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Neuburg: Ein letztes Tabu unserer Zeit

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Ein letztes Tabu unserer Zeit

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    Einzeln wurden langjährige Mitarbeiter und Helfer des Hospizvereins Neuburg-Schrobenhausen auf die Bühne gerufen und für ihr Engagement geehrt.
    Einzeln wurden langjährige Mitarbeiter und Helfer des Hospizvereins Neuburg-Schrobenhausen auf die Bühne gerufen und für ihr Engagement geehrt. Foto: Marcel Rother

    Ist es angebracht zu lachen, wo es doch ums Sterben geht? Diese Frage drängte sich unweigerlich auf, als der Kabarettist Sepp Egerer alias Butler Lorenz die Bühne betrat. In dieser Figur führte er nicht nur als Moderator durch den Festakt zu Ehren des Hospizvereins Neuburg-Schrobenhausen, der am Freitag im Stadttheater Neuburg sein 20-jähriges Bestehen feierte, sondern lieferte die Antwort auf die eingangs gestellte Frage gleich mit: „Hospiz kommt von Herberge – einem Ort, an dem man sich wohlfühlt. Und da ist neben dem Weinen auch Lachen erlaubt.“ So naheliegend die Antwort, so wenig selbstverständlich ist heutzutage immer noch, was die Hospizbewegung und ihre Mitarbeiter leisten.

    Oberbürgermeister Bernhard Gmehling, der neben Bürgermeistern aus den umliegenden Gemeinden, Pfarrern und Klinikvertretern zu den Gästen der Feier zählte, zollte den 52 ehrenamtlichen Hospizbegleitern Respekt, die derzeit für den Hospizverein in der Region ihren Dienst tun und zum Festakt eingeladen waren: „Sie sind die eigentlichen VIPs des heutigen Tages“, machte er deutlich. Indem sie sich entschlossen hätten, Menschen in ihren letzten Tagen die Hand zu reichen, seien sie ein wichtiges Gegengewicht zur reinen Gerätemedizin: „Sie sind vielen Kranken, Sterbenden und Angehörigen eine Erleichterung, in dem sie genau dann da sind, wenn es auf menschliche Zuwendung ankommt.“

    Der Dienst am Nächsten sei umso wichtiger in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft nur selten mit dem Sterben direkt auseinandersetze. „Das Sterben ist eines der letzten Tabus unserer Zeit, an den Rand des Alltagslebens gedrängt“, bemerkte Gmehling. Dabei sei Sterben keine Krankheit, sondern der letzte Teil des Lebens, dem durch menschliche Nähe Qualität verliehen werden könne. Nicht zuletzt sei das in den vergangenen zwei Jahrzehnten seit der Gründung des Hospizvereins am 5. Mai 1997 geschehen, wofür er allen, die bis zum heutigen Tag geholfen hätten, seinen Dank aussprach.

    Dass es überhaupt zu der gegenwärtigen, von der Mehrheitsgesellschaft getragenen Akzeptanz gegenüber der Hospizbewegung gekommen ist, ist für den Festredner der Feier, den Theologen und Buchautoren Waldemar Pisarski noch immer Anlass zur Freude. Zu Beginn waren die Vorurteile groß, schilderte er in seinem Vortrag. Von „Sterbegettos“ und „Sterbevoyeurismus“ sei die Rede gewesen, als sich in den 80er Jahren hierzulande die Hospizbewegung formierte. Heute gäbe es allein in Bayern 140 Hospizdienste, in denen sich 7000 Menschen ehrenamtlich engagierten. Für Pisarski eine der größten christlich-humanistischen Bewegungen der jüngeren Vergangenheit.

    Der Theologe nennt es eine „Bewegung des Mitfühlens“, in der von Anfang an Pflegekräfte, Ärzte, Seelsorger und Ehrenamtliche ganzheitlich zusammenarbeiten würden. Ehrenamtliche seien dabei „Fachleute für das Alltägliche“, die Raum für Intuition und Kreativität öffnen würden und Anerkennung verdienten. Nicht zuletzt könnten sie selbst profitieren, indem sie durch die Hospizarbeit „herzlicher, reifer, inniger, liebevoller und bewusster“ würden – sofern sie auf sich achteten. Denn: „Man ist nur in dem Maße belastbar, wie man sich entlastet“, mahnte Pisarski.

    Ein Beispiel für die Balance aus Engagement und Selbstfürsorge war die Vielzahl der Geehrten, die beim Festakt auf die Bühne gerufen und für ihren langjährigen Einsatz ausgezeichnet wurden – ob als aktive Hospizbegleiter, aktive Mitarbeiter oder Gründungsmitglieder. Dabei konnte der Vorsitzende des Hospizvereins, Dieter Conrad, auf 20 bewegte Vereinsjahre zurückblicken. Alles habe mit der Idee begonnen, „menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen“, sagte er. Ohne die Pioniere des ersten Vereinsvorstands, Monika Nießl, Barbara Neumaier, Dorit Schieker, Nicolaus Weigl und Barbara Rinsky, sei dies unmöglich gewesen. Kurz nach Vereinsgründung wurden die Caritas Neuburg-Schrobenhausen und die Diakonie in den Vorstand aufgenommen und die Schulung der ersten Hospizbegleiter begann. Inzwischen sei man bei der zehnten Ausbildung und insgesamt mehr als 100 Teilnehmern angekommen, freute sich Conrad.

    Weitere Stationen in der Vereinsgeschichte waren die Gründung des Lebenscafés, einem Angebot für trauernde Menschen, im Jahr 2008 sowie im Jahr 2014 der Zusammenschluss mit der Hospizgruppe Schrobenhausen zum heutigen Hospizverein Neuburg-Schrobenhausen. Inzwischen reicht das Angebot des Vereins von Begleitungen zu Hause, im Pflegeheim oder im Krankenhaus über Beratungen zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht bis hin zu Angeboten für Trauernde und vielem mehr.

    Den Abschluss des Festakts bildete das Theaterstück „Der Tod kommt selten allein“ von Kerstin und Sepp Egerer. In Clownstradition – humorvoll und ernst – brachten sie den Kreislauf aus Werden und Vergehen auf die Bühne und die Besucher zum Nachdenken. Zwischen den Programmpunkten hatten während der Veranstaltung Musiker der Musikschule Neuburg für einen würdigen musikalischen Rahmen gesorgt.

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