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"Costa Concordia": 16 Jahre Haft: Unglücks-Kapitän Schettino geht in Berufung

"Costa Concordia"

16 Jahre Haft: Unglücks-Kapitän Schettino geht in Berufung

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    «Costa Concordia»-Kapitän Francesco Schettino ist zwar zu 16 Jahren Haft verurteilt, doch das Verfahren könnte sich noch Jahre hinziehen.
    «Costa Concordia»-Kapitän Francesco Schettino ist zwar zu 16 Jahren Haft verurteilt, doch das Verfahren könnte sich noch Jahre hinziehen. Foto: Carlo Ferraro (dpa)

    Die Handschellen haben nicht geklickt. Zwar ist Francesco Schettino verurteilt worden, er verließ aber noch am Abend des Urteils die Stadt Grosseto in der Toskana, wo ihm monatelang der Prozess gemacht worden war. Er werde beweisen, dass er die Costa Concordia nicht ihrem eigenen Schicksal überlassen habe, sagte der ehemalige Kapitän des Kreuzfahrtschiffs noch kurz vor seiner Abreise.

    Die Nacht, so wollen es Vertraute wissen, verbrachte der ehemalige Kapitän der im Januar 2012 vor der Insel Giglio auf Grund gelaufenen Costa Concordia bereits wieder in Meta di Sorrento, seinem Heimatort bei Neapel. Denn bis auf Weiteres ist Francesco Schettino, obwohl er laut Gericht für den Tod von 32 Menschen bei dem Schiffsunglück verantwortlich ist, ein freier Mann.

    Gericht verurteilt Schettino zu 16 Jahren Haft

    Das Gericht in Grosseto hatte den 54-Jährigen am Mittwochabend zu 16 Jahren und einem Monat Haft verurteilt. In Italien sind Gerichtsurteile erst nach der dritten Instanz rechtsgültig, für den Fall, dass Rechtsmittel eingelegt werden. Dies kündigten die Anwälte Schettinos an. „Wir werden das Urteil lesen und in Berufung gehen“, sagte Verteidiger Donato Laino. „16 Jahre sind viel zu viel.“

    Chronologie: Die Tragödie der Costa Concordia

    Die Havarie des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia - ein Überblick über die wichtigsten Ereignisse:

    13. Januar 2012: Die mit 4229 Menschen besetzte «Costa Concordia» rammt nahe der toskanischen Insel Giglio einen Felsen und läuft 50 Meter vor der Küste auf Grund. 32 Menschen sterben.

    14. Januar 2012: Kapitän Francesco Schettino wird verhaftet. Ihm und seinem Steuermann werden mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und das vorzeitige Verlassen des Schiffes zur Last gelegt.

    15. Januar 2012: Der italienische Eigner des Schiffs, die Gesellschaft Costa Crociere, wirft der Schiffsführung Fehler sowohl bei der Routenführung als auch im Umgang mit dem Unglück vor.

    17. Januar 2012: Kapitän Schettino wird an seinem Wohnort Meta di Sorrento südlich von Neapel unter Hausarrest gestellt. Es gibt erste Strafanzeigen gegen die Reederei.

    27. Januar 2012: Costa Crociere und ein Zusammenschluss der Passagiere einigen sich auf eine Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro sowie eine Erstattung der Unkosten. Die meisten jener Passagiere, die weder verletzt wurden noch Angehörige oder Freunde verloren, nehmen dieses Angebot an.

    12. Februar 2012: Es wird damit begonnen, die 2400 Tonnen Treibstoff aus der «Costa Concordia» abzupumpen, um eine Ölpest zu verhindern.

    3. März 2012: Vor dem Gericht in Grosseto beginnen die ersten von zahlreichen Anhörungen. Sechs Angestellte von Costa Crociere, unter ihnen Kapitän Schettino, werden angeklagt.

    15. Mai 2012: Die Bergung des Wracks wird für Februar 2013 angekündigt, verzögert sich jedoch.

    5. Juli 2012: Der Hausarrest gegen Schettino wird aufgehoben, am 11. Juli bittet er im Fernsehen um Entschuldigung. Ende des Monats wird er von seinem Arbeitgeber entlassen, wogegen Schettino klagt.

