Wahlabende sind Feierabende. Sogar für jene, die nüchtern betrachtet gar nichts zu feiern haben. Wer den Sprung an die Spitze verpasst, feiert, dass es anderen noch schlimmer geht (CDU). Wer schlechter abschneidet als erhofft, feiert, dass er besser abgeschnitten hat als beim letzten Mal (Grüne). Und wer ein komplettes Desaster erlebt, kann ja immer noch den „engagierten Wahlkampf“ feiern (FDP). So war das auch gestern in Berlin. Dabei hat die Wahl – neben der Piratenpartei natürlich – nur einen Sieger, und das ist Klaus Wowereit.
Der Regierende Bürgermeister darf weitermachen und könnte sich seinen Koalitionspartner sogar aussuchen. Das war zu erwarten und ist doch erstaunlich. Schließlich stehen in Wowereits Bilanz nach zehn Jahren im Roten Rathaus immense Schulden, eklatante Mängel im Bildungssystem und hohe Arbeitslosenzahlen. Überzeugende Antworten darauf hat er nicht. Das Programm von Wowereits SPD ist Wowereit selbst. Ähnlich wie Helmut Kohl nach dem Mauerfall gibt er den Berlinern das Gefühl: Ich mach’ das schon für euch.
Beste Chancen, den entzauberten Linken die Rolle des Juniorpartners abzunehmen, haben die Grünen. Und trotzdem ist deren Spitzenkandidatin Renate Künast die vielleicht größte Verliererin dieser Wahl. Als heimliche Favoritin ins Rennen gegangen, kam sie weit abgeschlagen als Dritte ins Ziel. Ihr Kurzzeit-Flirt mit der CDU und der verbissene Kampf um die Macht kamen bei den Berlinern gar nicht gut an. Der Erfolg der Grünen ist eben doch kein Selbstläufer.
Im Vokabular der FDP hat das Wort „Erfolg“ schon lange keinen Platz mehr. Die Liberalen rutschen immer weiter in eine existenzielle Krise. Zum fünften Mal in diesem Jahr scheiterten sie an der Fünf-Prozent-Hürde. Die allenfalls halbherzige Emanzipation von der Ära Westerwelle und der hektisch eingeschlagene Krawallkurs der neuen Parteispitze gegen Angela Merkels Euro-Politik haben die Wähler noch weiter verschreckt.
Und die Kanzlerin? Für sie könnte das Superwahljahr 2011 den Anfang vom Ende markieren. Nur in Sachsen-Anhalt hat die CDU ihre Macht verteidigt. In Hamburg und Baden-Württemberg wurde sie abgewählt. Rheinland-Pfalz, Bremen und Berlin werden weiterhin ohne die Union regiert und in Mecklenburg-Vorpommern bleibt ihr nur die Rolle der Nummer Zwei.
Dass Regierungsparteien auf regionaler Ebene für ihre Politik im Bund abgestraft werden, ist nicht neu. Doch das schlechte Abschneiden von CDU und FDP ist mehr als ein Denkzettel. Immer weniger Menschen trauen der heillos zerstrittenen Koalition zu, das Land aus der Krise zu führen. Setzt sich dieser Trend fort, ist für Schwarz-Gelb 2013 Feierabend – spätestens.