Die Aschermittwochsrede von Bürgermeister Paul Gruschka (FW) erntet lautstarke Widerrede von einigen der wichtigsten Bad Wörishofer Unternehmern. „Hände weg von der Steuerschraube!“ haben die Firmenchefs ihre gemeinsame Erklärung überschrieben, die unserer Zeitung vorliegt. Man sehe das „Erfolgsmodell und den Wirtschaftsstandort Bad Wörishofen in Gefahr“. Grund für die Warnung ist Gruschkas Forderung nach einem höheren Gewerbesteuersatz. In Bad Wörishofen liegt er mit 240 Prozent im bayernweiten Vergleich sehr niedrig. Der Kommunale Prüfungsverband, so Gruschka, empfehle für Gemeinden in der Größe von Bad Wörishofen 319 Prozent. Der Stadtrat müsse angesichts der Haushaltslage endlich handeln, hatte Gruschka beim ersten Politischen Aschermittwoch der Freien Wähler Bad Wörishofen als deren Vorsitzender gefordert. Im Rat zeichnete sich bislang allerdings keine Mehrheit für eine Steuererhöhung ab.
Martin Müller, der Vorstandsvorsitzende der Tricor AG, ist da ganz anderer Meinung als Gruschka. Auch er hat die Erklärung unterzeichnet, zusammen mit den Vertretern von elf weiteren gewichtigen Unternehmen und dem Hotel- und Gaststättenverband. „Es klingt auf den ersten Blick widersprüchlich - und doch ist es die Basis des Erfolgsmodells Bad Wörishofen: Eine Senkung der Gewerbesteuer führte in der Vergangenheit zu deutlich höheren Einnahmen aus dieser Steuer“. Das schreiben die Firmenlenker an Stadtratsmitglieder und den Bürgermeister. Am Ende bieten sie Gespräche an, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Dieses Schreiben, so Müller, sei am Tag vor Gruschkas Aschermittwochsrede an den Bürgermeister und den Stadtrat per E-Mail verschickt worden. Die Nähe zum Termin sei zufällig gewesen. „Wir haben die Hand ausgetreckt, um die Problematik in einem Konsens anzugehen“, sagt Müller. Was Gruschka dann am Aschermittwoch gesagt habe, zeige allerdings, dass der Bürgermeister daran kein Interesse habe. Deshalb mache man den Brief nun öffentlich. Dann wird Müller deutlich: „Bad Wörishofen tritt nicht nur auf der Stelle, es läuft rückwärts.“ Dabei wurden in der Vergangenheit „alle Voraussetzungen geschaffen, um die letzten drei Jahre lang erfolgreich zu sein“, findet der Tricor-Chef.
Dass „Steuersätze und Lebensqualität nicht voneinander zu trennen“ seien, zeigt nach Ansicht der Unterzeichner der „für Bad Wörishofen außergewöhnliche Sondereffekt mit 8,6 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer im Jahr 2013.“ Zu diesem Zeitpunkt „stellte der erste Schritt der Gewerbesteuersenkung bereits einen wesentlichen Standortvorteil für Bad Wörishofen dar und zeigte Wirkung“, finden die Unternehmer.
Nachhaltigkeit jedoch sei „nur aus stabiler und stetig wachsender Wirtschaftsleistung zu erwarten“. Diese allerdings entstehe erst „durch Vertrauen in verlässliche und somit planbare Standortfaktoren.“ Die Firmenchefs sind überzeugt: „Die Kontinuität dieser Steuerpolitik würde sicherlich weitere Sondereffekte nach sich ziehen, sofern sie denn stattfände.“
Die aktuelle Diskussion um eine Erhöhung des Hebesatzes der Gewerbesteuer gefährde allerdings den Wirtschaftsstandort Bad Wörishofen „massiv“ und trage zur Verunsicherung bei. „Diese wirkt besonders für ansiedlungswillige Unternehmen abschreckend und wird bei Fortbestand die derzeitigen Probleme der Stadt nicht lösen“, schreiben die Firmenchefs. Sie erklären: „Im Betrachtungszeitraum der letzten zwölf Jahre, ohne Berücksichtigung des Sondereffekts 2013, stieg das Aufkommen aus der Gewerbesteuer um 350 Prozent.“ Neue Firmen hätten sich angesiedelt, bestehende expandiert. „Die Folgen waren sichere Arbeitsplätze und mehr Einnahmen in der Stadtkasse“, heißt es weiter. „Diese Einnahmen trugen dazu bei, den notwendigen Strukturwandel im Kurwesen finanziell abzufedern.“
Auch Handwerker, Hotellerie und Gastronomie profitieren nach Ansicht der Unternehmer „von den Multiplikationseffekten der gewerblichen Unternehmen“. Deren Beiträge wiederum sicherten die hohe Lebensqualität und den Unterhalt von Einrichtungen wie dem Kurpark oder dem kulturellen Angebot, nicht zuletzt „die soziale Infrastruktur“ in Form von Kindergärten oder Schulen.