    13. September 2012: Ein Gutachten belegt das Versagen von Costa Crociere im Umgang mit dem Unglück. Die Experten halten der Reederei vor, die Schwere des Unfalls unterschätzt zu haben. Die größte Verantwortung trägt demnach der Kapitän.

    10. April 2013: Costa Crociere einigt sich mit der Justiz auf einen Vergleich, wonach die Kreuzfahrtgesellschaft eine Million Euro Strafe zahlen muss und dadurch einem Prozess entgeht.

    17. April 2013: Das Gericht in Grosseto lässt 250 Nebenkläger zu, unter ihnen Costa Crociere, die Insel Giglio und der italienische Staat.

    14. Mai 2013: Die sechs Angeklagten verlangen, Absprachen über ihr Strafmaß zu treffen. Die Staatsanwaltschaft stimmt bei allen außer Schettino zu.

    17. Juli 2013: Beginn des Prozesses gegen Schettino. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Seine Anwälte beantragen erneut eine außergerichtliche Einigung und erklären, Schettino würde sich teilweise schuldig bekennen, wenn das Strafmaß auf drei Jahre und fünf Monate Haft begrenzt werde.

    20. Juli 2013: Die fünf Mitangeklagten werden zu Haftstrafen zwischen 18 und 34 Monaten verurteilt.

    16. September 2013: Die Aufrichtung der «Costa Concordia» beginnt.

    Immerhin aber habe das Gericht die Forderung der Staatsanwaltschaft nach 26 Jahren Haft halbiert und seinem Mandanten so ein wenig Ehre zurückerstattet. „Schettino ist kein Verbrecher“, sagte Laino. Das Gericht unter Vorsitz von Richter Giovanni Puliatti sprach den Ex-Kapitän der fahrlässigen Tötung in 32 Fällen, des Schiffbruchs sowie des Tatbestands Verlassen des Schiffs für schuldig.

    Schettino ging vorzeitig von der "Costa Concordia"

    Bei dem Unglück war Schettino vorzeitig von Bord gegangen und hatte im Prozess behauptet, in ein Rettungsboot gefallen zu sein. Seine Anwälte hatten einen Freispruch gefordert. „Wir sind absolut zufrieden“, sagte Staatsanwältin Maria Navarro und fügte hinzu: „Hoffentlich gibt das Urteil auch den Angehörigen der Opfer Stärkung.“ Ihre Behörde hatte Schettinos sofortige Festnahme wegen Fluchtgefahr beantragt. Dem gab das Gericht nicht statt. Schettino darf seinen Pass behalten und kann theoretisch auch ins Ausland reisen. Seine Haft müsste er erst nach einem Urteil dritter Instanz antreten. Dies kann angesichts der langsamen italienischen Justiz aber noch dauern.

    In Schettinos Heimatort Meta wollte sich Bürgermeister Giuseppe Tito nicht aus dem Fenster lehnen. Man sollte aus Respekt vor den Opfern und vor der Privatsphäre der Familie Schettino die Begründung des Urteils abwarten, die das Gericht in etwa drei Monaten liefert. Als Freund des Ex-Kapitäns wisse er aber, dass sich Schettino auch in zweiter Instanz verteidigen werde, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. „Franco steht zu seiner Verantwortung“, sagte Tito, für den Schettino im Mai 2014 Wahlkampf gemacht hatte.

    „16 Jahre für 32 Opfer sind gar nichts“

    Anwältin Alessandra Guarini, die Angehörige von Opfern bei dem Prozess vertrat, lobte das Urteil. „Das ist eine gerechte Strafe“, sagte sie. Schettino sei nicht der einzige Verantwortliche der Tragödie. Die Zivilkläger hatten von Anfang an auf die Verantwortung der Reederei Costa Crociere verwiesen. Sie muss, so verfügte das Gericht ebenfalls, zusammen mit Schettino die Passagiere, die sich an der Klage beteiligt hatten, mit jeweils 30000 Euro abfinden. Auch die Insel Giglio wird entschädigt.

    Enttäuscht zeigten sich hingegen mehrere Opfer-Angehörige. Giovanni Girolamo, dessen Sohn, ein Mitglied der Musikkapelle, bei dem Unglück starb, sagte: „16 Jahre für 32 Opfer sind gar nichts.“ Er habe gehofft, der Ex-Kapitän wäre sofort verhaftet worden. Aber so funktioniert die italienische Justiz.

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