Erstaunte Blicke ist Nicola Walde gewohnt. Auch, dass sie für Aufsehen sorgt. Nämlich dann, wenn sie mit ihrem Velomobil unterwegs ist. „Das sieht ja aus wie eine Rakete“, sagt eine Spaziergängerin beim Anblick des Liegerads. Doch das Velomobil sieht nicht nur aus wie eine Rakete, wenn es Nicola Walde steuert, ist es auch fast so schnell. Jedenfalls schnell genug, um einen Weltrekord aufzustellen – der dann allerdings vom Verband nicht anerkannt wurde, da sie angeblich den Helm nicht richtig aufgesetzt hat.
Eine eigenartige Begründung, die Nicola Walde auch nicht recht nachvollziehen kann. „Es gibt während des Rennens Bilder von mir, da sieht es so aus, als wäre der Helm auf den Hinterkopf gerutscht“, erzählt sie. Es gab Proteste und schließlich wurde ihr der Rekord aberkannt. Aber die Leistung kann ihr niemand nehmen: In 24 Stunden legte sie auf dem Liegerad 1111 Kilometer zurück.
Eigentlich hätte es der zweite Weltrekord werden sollen, denn den über zwölf Stunden hat Nicola Walde bereits vor zwei Jahren aufgestellt. Über eine Anzeige hatte sie damals Daniel Fenn kennengelernt, der „eine Frau für 24 Stunden“ suchte – gemeint war damit der Weltrekordversuch.
Die beiden trafen sich aus sportlichen Gründen und sind bis heute ein Paar, das auch bei den Wettkämpfen perfekt harmoniert. „Daniel ist ein richtiger McGyver“, erzählt Walde ganz begeistert. Egal, wo es klemmt oder was zu reparieren ist: Ihr Freund findet immer eine Lösung. Davon profitierte sie auch bei ihrem Weltrekordversuch. Denn obwohl sie einen Rekord aufstellte, lief es alles andere als rund.
Kurz nach dem Start die erste Panne
„Eigentlich hatte ich vor, die ersten zwölf Stunden durchzufahren“, erzählt die 44-Jährige. Danach wollte sie je nach Bedarf Pausen einlegen. Doch dann kam alles ganz anders: Schon nach 20 Minuten benötigte sie erstmals die Hilfe ihres Freundes: Sie hatte einen Platten gefahren. „Da ich erst so kurz unterwegs war, durfte ich noch mal von vorne anfangen“, erzählt die gebürtige Hamburgerin, die in der Polizeikapelle Bayern als Musikerin arbeitet.
Allerdings: Besonders das Anfahren kostet enorm viel Kraft – und das musste sie in diesen 24 Stunden noch öfter, denn die Pausen wurden immer mehr. Einmal hatte sie das Gefühl, die Umlenkrolle würde ihren Geist aufgeben, dann verlor ein Reifen langsam Luft – ein „schleichender Platten“ also. „Zehn Mal musste ich sozusagen in die Box“, erzählt Nicola Walde – umso erstaunlicher, dass sie trotzdem den Weltrekord knackte und sagenhafte 1111 Kilometer zurücklegen konnte.
Da aufgrund der zweifelhaften „Helm-Regelung“ der Weltrekord nicht anerkannt wurde, will sie im nächsten Jahr noch mal antreten oder „sobald eine Strecke reserviert ist“. Der Verband kümmert sich um den Kurs – dann dürfen die Sportler in den verschiedenen Disziplinen antreten. Das Problem: Einige davon sind um einiges langsamer als Walde, sodass sie immer wieder überholen musste. Kein leichtes Unterfangen auf dem Rundkurs in Aldenhoven (bei Aachen). „Ich musste dazu immer wieder eine Art Steilkurve hochfahren. Nach ein paar Stunden tat mir die eine Seite des Gesäßes schon richtig weh.“ Das war aber nicht alles, denn irgendwann schlafen auch die Füße ein und die Belastung macht sich bemerkbar. „In der Nacht war es schwierig, einmal hatte ich auch einen Sekundenschlaf“, beschreibt Nicola Walde die Situation. Ehe etwas hätte passieren können, war sie aber wieder voll konzentriert.
Jetzt will sie den Männern Konkurrenz machen
Die nächsten Ziele hat sie schon vor Augen: Natürlich einen gültigen neuen Weltrekord bei den Frauen über die 24-Stunden-Distanz aufstellen und dann möchte sie gerne den schon seit Jahren bestehenden Rekord bei den Männern angreifen. Der liegt bei 1217 Kilometern. „Das ist vielleicht utopisch, aber ich hatte jetzt auch einen Schnitt von 56 Stundenkilometern, und das trotz der vielen Pausen.“
Das Training mit ihrem Hochleistungssportgerät baut sie in den Alltag ein: Von ihrem Wohnort Weil fährt sie - wenn möglich - mit dem Liegerad nach München in die Arbeit. Zwischen 50 und 60 Stundenkilometern sind mit dem Spezialrad zu schaffen, „bergab geht es natürlich noch schneller. Bis zu 100 km/h“, erzählt sie. So knapp über dem Asphalt ist das ein ganz besonderer Nervenkitzel, vor allem, wenn Kurven kommen: „Das Dreirad kippt um und rutscht auf der Straße einfach weiter“ – die wohl gefährlichste Situation, die sie bisher erst ein Mal erlebt hat, aber auch kein Bedarf an Wiederholung hat. Ansonsten fühlt sie sich in ihrem Velomobil sehr sicher: „Die Autofahrer sehen mich gut.“ Außerdem hat sie ihre „Schutzhülle“ aus laminatverstärkten Kohlefasern um sich herum. Knapp 15 Kilogramm wiegt das Trainingsrad mit so allerlei Extras – noch exklusiver ist das Wettkampf-Gefährt, mit dem Nicola Walde „sobald es eine Strecke gibt“ wieder auf Rekordjagd gehen will.