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Nach Motorradunfall: Sie hat ihr Bein verloren, aber nicht den Mut

Nach Motorradunfall

Sie hat ihr Bein verloren, aber nicht den Mut

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    Michaela Bienert.
    Michaela Bienert.

    Michaela Bienert hat bei einem Motorradunfall ihr Bein verloren - und fast auch ihr Leben. Aufgeben will sie deshalb nicht, trotz aller Schwierigkeiten: Sie hat jetzt sogar eine Selbsthilfegruppe gegründet.

    Michaela Bienert hat alles voll mitbekommen: wie sie wegen eines Wohnwagens auf einer Straße am Lago Maggiore bremsen musste, wie sie auf der nassen, engen Strecke mit ihrem Motorrad ins Rutschen kam und von einem entgegenkommenden Betonmischer übersehen wurde. Wie der Laster über ihre Hand und ihr linkes Bein fuhr und wie sie fürchtete, zu verbluten. Ihr Bein hat die heute 36-Jährige bei diesem Unfall 2004 verloren. Ihren Lebensmut nicht. Ihn will sie jetzt in einer neuen Selbsthilfegruppe an andere amputierte Menschen in der Region weitergeben.

    Die Frau aus Waal, die vor Ideen sprüht, die wieder Fallschirm springt und zum Raften geht, ist dieselbe, um deren Leben die Ärzte mehrfach kämpfen mussten. Vier Wochen lag Michaela Bienert nach dem Unfall in einem italienischen Krankenhaus, ihre Wirbelsäule war mehrmals gebrochen, ihr Bein amputiert. 2,9 Liter Blut hat sie verloren, bei 3,2 wäre "Schluss gewesen. Die Ärzte hatten mich im Helikopter schon abgeschrieben."

    Die Operation dauerte 24 Stunden

    Eine 24 Stunden dauernde Operation folgte, Reanimationen, Komata. Lange hat Michaela Bienert nicht vollständig realisiert, "dass da was fehlt" - das linke Bein und ein Großteil ihrer Hand. "Das, was sie von der Hand noch gefunden haben, haben die Ärzte wieder hergestellt", sagt sie. Sie sei, so die 36-Jährige, ihr "bestes Ersatzteillager". Und bei diesem Satz kommt er wieder durch, der Optimismus der Frau. "Ich habe es relativ schnell akzeptiert, dass es so ist. Auch wenn das schwer ist, man wird ja völlig aus dem Leben gerissen", sagt sie. Aber sie sei ohnehin ein optimistischer Mensch. "Für mich gab's immer nur, nach vorne zu blicken."

    Sie weiß auch, wie es ist, verzweifelt zu sein

    Sie weiß aber auch, wie es ist, sich verzweifelt zu fühlen. Sich nicht damit abfinden zu können, nach der eineinhalbjährigen Krankschreibung erst arbeitslos gemeldet zu sein, dann Hartz IV zu bekommen und womöglich mit 30 schon Rente zu beziehen. "Mein Kopf funktioniert und will genauso Gas geben wie vorher. Aber mein Körper kann das nicht mitmachen." Die Schmerzen seien allgegenwärtig. Vor zwei Jahren wurde ihr nach dem Unterschenkel auch das Knie amputiert. Nach 200 Meter Spaziergang wird das gesunde Bein schlapp Was sie fast mehr belaste als die Amputation, sei ihre Teillähmung, die Muskelschwäche aufgrund der Rückenmarksverletzungen.

    Nach 200 Meter Spaziergang wird das rechte Bein schlapp

    Nach 200 Meter Spaziergang, sagt Michaela Bienert, "wird das rechte schlapp". Das rechte Bein, sagt sie, sei das kaputte, das Prothesenbein so etwas wie ihr gutes Bein. Michaela Bienert wusste, dass sie in ihren früheren Beruf in der Modebranche nicht wieder würde zurückkehren können. Sie suchte nach Möglichkeiten, ihr Schicksal mit einem neuen Job zu verbinden - und präsentierte auf Messen unter anderem den ersten "elektronischen Fuß". Auf einem dieser Events lernte die 36-Jährige die Sanitätsfirma Streifeneder kennen, die ihr eine Stelle anbot.

    Ende 2006 zog Bienert, die ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen kommt, daher nach Bayern. Sie fing zunächst im Verkauf an, arbeitet mittlerweile Halbzeit in der Technikabteilung. Daneben baut sie ein zweites, selbstständiges Standbein auf: Sie zertifiziert und testet Bäder und Thermen auf ihre behindertengerechte Ausgestaltung.

    "Es ist fast alles möglich, man muss es nur wollen"

    Nicht nur in der Freizeit würden Menschen mit Handicap oft an ihre Grenzen stoßen, sagt sie. "Ich bin im Alltag eingeschränkt, aber ich lass mich ungern einschränken", sagt sie. Wie damals, als sie sich beim Kochen eine Dose Tomaten öffnen wollte. Es ging nicht. An ihrer linken Hand hat sie nur noch zwei Finger. Michaela Bienert setzte die Dose auf die Hüfte auf. "Es gab zwar eine Sauerei, aber sie war irgendwann offen." Ihr Leitspruch: "Es ist fast alles möglich, man muss es nur wollen." Dieses Motto soll auch über der Selbsthilfegruppe "Pro-Thesen-Bewegung" stehen, die Michaela Bienert in Landsberg gründet - für junge und für alte Menschen.

    Monatliche Treffen der Selbsthilfe-Gruppe

    Die Treffen sollen einmal monatlich stattfinden. Auf dem Programm stehen Gesprächsabende, Referententage, Gleichgewichtsübungen, Rafting- und Radtouren, Nordic Walking und mehr. Michaela Bienert möchte die Menschen dazu bekommen, aktiv zu werden, sich mehr zu trauen. So wie sie selbst: Seit einem Jahr fährt die 36-Jährige wieder Motorrad. "Es ist befreiend, ein Stück Lebensqualität." Von Kathrin Löther

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