In Brüssel, wo ja gern über die Köpfe der Bürger hinweg große europäische Politik gemacht wird, murren sie schon über die verstärkte Einbindung des deutschen Parlaments in die auf EU-Gipfeln verabredete Euro-Rettungspolitik. Den Junckers und Barrosos wäre es lieber, wenn die Kanzlerin wie die anderen Regierungschefs weiter freie Hand hätte und sich keine Handlungsvollmacht besorgen müsste. Dann wäre man wie bisher unter sich und könnte den gewählten Volksvertretern wie bisher die Beschlüsse einfach nur zum Abnicken vorlegen. Aber damit ist nun endgültig Schluss, und das ist gut so.
Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das auf einer gründlicheren Beteiligung des Parlaments besteht, benötigt die Bundesregierung für weitreichende Brüsseler EU-Entscheidungen ein Mandat des Bundestags. Angela Merkel reist jetzt ohne Blankoscheck an. Sie hat und sie braucht einen gewissen Verhandlungsspielraum. Aber sie muss sich, ehe sie auf EU-Gipfeln in Milliardengarantien und teure Rettungspakete einwilligt, die grobe Marschrichtung von einer Mehrheit des Bundestags genehmigen lassen.
Laut dem Gesetz, das auf Weisung aus Karlsruhe beschlossen wurde, genügte hierfür ein Votum des Haushaltsausschusses. Merkel wählt den schwierigeren Weg über den Bundestag. Damit ist nämlich nicht nur der Vorwurf entkräftet, über eine Schicksalsfrage der Nation werde in einem Hinterzimmer des Parlaments verhandelt. Es dient auch dem Ziel Merkels, die weitere Unterstützung der Opposition sicherzustellen.
Offenbar ist die Kanzlerin überzeugt, die eigene Mehrheit noch einmal mit Ach und Krach und trotz des anhaltend lausigen Zustands der Koalition zusammenzukriegen. Dabei wird sich vor allem erweisen, wie es um die Bereitschaft der CSU zur offenen Konfrontation mit der großen Schwester CDU in Wahrheit bestellt ist. Kommt es – und darauf deutet zur Stunde alles hin – zu einer trickreichen Vervielfachung der Rettungssummen, dann wäre entgegen Seehofers Diktum („bis hierher und nicht weiter“) wiederum eine rote Linie überschritten. Ein Ja der CSU ginge diesem Fall mit einem schweren Glaubwürdigkeitsverlust einher.
Mit der frühzeitigen Einbindung des Bundestags ist jetzt zumindest sichergestellt, dass Entscheidungen von historischer Tragweite auf offener Bühne diskutiert und gemäß den Spielregeln der Demokratie getroffen werden. Der Abmarsch in die Schulden- und Haftungsunion sowie die radikale Veränderung der Euro-Geschäftsgrundlage sind am Volk vorbei erfolgt. Dem Bundestag obliegt nun die Pflicht, die deutschen Kosten für die Rettung des Euro nicht ins Uferlose steigen zu lassen. Sehr teuer wird es allemal.