Es ist ein bitterer Triumph für Dominique Strauss-Kahn. 100 Tage, nachdem er in Handschellen und unrasiert einer entsetzten Weltöffentlichkeit als potenzieller Vergewaltiger vorgeführt wurde, wird die Anklage gegen ihn fallen gelassen. Nicht weil seine Unschuld bewiesen wäre, sondern weil sein mutmaßliches oder auch nur angebliches Opfer unglaubwürdig ist. Nun kommt es zu keinem Strafprozess, und doch wurde medial und politisch das Urteil längst gesprochen: Strauss-Kahn ist erledigt.
So gewaltig die Fallhöhe des brillanten Ökonomen und bewunderten Charismatikers war, er hat sie voll ausgereizt. Selbst wenn er sich nochmals aufrappeln sollte in die alte Form eines Ausnahme-Politikers, der den Menschen in Frankreich parteiübergreifend Hoffnung auf einen politischen Wechsel geben konnte, wird er nicht mehr zurückfinden.
Und selbst wenn er, auch dank seines wirtschaftlichen Sachverstandes, nochmals eine Rolle in der französischen Politik spielen sollte, wenn er es denn überhaupt wollte, seine Karriere-Aussichten sind sehr begrenzt. Nach ganz oben geht es nicht mehr. Strauss-Kahn hat seinen Spitzenposten beim IWF verloren und die Chance, nächster französischer Präsident zu werden, vor allem aber den Ruf eines integren, vertrauenswürdigen Mannes – ein Schaden, der sich nicht mehr wiedergutmachen lässt.
Dieser Schaden geht aber nur zum Teil zurück auf eine Justiz, die durch die sofortige Zurschaustellung des Angeklagten die Unschuldsvermutung in den Hintergrund rückte; auf skandalgierige Journalisten, die bereitwillig der ersten gelegten Fährte folgten, noch bevor in dem Fall verlässliche Fakten bekannt waren; und auf Kommentatoren, die mit Häme nicht geizten.