Es hätte eine Woche werden können, in der die Staatenlenker die großen Probleme der Welt lösen. Erst bringen sie beim G-20-Gipfel in Mexiko die Weltwirtschaft in Schwung, dann retten sie beim Rio+20-Treffen in Brasilien Umwelt und Klima. Diese Annahmen waren zugegebenermaßen utopisch. Aber in Los Cabos sind keine zukunftsträchtigen Lösungen vereinbart geworden. Und in Rio de Janeiro wird es nicht anders sein.
Alleine schon die Tatsache, dass zum heute beginnenden Umweltgipfel der Vereinten Nationen weder Obama noch Putin noch Merkel anreisen, schließt weitreichende Entscheidungen aus. Das war vor 20 Jahren noch anders. Bush senior und Kohl verbreiteten damals Aufbruchstimmung an der Copacabana. „Wir haben einen dynamischen Prozess eingeleitet, der uns in weltweiter Partnerschaft bei der Lösung der drängenden Zukunftsfragen der Menschheit voranbringen wird“, sagte der deutsche Bundeskanzler vor den Vertretern von 178 Staaten. Zuvor waren Verträge zum Schutz des Klimas, zur Erhaltung der Artenvielfalt und zur Bekämpfung der Wüstenbildung unterzeichnet worden.
Solchen Optimismus sucht man zwei Jahrzehnte später vergebens. Im Wissen darum, dass die großen Ziele von damals nicht erreicht wurden, wird weitergewurstelt und schöngeredet. So soll das vor 20 Jahren entwickelte Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ fortgeschrieben werden. Industrie- und Schwellenländer präsentieren das Modell der „Green Economy“ – eine „grüne Wirtschaftsweise“, die kohlenstoffarm und ressourcenschonend sein soll. Kritiker mutmaßen, dass damit vor allem neue Märkte für die aufstrebenden Techniken der regenerativen Energieerzeugung erschlossen werden sollen.
Die meisten Teilnehmer in Rio vertreten indes Entwicklungsländer. Sie wollen keine schönen Worte hören, sondern hoffen auf tatkräftige Hilfe. Am liebsten wäre ihnen ein Fonds für nachhaltige Entwicklung, in den die reichen Staaten einzahlen. Doch Europa und die USA sind derzeit auf ihre eigenen finanziellen und wirtschaftlichen Sorgen fokussiert – und versäumen es, die langfristig wohl viel dramatischeren globalen Probleme (Hunger und Armut, Klimawandel, Artenschwund) zu bekämpfen.
Viel Geld ist von dieser Seite jedenfalls nicht zu erwarten. Obama – im Wahlkampf stehend – und Merkel ersparen es sich, die schlechte Nachricht zu überbringen. Die Suppe dürfen Minister und Spitzenbeamte auslöffeln. Stattdessen schlägt die EU vor, das UN-Umweltprogramm Unep organisatorisch aufzuwerten. Und wundert sich auch noch, dass zu Füßen des Zuckerhuts keine Begeisterung aufbrandet...
Gastgeber Brasilien steht ebenfalls nicht mit blütenweißer Weste da. Die in der Ära von Ex-Präsident Lula da Silva formulierten ehrgeizigen Klimaziele sind unerreichbar. Die Mehrheit im Parlament von Brasilia beschloss sogar ein Waldgesetz, das nicht nur bisherigen Frevel am Regenwald amnestiert, sondern auch künftigem Raubbau Tür und Tor öffnet. Präsidentin Dilma Rousseff konnte durch ihr Veto gerade noch verhindern, dass die Neuregelung vor der Rio+20- Konferenz in Kraft trat.
Das heute beginnende Treffen droht als weiteres unbedeutendes Kapitel in die Geschichte der Rio+X-Gipfel einzugehen. Auf der Konferenz in Johannesburg vor zehn Jahren wurden die – noch unverwirklichten – „Millenniumsziele“ für den Kampf gegen die Armut beschlossen. So folgt Konferenz auf Konferenz – und die Menschheit wächst und wächst und überfordert weiter den Planeten.