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"A Most Wanted Man": Philip Seymour Hoffmans letzte Kino-Glanzleistung

"A Most Wanted Man"

Philip Seymour Hoffmans letzte Kino-Glanzleistung

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    Raucht Kette, trinkt Whisky und trotzt seinem kranken Körper harte Anti-Terror-Analyse ab: Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle.
    Raucht Kette, trinkt Whisky und trotzt seinem kranken Körper harte Anti-Terror-Analyse ab: Philip Seymour Hoffman in seiner letzten Rolle. Foto: Deauville American Filmfestival

    Seit mehr als 50 Jahren schreibt der ehemalige Geheimdienstmann John LeCarré Spionageromane, und seine Werke sorgten auch im Kino immer wieder für interessante Genrevariationen. Dabei ist es LeCarré gelungen, den Agententhriller aus der Ära des Kalten Krieges in die unübersichtlicheren politischen Gefilde des 21. Jahrhunderts zu überführen.  In „A Most Wanted Man“ (deutscher Titel: „Marionetten“) zeichnet LeCarré ein präzises Bild der politischen und geheimdienstlichen Klimaveränderung nach den Terroranschlägen des 11. Septembers 2001.

    Der Roman nimmt ebenso Bezug auf die Hamburger Terrorzelle um den Attentäter Mohammed Atta als auch auf das Schicksal von Murat Kurnaz, der ins Fahndungsraster des „War on Terror“ geriet und fünf Jahre unschuldig in Guantánamo inhaftiert war. Nun bringt der niederländische Starfotograf Anton Corbijn („Control“/„The American“) den Stoff ins Kino, der kürzlich verstorbene Philip Seymour Hoffman spielt den Leiter einer deutschen Anti-Terror-Einheit in Hamburg.

    Unabhängiges Anti-Terror-Team

    Das Trauma der Anschläge auf das World Trade Center sitzt noch tief, sowohl im deutschen Geheimdienstapparat, vor dessen Nase sich die Terrorzelle gruppierte, als auch in der CIA, die das eigene Versagen mit Kontrollwahn kompensiert. Bachmann (Philip Seymour Hoffman) und sein Team agieren weitgehend autonom und spionieren die muslimische Szene aus, um an die Finanziers und Drahtzieher der Terrornetzwerke heranzukommen.

    Als der russisch-tschetschenische Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) über die Türkei illegal nach Hamburg gelangt, schrillen bei den deutschen und amerikanischen Geheimdiensten die Alarmglocken. Der muslimische Migrant will in Hamburg ein millionenschweres Erbe auslösen, das sein verhasster Vater in Russland mit illegalen Waffengeschäften erwirtschaftet hat.

    Philip Seymour Hoffmann als Idealbesetzung

    BND wie CIA sind fest davon überzeugt, dass das Kapital in Terrornetzwerke eingespeist werden soll, und wollen den Mann fangen. Bachmann ist sich da nicht so sicher und will Karpov als Lockvogel für einen mutmaßlichen Geldwäscher der Al-Kaida einsetzen, den er schon lange unter Beobachtung hat.

    Wie LeCarrés Roman lebt auch Corbijns Kinoversion mehr von der langsam vor sich hin köchelnden Spannung als von spektakulären Actioneinlagen. Hoffmann ist ideal besetzt als Whisky trinkender und Kette rauchender Spionagemeister, dessen hartes Analysevermögen in Kontrast zur kritischen körperlichen Verfassung steht. Natürlich kommt man nicht umhin, in diesen letzten großen Auftritt Hoffmanns auch das tragische Ende dieses großartigen Mimen mitzudenken.

    Ein Blick für die Kulisse Hamburgs

    Die Besetzung wird durch internationale Stars wie Robin Wright als coole CIA-Agentin, Willem Dafoe als gewissenloser Banker und Rachel McAdams in der Rolle einer engagierten Flüchtlingshelferin ergänzt. Deutsche Schauspieler wie Nina Hoss und Daniel Brühl bleiben in ihren Nebenrollen vom Drehbuch weitgehend unterfordert. Einen guten Blick entwickelt Corbijn für die Kulisse Hamburgs, das der Fotograf in stimmungsvollen Bildern weit, weit über Tatort-Niveau einfängt.

    Wie in „The American“ bestimmt auch in „A Most Wanted Man“ kühle Reserviertheit die erzählerische Haltung, die hier jedoch nicht zur Pose erstarrt, sondern sich bestens ins schwelende Suspense der Geschichte und der bitteren Analyse einer Gesellschaft einfügt, die im Kampf gegen den Terror ihr demokratisches Maß verloren hat.

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