Die Steuerdebatte führe allerdings dazu, dass Verunsicherung herrsche und Ausbaupläne verhindert würden. Während Bürgermeister Gruschka jüngst sagte, der Gewerbesteuersatz sei nicht der entscheidende Faktor für Unternehmer, schon eher Verfügbarkeit von Grundstücken und Ähnliches, sagt Tricor-Chef Müller: Jedes Unternehmen müsse die Kosten im Blick haben, dazu gehöre auch die Gewerbesteuer. Tricor zum Beispiel habe seit der Ansiedlung in Bad Wörishofen 4,5 Millionen Euro an Gewerbesteuer an die Stadt Bad Wörishofen gezahlt. Heuer rechne man mit einer Zahlung an Bad Wörishofen von etwa 900000 Euro. Würde der Hebesatz von 319 Prozent gelten, wären das etwa 300000 Euro mehr, sagt Müller. Dafür könne er sieben Mitarbeiter beschäftigen. Müller lässt keinen Zweifel daran, dass er auf eine Gewerbesteuererhöhung reagieren würde. „Für uns geht es um 300000 Euro pro Jahr, für den Bürgermeister aber um fast eine Million“, sagt Müller. Soll heißen: „Der Betrieb und die Arbeitsplätze würden natürlich bleiben, aber die Steuern würden gehen.“
Die unterzeichnenden Unternehmer treibt auch die Zukunft des interkommunalen Gewerbeparks um. „Ansiedlungswillige Betriebe verlieren Perspektiven und Planungssicherheit und wenden sich anderen Standorten zu“, schreiben sie. „So verzeichnet der Gewerbepark A96 innerhalb von drei Jahren nur eine Ansiedelung.“ Interessenten gibt es freilich mehr. Bürgermeister Gruschka hatte jüngst verkündet, dass alle Flächen reserviert seien, teilweise schon verkauft.
Was die Unternehmer noch kritisieren: „Die Stadt lebt über ihre Verhältnisse.“ Die „massive Steigerung der Ausgaben ist so extrem, dass auch in diesem Jahr wieder mit einer erheblichen Neuverschuldung zu rechnen ist“. Durch die Steuerdebatte befürchten die Wirtschaftsführer Imageschäden und langfristig ein sinkendes Steueraufkommen für Bad Wörishofen durch Abwanderung von Firmensitzen. Man biete „offene und konstruktive Gespräche mit der Kommunalpolitik“ an, um eine „kurzsichtige und wirtschaftsfeindliche Politik zu verhindern“, heißt es weiter. Martin Müller nennt als Schlagwort die Gründung eines Wirtschaftsbeirates durch den Bürgermeister, dem Unternehmer angehören könnten. Doch davon sei man weit entfernt. Er selbst fühle sich in Bad Wörishofen nicht mehr wohl, sagt Müller. Dabei hat er große Pläne. Der Konzern soll bis 2023 deutlich wachsen, Bad Wörishofen als Zentrale „überproportional“ proftieren. 200 Millionen Euro Umsatz macht die Tricor AG derzeit. Gruschka wirft er „mangelnde Kompetenz“ vor. Er selbst wäre angesichts einer solchen Wirtschaftsbilanz längst von seinem Aufsichtsrat entlassen worden, sagt Müller. Auch Bad Wörishofens Wirtschaftsreferent Alwin Götzfried, selbst Freier Wähler, meldete sich gestern zu Wort. Er könne Gruschkas Hinweis auf Flächenfraß durch niedrige Hebesätze nicht verstehen. Mit steuergünstigen Firmensitzen könne Bad Wörishofen viel Geld einnehmen, ohne Flächen zu verbrauchen. Schon jetzt erlöse man auf diese Weise pro Quadratmeter 50000 bis 100000 Euro, so Götzfried.
Diese Unternehmer unterzeichneten die gemeinsame Erklärung:
Bayerische Haus- und Grundbesitz AG mit Geschäftsführer Roland Holly
Häwa GmbH, Bad Wörishofen, mit Geschäftsführer Arno Müller
Heidi Chocolat Schwermer mit Geschäftsführerin Petra Kneipp
Holz Kreuzer mit Geschäftsführer Peter Kreuzer
Holzmann Medien mit Geschäftsführer Alexander Holzmann
Hotel- und Gaststättenverband Bad Wörishofen mit den Vorsitzenden Hubertus Holzbock und Martin Steinle
Josef Maier GmbH & Co. KG mit der Geschäftsleitung Thomas Maier, Sascha Graf und Hans Hofmann
Krafthand Medien mit den Geschäftsführern Steffen Karpstein und Andreas Hohenleitner
SM Weber mit Geschäftsführer Manfred Weber
Therme Bad Wörishofen mit Geschäftsführer Jörg Wund
Tricor AG mit den Vorständen Martin Müller und Robert Wiblishauser
Wohninvest Holding mit dem Gesellschafter Herrn Andreas Bayer