Manchmal braucht es einen bildhaften Vergleich, um seinen Standpunkt deutlich zu machen. Wer etwa darstellen möchte, dass ein Unternehmen die Bedingungen für seine Mitarbeiter kontinuierlich verschlechtert, kann sich einer Salami bedienen. Ein Messer schneidet Scheibchen für Scheibchen etwas vom großen Ganzen weg. Die Stücke heißen „unbezahlte Mehrarbeit“, „Personalabbau“ oder „Zusatzverträge“.
Die Salami symbolisiert in diesem Fall das Unternehmen C.H. Beck. Die Gewerkschaft Verdi verwendet das Bild auf ihrem Blog, der seit 2012 die internen Entwicklungen des Verlages und seine „Salamitaktik“ kritisch begleitet. Viele der Beiträge beschäftigen sich mit den Zuständen in der Druckerei in Nördlingen. Seit Jahren gibt es dort Zoff zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern. Der Grund: Das Unternehmen möchte sparen – auf Kosten der Mitarbeiter. Ein Knackpunkt war 2015 der Wechsel in eine sogenannte „OT-Mitgliedschaft“. Heißt: Die Druckerei ist innerhalb ihres Arbeitgeberverbandes ein Mitglied ohne Tarifbindung. „Eine Variante der Tarifflucht“, nennt Verdi die Maßnahme. Die Druckerei kündigte die beiden letzten Tarifverträge in Nördlingen: Zum 31. Dezember 2015 den Überleitungstarifvertrag, bis zum 31. Oktober 2016 den Anerkennungstarifvertrag für die Beschäftigten in der Buchbinderei und des Versandes.
Den über 80 Mitarbeitern hat das Unternehmen stattdessen sogenannte Ergänzungstarifverträge angeboten, die ab 1. November in Kraft treten. Sie beinhalten unter anderem 3,75 Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro Woche, weniger Weihnachts- und Urlaubsgeld und eine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2018. Gut 80 Prozent des betroffenen Personals hat die neuen Bedingungen unterschrieben.
Arbeitnehmervertreter werfen dem Unternehmen vor, die Mitarbeiter durch Druck in die schlechteren Beschäftigungsverhältnisse gedrängt zu haben. Von einem „Droh- und Erpressungspotenzial“ spricht Rudi Kleiber von der Gewerkschaft Verdi. Vorgesetzte hätten Angestellte in Einzelgesprächen „fertig gemacht“ und „massivst unter Druck gesetzt“. Neben dem Androhen von weiteren Werkverträgen habe man die Mitarbeiter gezielt auf ihre momentanen Lebensumstände, etwa kleine Kinder und Hausbau, angesprochen und in diesem Zusammenhang vor Arbeitslosigkeit gewarnt. Aus Angst vor einer Kündigung hätten viele das Angebot akzeptiert.
Auch Betriebsratsvorsitzender Uwe Kneifel vermutet, dass „sehr großer Druck“ auf die Arbeitnehmer ausgeübt wurde. Als Indiz sieht er die Tatsache, dass nach einem mehrtägigen Streik Ende Mai Mitarbeiter „ruckartig“ die neuen Verträge unterschrieben haben. „Da wird im Hintergrund einiges gelaufen sein.“ Interims-Geschäftsführer Ernst Zoller bestreitet die Vorwürfe. „Es war die freie Entscheidung der Mitarbeiter, ob sie den Vertrag unterschreiben“, sagt er. „Dabei wurde kein Druck ausgeübt.“ Ein Dutzend Angestellte haben laut Zoller die neuen Bedingungen nicht akzeptiert und arbeiten zu alten Konditionen weiter. Heißt in der Praxis: Sie leisten nun ebenfalls mehr Wochenarbeitsstunden, bekommen dafür im Gegenzug freie Tage.
Die unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse innerhalb der Belegschaft sind „belastend“, heißt es aus dem Betriebsrat. Die Sorge, auch vonseiten der Gewerkschaft: Die Arbeitnehmer ohne Ergänzungsvertrag könnten „ein Dorn im Auge“ des Arbeitgebers sein. Zwar wäre es arbeitsrechtlich „höchst problematisch“, diesen Mitarbeitern zu kündigen, erklärt Kleiber. Personen- und verhaltensbedingte Kündigungen seien bei C.H. Beck aber mittlerweile eh an der Tagesordnung, kritisiert der Gewerkschaftssekretär.
15 vom Arbeitgeber veranlasste Kündigungen und Auflösungen von Verträgen zählte er unter der Leitung des ehemaligen Geschäftsführers Oliver Kranert, der zum Beck-Konkurrenten CPI gewechselt ist. „Es ist nicht unsere Absicht, Kündigungen auszusprechen“, sagt dessen Nachfolger Zoller, der auf eine momentan gute Auslastung verweist. Er bestätigt jedoch: Im Gegensatz zu ihren Kollegen haben die Mitarbeiter ohne die Ergänzungstarifverträge keine Arbeitsplatzgarantie bis Ende 2018.
Einiges wird wohl auch vom neuen Geschäftsführer abhängen, der die Druckerei zum Jahreswechsel übernehmen soll. Wie mittlerweile bekannt ist, handelt es sich um Christian Matthiesen, der branchenintern wechselt. Bislang ist er Geschäftsführer zweier Druck- und Medienunternehmen in Hamm und Kassel. Auf Anfrage der Rieser Nachrichten war Matthiesen bis gestern Abend nicht erreichbar.
Der Betriebsrat hat wenig Hoffnung auf Besserung. „Das Ende der Fahnenstange wird noch nicht erreicht sein“, sagt Kneifel, der weitere Kündigungen, Lohnkürzungen oder auch Kurzarbeit befürchtet. Möglicherweise könnten auf dem Verdi-Blog also neue Salamischeiben dazukommen.