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Kommentar: Schuldenstaat Deutschland

Kommentar

Schuldenstaat Deutschland

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    Walter Roller
    Walter Roller

    Zurecht besteht die Bundesregierung darauf, dass die Hilfe für vom Bankrott bedrohte Staaten an Bedingungen geknüpft wird. Wer am Tropf anderer hängt und die Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat, muss sich auch aus eigener Kraft aus dem Schlamassel zu befreien versuchen.

    Nach diesem Grundsatz verfährt die Kanzlerin, wenn sie auf Sparmaßnahmen und Reformen im überschuldeten Süden Europas dringt. Sie tut es um den Preis schwerer persönlicher Anfeindungen und handelt sich den Vorwurf eines „deutschen Diktats“ ein, der mit dem Zerrbild eines von Deutschland beherrschten Europas spielt und nationale Ressentiments schürt. Doch der Kurs Merkels ist, alles in allem besehen, nicht nur im Interesse deutscher Steuerzahler, sondern auch Europas. Denn die Rettung der Währung, das ist die wichtigste Lektion der Schuldenkrise, kann auf Dauer nur durch solideres staatliches Wirtschaften gelingen. Es ist übrigens auch das sicherste Mittel, um sich aus dem Klammergriff der Finanzmärkte zu befreien.

    Allerdings ist die Bundesregierung gut beraten, wenn sie hart in der Sache, aber nicht zu schulmeisterlich auftritt. Zwar steht Deutschland dank seiner eminenten Wirtschaftskraft beispiellos gut da. Ein leuchtendes Vorbild in Sachen Schuldenabbau jedoch ist das größte Land der Euro-Zone beileibe nicht, zumal es selber maßgeblich zum Bruch der Euro-Stabilitätsregeln beigetragen hat. Auf weit über zwei Billionen Euro (das sind 2000 Milliarden!) addieren sich inzwischen die Verbindlichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen. Das entspricht rund 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung - spanische Verhältnisse sozusagen - und bedeutet, dass rein rechnerisch jeder Bürger mit 24 600 Euro in der Kreide steht. Der Schuldenberg ist das Ergebnis einer Politik, die es über Jahrzehnte hinweg mit dem sparsamen Haushalten nicht so genau genommen und ständig mehr Geld ausgegeben hat, als zur Verfügung stand. Etliche südeuropäische Staaten, die Griechen voran, haben noch viel ungehemmter auf Pump gelebt - zuletzt ermuntert von dem billigen Geld, das ihnen die Währungsunion bescherte. Aber auch der deutsche Staat lebt seit langem über seine Verhältnisse und bürdet den nachfolgenden Generationen hohe Lasten auf. Nur fünfmal seit 1960 hat Deutschland ein Jahr mit einem kleinen Überschuss abgeschlossen. Die bis 1969 geltende goldene Regel, wonach der Staat in schlechten Zeiten ruhig Schulden machen soll, diese in guten Zeiten jedoch wieder zurückführt, wurde systematisch ausgehebelt. Die Crux besteht darin, dass die Schulden seit langem mit noch mehr Schulden bedient werden und die Politik weder die Kraft noch den Mut hat, den Ausgabenzuwachs wirkungsvoll zu drosseln.

    Das Gerede von den „leeren Kassen“ ist Unfug. Die seit drei Jahren anhaltend gute Konjunktur beschert dem Staat einen Steuereinnahme-Rekord nach dem anderen. Trotz des Konjunkturbooms gelingt es nicht, wenigstens die Aufnahme neuer Schulden zu vermeiden. Allein der Bund braucht heuer 30 Milliarden. Weniger Neuverschuldung - das wird schon als Erfolg gefeiert, obwohl bei entsprechendem Ehrgeiz deutlich mehr drin wäre. Von raschem Schuldenabbau, wie er beispielsweise den Griechen inmitten einer schweren Rezession abverlangt wird, ist ja einstweilen noch nicht mal die Rede.

    Wie gut, dass die in die Verfassung eingefügte „Schuldenbremse“ Bund und Länder in den nächsten Jahren wenigstens zum Maßhalten bei neuen Kreditaufnahmen zwingt. Aber die Chance, ein kräftigeres Signal für das Ende der Schuldenpolitik zu setzen, wird wieder vertan.

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