Wenn Silvio Berlusconi spricht, wird es schnell polemisch: Schuld an der Misere Italiens, gab der 76-jährige Ex-Regierungschef kürzlich in einem Fernsehinterview zum Besten, seien die „unsolidarischen und egoistischen Deutschen“, die Rom die Sparpolitik auferlegt hätten. Rumms!
Gemünzt war die Schelte auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich gegen eine Vergemeinschaftung der Schulden von Euro-Ländern stemmt. Gleichzeitig galt sie Mario Monti, dem ehemaligen EU-Kommissar, der im November 2011 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise als „Technokrat“ die Regierungsgeschäfte in Rom übernommen hat.
Ein Körnchen Wahrheit steckt indes sogar in der überspitzten Aussage des italienischen Populisten, der jetzt überraschend erneut als Regierungschef kandidiert. Sein Nachfolger, der Ökonom Monti, hat als Chef einer Großen Koalition die Vorgaben der EU und der Europäischen Zentralbank (EZB) umzusetzen versucht, die auf eine Reduzierung der Neuverschuldung und auf einen Abbau des Staatsdefizits hinauslaufen. Darauf gepocht hat in den EU-Gremien stets auch die deutsche Kanzlerin.
Aber wie viel dieser „deutschen“ Politik verträgt Italien? Monti hat zum Beispiel massive Rentenkürzungen durchgesetzt und die Steuern auf Immobilienbesitz hochgeschraubt, um die Einnahmen des Staates zu erhöhen. Damit müssen jetzt die „kleinen Leute“ zum großen Teil die finanzielle Sanierung stemmen. Immobilienbesitz ist in Italien kein Luxusgut, 80 Prozent der Bürger leben in Wohnungen, die ihnen selbst gehören.
Deswegen beklagen auch Politiker der italienischen Linken, dass die Politik Montis zu neuer sozialer Ungerechtigkeit und zu einem Einbruch der Binnennachfrage führe. So hat der parteilose Regierungschef zwar beachtliche Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung vorzuweisen, wirtschaftliches Wachstum konnte er aber nicht erzeugen. Im Gegenteil: Italiens Bruttoinlandsprodukt sank 2012 um 1,6 Prozent und wird 2013 wohl um0,3 Prozent zurückgehen.
Monti, der nur für eine Übergangszeit als Regierungschef vorgesehen war, musste im Dezember noch vor Ablauf seiner Amtszeit zurücktreten, nachdem ihm Berlusconi die Unterstützung entzogen hatte. Er hat sich nun als Kandidat eines Bündnisses kleinerer Parteien für die Neuwahlen im März oder April zur Verfügung gestellt. Doch seine Aussichten auf eine Rückkehr in den Palazzo Chigi, den Amtssitz des Ministerpräsidenten, sind gering.
Auch Berlusconi, der mit einer fast 50 Jahre jüngeren Verlobten sein Privatleben angeblich neu geordnet hat, werden keine Chancen eingeräumt. Die Lega Nord, die bisher mit seiner Partei Volk der Freiheit verbündet war, will ihn nicht mehr unterstützen.
Favorit in den Umfragen ist der Spitzenkandidat des Mitte-Links-Bündnisses und Chef der Demokratischen Partei, Pierluigi Bersani. Der studierte Philosoph und ehemalige Minister will wichtige Elemente von Montis Konsolidierungspolitik fortführen, dabei stärker auf die soziale Balance achten und sogar neue Reformen anpacken. Es gebe in Italien zu viel Bürokratie, Steuerhinterziehung und Korruption. Eine ehrliche Analyse.
Andererseits hält Bersani Eurobonds, gemeinsame europäische Anleihen, die hochverschuldeten Ländern günstiges Geld verschaffen, für gerecht: „In Italien zahlen wir auch für eine Krise, für die wir nicht die gesamte Verantwortung tragen.“ Sofern er gewählt wird, wird Bersani nicht poltern wie Berlusconi. Aber als Stimme des Südens wird auch er Druck auf die Deutschen machen.