwölf Jahren in den USA unmittelbar zum Star wurde, aktuell in Europa ist, war sie hier bislang nie. Mit der veritablen New-York-Hymne „Empire State Of Mind“ und dem Pop-Triumph „Girl On Fire“ läuft sie in Endlosschleife in den Radios – und so ist der Termin-Plan ihrer im März zu Hause begonnenen Tournee auch in Europa bei ausverkauften Hallen allenthalben sehr engmaschig. Das Konzert der 32-Jährigen aus Brooklyn am Sonntagabend in München war das zehnte in den vergangenen 14 Tagen. Und das hört man dann eben auch.

    Alicia Keys: Nach 20 Minuten beginnt das Bangen

    Bereits nach 20 Minuten – Alicia ist mit dem angespielten Thema von „Empire State Of Mind“ umjubelt auf der Bühne erschienen, um dann in mittlerer Temperatur und mit zwei Songs aus dem „Diary“-Album zu starten („Karma“ und „You Don’t Know My Name“ und zwei aktuelle hinterherzuschieben (das zarte „Tears Always Win“ und das eher einfältige Dance-Stück „Listen To Your Heart“ ) – bereits nach 20 Minuten also, zum älteren „Like You’ll Never See Me Again“, muss man anfangen, mit ihr zu bangen.

    Unverändert schön ist sie in ihren seit der Geburt des inzwischen zweijährigen Sohnes etwas fraulicheren Rundungen, auch mit Victoria-Beckham-Frisur, selbst in einem etwas unglücklichen schwarzen Kostüm (oben Glitzerbesatz über der Brust, sonst transparent-schwarz, unten breitbegürtelte Hose, ganz unten Stöckel). Aber unverbrüchlich ist ihre Stimme eben nicht.

    Heiser ist diese Alicia Keys von Beginn an – und wie sie die 100 Minuten mit all den kraftvollen Hebungen und tremolierenden Kariolen da durchstehen will? Oweh! Zumal sie sich eben nicht in einer flächendeckenden Choreografie verstecken kann. Nur gelegentlich reiht sie sich mit ihren vier Tänzern zum Gruppentanz ein, spielt sie mit einem von ihnen ein Geschichtchen zum Song, wird das Leinwand-Trio zum Effektbett. Und das passt ja auch nicht zu ihr, wirkt eher albern, zumal wenn sie zum Retorten-Stück „New Day“ als Dance-Pop-Queen stilisiert daherkommt.

    Geschont hat sich Alicia Keys beim Konzert in München nicht

    Alle Effekte, die sie braucht, sind die Flügel und E-Pianos, die immer wieder aus dem Bühnenaufbau auftauchen, an deren Tasten sie sich zu spielen versteht, um darüber eben ihre Stimme zu legen (die von den Background-Sängern tatsächlich nur grundiert wird).

    Hat sie’s also durchgehalten?

    Hat sie. Ist lächelnd charmant tapfer geblieben, hat sich nicht geschont. Hat ihren ersten Hit „Fallin’“ (durchs Heisersein stimmlich aufgeraut sogar fast noch reizvoller) rausgehauen, und das ebenfalls vom Debüt stammende „A Woman’s Worth“; hat natürlich auch Neues wie „Limitedless“ und das innige „Brand New Me“, hat „Doesn’t Mean A Thing“ und „Diary“ dazwischengestreut und spätestens mit „No One“ vor den Zugaben doch noch die sonst eher verhaltene Halle zum tanzen gebracht. Und sie hat natürlich mit „Girl On Fire“ und dann – nach dem einzigen und drum effektvollen Kostümwechsel – im langen lila Glitze-Kleid „Empire State Of Mind“ geendet. Und ist dafür zu recht von den 10000 Zuschauern gefeiert worden.

    Sie hat dabei nicht jede Höhe in gewohnter Stärke erreicht, war zweimal sogar nahe dem Stimmversagen gestrauchelt – aber hat mit Professionalität und Hingabe und offenkundig aller Kraft diesen Abend gemeistert. Hut ab! Aber ach: Die nächsten vollen Hallen warten ja schon. Lyon, Turin, Monte Carlo, Marseilles, Paris, Lissabon, Posen, Istanbul, Tel Aviv… Es sind nochmal zehn in den kommenden gut zwei Wochen, bevor die Tourneepause kommt (erst im September dann geht’s nach Rio). Ob sie das durchsteht? Ob man nicht in den kommenden tagen lesen muss: …musste wegen Krankheit verschieben/absagen?

    Alles Gute, Alicia!

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