Bei Denkmälern hat man in der Regel als Erstes Gebäude von besonderer Schönheit oder geschichtlicher Bedeutung vor Augen. Die sogenannten Bodendenkmäler werden oft weniger wahrgenommen, doch die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse über die Vergangenheit sind oft um so überragender: Dies im Landkreis zu vermitteln, wird ab 1. September in besonderer Weise Dr. Bernd Steidl obliegen. Der 50-jährige Archäologe aus Reisch wird an diesem Tag seine ehrenamtliche Tätigkeit als Kreisheimatpfleger für die Bodendenkmäler aufnehmen. Die Archäologie ist Steidls Lebensthema – und das schon seit seiner Kindheit.
Der neue Kreisheimatpfleger wuchs in Echzell in der hessischen Wetterau auf, eine archäologisch höchst interessante Gegend: Der fruchtbare Landstrich gehört zu den ältesten bewohnten Gebieten in Deutschland, Funde belegen eine 7000-jährige Siedlungstätigkeit. Bekannt ist Echzell auch, weil sich dort ein römisches Kastell befand. Schon als kleiner Bub begann sich Bernd Steidl dafür zu interessieren: „Seit ich sieben Jahre alt war, bin ich auf dem Feld unterwegs gewesen, um Scherben zu sammeln“, blickt der Wissenschaftler zurück, „und seitdem hat mich das nicht mehr losgelassen.“ Mit zehn Jahren habe er dann seine erste römische Münze gefunden, und im heimischen Keller richtete er sein erstes kleines Museum mit seinen Fundstücken ein. Seinem Interesse folgte Steidl dann konsequent weiter: Auch Latein machte ihm an der Schule größten Spaß und nach dem Abitur studierte er in Freiburg und Passau Provinzialrömische Archäologie.
Mit Spaten und Pinsel auf den Feldern unterwegs ist Steidl heute nicht mehr. Als stellvertretenden Direktor der Archäologischen Staatssammlung in München habe ihn vor allem die Verwaltung voll im Griff, erzählt er. Eines macht Steidl dabei aber nach wie vor wie einst in Echzell: Museen einrichten. Die Staatssammlung ist das Haupthaus für neun Zweigmuseen in Bayern, und zuletzt war er für die Neueinrichtung des Weißenburger Zweigmuseums verantwortlich.
Seit 2004 lebt der Wissenschaftler mit seiner Frau in Reisch. Bezugspunkte zur Denkmalpflege im Landkreis hatte er bislang aber nicht. Sein Amt als Kreisheimatpfleger sieht er denn auch „ein bisschen als Motivation, hier stärker anzukommen“, sagt Steidl. Als Fachmann weiß er aber, was die archäologischen Glanzlichter im Landkreis sind: „Das sind die Welterbestätte in Pestenacker und Unfriedshausen und die Via Claudia.“
Und er weiß auch um die Herausforderungen, die in beiden Themen liegen. Zur jüngst im Kreisausschuss wieder aufgenommenen Debatte über die Ausgestaltung der Welterbestätte dämpft der Wissenschaftler erst einmal die Erwartungen, hier schnell etwas präsentieren zu können: Man habe in Pestenacker zwar Tausende Hölzer, Samen und andere Bestandteile im Moorboden gefunden, also eine „gigantische Datenmenge“ über diese jungsteinzeitliche Siedlung gewinnen können, doch mit der wissenschaftlichen Bearbeitung, Einordnung und Veröffentlichung hinke man weit hinterher. Ein Problem, das die Archäologie aber nicht nur in Pestenacker habe: Es werde – auch vor dem Hintergrund der starken Bautätigkeit in Bayern – zwar viel gegraben, „aber es fehlen uns die Strukturen, das zu bearbeiten“. Der Hochschulbetrieb biete seit der Universitätsreform (Stichwort Bachelor- und Masterstudiengänge) nicht mehr Raum und Zeit dafür, bedauert Steidl.
Erst aber, wenn das Fundmaterial aus Pestenacker wissenschaftlich durchdrungen sei, wie sich der neue Kreisheimatpfleger ausdrückt, könne man der Öffentlichkeit die Erkenntnisse aus der Archäologie vorstellen. Da stehe nicht nur der Landkreis, sondern auch der Freistaat und das Landesamt für Denkmalpflege in der Pflicht.
Viel über die Geschichte des Landkreises erzählen könne auch die Via Claudia, die Römerstraße, die von der Donau nach Norditalien führte und den Landkreis am Lech entlang berührt. Die reichen römischen Funde im Einzugsgebiet dieser Straße vermittelten ein Bild, wie man es etwa am Golf von Neapel kenne, sagt Steidl: Der Raum zwischen Via Claudia und Ammersee war in der Antike eine gefragte Wohngegend: Die römische Oberschicht aus Augsburg beziehungsweise kulturell angepasste einheimische Aufsteiger hatten hier – verkehrsgünstig gelegen, in einem fruchtbaren Landstrich und in schönen Lagen am Hochufer des Lechs oder am Ammerseeufer – ihre Landgüter. Die Gegend habe einen deutlichen Kontrast zu anderen Landschaften in der Provinz Rätien geboten: „Im Starnberger Raum beispielsweise gab es so etwas nicht“, sagt Steidl. Auch der heutige Raum München habe im Vergleich zu Landsberg ein ganz anderes Bild abgegeben: „Auf der Münchner Schotterebene sah es auch im 3. Jahrhundert noch aus wie in der Keltenzeit“, wie sich an den mageren Funden dort ablesen lasse.
Mit der Ankündigung konkreter Projekte hält sich Steidl vor seinem eigentlichen Amtsantritt am 1. September noch zurück, einen Appell richtet er aber an alle Geschichtsinteressierten: „Ich brauche auf jeden Fall Mitstreiter, denn allein kann man das nicht schaffen.“