Ulm Wenn die Menschheit eines Tages ausgestorben wäre – wie könnte man dann Begriffe wie „Menschlichkeit“, „Verletzlichkeit“ oder „Fantasie“ museal aufbereiten? Die Künstler Casper ter Heerdt und Ellis Schoonhoven stellen sich dieser Frage und betreten „Human Landscapes“, menschliche Landschaften also, die in den gotischen Räumen der Galerie in der Sebastianskapelle bezwingenden Reiz entfalten.
Im Erdgeschoss irritiert zunächst der Materialmix: Bronzearbeiten (ter Heerdt) sind wie selbstverständlich neben Textilarbeiten (Schoonhoven) gestellt, Marmor neben Gips und Wachs; die „Female Figure“ Schoonhovens erinnert an die wuchernden Puppenfiguren Hans Bellmers, das strahlende Weiß erfährt zusammen mit der amorphen Formensprache eine morbide Überzeichnung durch die Glasvitrine, in der die Arbeit liegt. An den Wänden der „Sakristei“ schweben kleine Bronzefiguren von ter Heerdt, „Madonna and Child“ oder „Pietà“ deuten den sakralen Charakter der kleinen vollplastischen Arbeiten an. Zugleich atmen diese Arbeiten einen subversiven Humor, und wo sich „Schneewittchen und die 7 Zwerge“ in diesem sakral angehauchten Bedeutungsbett wiederfinden, werden gewitzt die Konventionen von Märchen, Religion und Andenkenkultur hinterfragt.
In der Ulmer Galerie, die durch besondere Ausstellungen „aus der Reihe tanzen möchte“, wie die Vorsitzende des Vereins, Dr. Brigitte Grübl erklärte, wirken die Arbeiten des am Rhein arbeitenden Künstlerpaares besonders eindringlich. Die Intimität der Figuren wird durch die kleinen Galerieräume besonders deutlich; die Installation „Die Welt am Sonntag“ aus Wachsfiguren und Spielzeug ist unter dem Gebälk des Dachbodens als persönliche, emotionale Kunst lesbar, eine Allegorie auf triebhafte, zugleich aber auch intellektuell kontrollierte Handlungen. Immer wieder greift auch der Humor durch: kleine Männer in Vogelkäfigen, von Hunden beobachtet, kehren die Perspektive Mensch-Tier um.
Die Vielfalt verwendeter Materialien, von Marmor über Bronzeguss bis hin zu Nylonstoffen, Holz und Fundstücken aus Plastik und Metall entwirft das menschliche Dasein als gelebte Improvisation, vermittelt dabei auch das (auf handwerklich höchstem Niveau) Vergnügen am Ausprobieren von Materialien und Aussagen.
„Wer sind wir und wie verhalten wir uns“? – diese Frage stellen die beiden Künstler in den Raum und geben selbst die Antwort: „Wir untersuchen, ob unsere Fragen rein persönlich oder universal sind.“ Wie universal die Antworten ausfallen, ist jedem Betrachter überlassen. Dass es der Ausstellung gelingt, die gefühlte Enge des menschlichen Daseins aufzubrechen und den Betrachtern die Botschaft auch mittels Humor und Selbstironie zu verpassen, ist eine Stärke. Dass sie in ihrer Bandbreite von Ästhetik, handwerklicher Perfektion, Zitat und Neuerfindung dem Besucher echte Emotionen abzuringen vermag, eine weitere Empfehlung für die Schau.
Ausstellung bis 15. Mai, geöffnet Freitag 17 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag 11 bis 14 Uhr.