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50 Jahre Schwule und Lesben in der "Bravo"

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50 Jahre Schwule und Lesben in der "Bravo"

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    In der DDR war die Zeitschrift gar nicht im Handel zu bekommen. Zeitweise betrug ihre wöchentliche Auflage etwa 1,4 Millionen Exemplare. Manche sprachen vom Zentralorgan der bundesdeutschen Jugend.

    Damit hatte sie und hat noch immer auch einen großen Einfluss auf den Umgang mit dem Thema Homosexualität. Das beleuchtet jetzt der Band "Aufklärung und Aufregung - 50 Jahre Schwule und Lesben in der "Bravo"" von Erwin In het Panhuis, der vom Archiv der Jugendkulturen in Berlin herausgegeben wurde. Das seit 1998 existierende Archiv fürchtet übrigens um seine Zukunft und ruft zur Unterstützung auf, um eine Stiftung gründen zu können. Es sammelt nach eigenen Angaben als einzige Einrichtung dieser Art in Europa authentische Zeugnisse aus den Jugendkulturen sowie wissenschaftliche Arbeiten und Medienberichte.

    Im Zusammenhang mit einer kleinen generellen Geschichte der Schwulen- und Lesbenbewegung seit den 50er Jahren in der Bundesrepublik beleuchtet der Band mit Einzelbeispielen den Umgang der "Bravo" mit diesem Thema im Laufe der Zeit - und schließlich auch mit dem Thema Aids. Im gleichen Maße, wie sich auf Bundesebene ein Aufklärungskurs durchsetzte, sei auch in der "Bravo" ein zunehmend sachlicher Aufklärungsstil zu beobachten, resümiert der Autor.

    Ähnlich wie in der gesamten Gesellschaft habe sich auch in der Zeitschrift die Meinung zu dem Thema gewandelt. War Homosexualität zunächst eher etwas Krankhaftes, das geheilt werden müsse, wurde sie später als eine Form der Sexualität und Liebe akzeptiert. Sie wurde zur Privatsphäre gerechnet, die bei jedem Menschen zu respektieren sei ("Sie lieben anders").

    Lange Zeit war das Thema nur Bestandteil der allgemeinen Sexualaufklärung für Jugendliche, die im Heft mit einer eigenen Leserbriefrubrik (Dr. Sommer) einen zentralen Platz einnahm. Später wurde Homosexualität auch bei Reportagen über Filme, Musik und Stars thematisiert, zum Beispiel wenn es um die von dem schwulen Filmemacher Rosa von Praunheim provozierte Frage ging, ob man schwule Stars öffentlich outen soll oder nicht. "Alle hacken jetzt auf

    Einen breiten Raum nahmen im Heft die oft besorgten Leseranfragen Jugendlicher ein. Da meldeten sich meist Jungen, aber auch Mädchen, die erste Erfahrungen mit ihren Freunden bei gleichgeschlechtlichen Sexspielchen hatten und wissen wollten, ob sie nun schwul seien oder dadurch würden. Ist es Zufall oder Absicht, wenn er mich berührt? Die größten Verunsicherungen gab es bei Jungen, die sich in ihren jungen Freund verliebten und eine Ächtung in ihrem Freundeskreis als Schwuchtel fürchten mussten. Diese Besorgnis legte sich mit der zunehmenden Akzeptanz im Laufe der Jahre etwas. Wie der Autor betont, nahm sie in den letzten Jahren aber wieder zu.

    Eine andere große Sorge vieler Jugendlicher war: Wird man vom Onanieren schwul? Darauf gab es in den 90er Jahren eine entwaffnende Antwort: "Wenn alle Jungs schwul wären, die onanieren, dann wäre die Mehrzahl aller Männer schwul. Was dir dein Lehrer da erzählt, ist ein uraltes Ammenmärchen."

    Der Band dokumentiert den weiten Weg der Aufklärung über Homosexualität von den 60er Jahren bis zur Gegenwart unter Jugendlichen. Im Jahr 2010 erscheint in der Jugendzeitschrift ein Interview mit Außenminister Guido Westerwelle (FDP), der auch über seine Schwierigkeiten berichtet, die er als homosexueller Jugendlicher hatte.

    Das Archiv der Jugendkulturen unternimmt mit dieser Dokumentation eine Ausstellungstour, die am 27. August (bis 2. Oktober) in Köln (Christuskirche

    Erwin In het Panhuis

    Aufklärung und Aufregung - 50 Jahre Schwule und Lesben in der "Bravo"

    Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin,

    Großformat mit zahlreichen Abbildungen,

    194 Seiten, 28 Euro

    ISBN 978-3-940213-58-7

    www.jugendkulturen.de

    www.bravo.de

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