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Maro Verlag: Wo Bücher keine stapelbare Massenware sind

Maro Verlag

Wo Bücher keine stapelbare Massenware sind

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    Für Benno Käsmayr hat ein Buch immer zwei Geschichten: Jene, von der es handelt, und jene, die Käsmayr mit ihm erlebt hat. Wer sich also mit dem Augsburger Verleger trifft, bekommt einiges zu hören – über Autoren, über unkonventionelle Geschäftsstrategien, über die Anfänge dieses Augsburger Verlags, in dem in über 40 Jahren 320 Bücher erschienen sind.

    In der deutschen Verlagsszene ist der Maro Verlag ein Solitär. Er ist immer ein Kleinverlag geblieben, ein Hort für die literarische Gegenkultur, der sich – entgegen aller Krisen der Buchbranche – bis heute gehalten hat. Deutschen Autoren, die wie Jörg Fauser und Michael Schulte einen Namen haben, bot er in ihren Anfangsjahren eine verlegerische Heimat; Charles Bukowski hat er nach Deutschland gebracht, auch andere amerikanische Beat-Poeten wie Jack Kerouac und William S. Burroughs. In diesen Tagen ist das Interesse an Benno Käsmayrs Geschichten besonders groß, denn heute Abend wird ihm von Kultusminister Ludwig Spaenle im Literaturhaus München der mit 7500 Euro dotierte Bayerische Kleinverlagspreis verliehen.

    Natürlich: Benno Käsmayr ist Büchermensch. Das sieht gleich, wer ihn beobachtet: Wie er zwischen den Regalen in den Verlagsräumen im Augsburger Stadtteil Oberhausen herumtigert und immer wieder ein Buch herausholt, um etwas Besonderes darin zu zeigen; wie seine Augen zu blitzen beginnen, wenn die Spedition die rund 100 Exemplare seines jüngsten „Kindes“, Elliot Pauls „Das letzte Mal in Paris“ anliefert; wie er mit Bedacht eines der Bücher auspackt, durchblättert, die Bindung prüft und feststellt: „Sehr saubere Arbeit“.

    Benno Käsmayr ist aber auch ein Fuchs, einer, der unkonventionelle Methoden nutzt und sich bietende Chancen ergreift. So geschehen 1973 mit Charles Bukowskis „Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang“. Deren Übersetzer hatte sich an ihn gewandt, weil der Verlag Kiepenheuer & Witsch den Gedichtband abgelehnt hatte. Der Maro Verlag bestand da schon einige Jahre – „studienbegleitend“, wie Käsmayr es ausdrückt, denn zunächst hatte der gebürtige Dillinger Mathematik an der TU München belegt, dann aber nach Augsburg zu Betriebswirtschaft gewechselt. Literaturzeitschriften und Anthologien verlegte er in den Anfangsjahren, gern auch mit einem in Stanniolpapier eingewickelten Röllchen Hasch zwischen den Seiten.

    Ebenfalls zum Verlagsangebot kam Tiny Strickers Kult-Roman „Trip Generation“, der noch heute lieferbar ist. Im Spiritus-Umdruckverfahren wurde das Werk seinerzeit in einer Augsburger Dissertationsdruckerei gedruckt, in der Käsmayr jobbte. Mehr als 120 Exemplare waren pro Auflage nicht möglich, weil dann der Spiritus verbraucht war. „Für jede neue Auflage musste man den Roman komplett neu auf der Schreibmaschine abtippen“, erinnert er sich an Zeiten, in denen das Verlagsgeschäft noch ohne digitale Unterstützung lief.

    Dass einem Bukowski mit diesen Methoden nicht beizukommen war, war Käsmayr damals schnell klar geworden. Glück, Chuzpe und gute Verbindungen halfen ihm, das Projekt dennoch zu verwirklichen: „Das Papier bekam ich vom Piper-Verlag geschenkt. Die hatten einige Mangelbestände, und ich hatte gute Kontakte zur Pressefrau“, beginnt er zu erzählen. Ein anderer Bekannter beschaffte ihm die Druckplatten, und ein Freund, der damals bei einem Druckmaschinenhersteller arbeitete, machte mit ihm die Offsetfilme. „Der hatte einen Schlüssel, da haben wir in der Nacht die Filme gemacht und alles aufgeräumt, damit am nächsten Tag keiner merkte, dass wir da waren.“ Käsmayr erzählt das mit der größten Selbstverständlichkeit und freut sich auch heute noch über dieses Husarenstück, das auf dem Buchmarkt aber erst einmal floppte, als es im Frühjahr 1974 herauskam. Ein halbes Jahr später, auf der Frankfurter Buchmesse, wurde ihm das Buch dann aus den Händen gerissen. In seinem kleinen Fiat 600 musste er täglich einen Kofferraum mit Büchern zur Post fahren, weil die Nachfrage so groß war.

    Die Bukowski-Geschichte ist sicher die kultigste, die sich um den Maro Verlag rankt. Käsmayrs liebste aber ist die, die er mit Gilbert Sorrentinos Roman „Mulligan Stew“ verbindet: Das 600-Seiten-Werk des Amerikaners galt als unübersetzbar, weil es inhaltlich und sprachlich äußerst komplex ist. Mit Joachim Kalka fand der Verleger einen Mann, der sich auf dieses Abenteuer für folgendes Arrangement einließ: Zwei Jahre bekam er dafür Zeit – und pro Monat 500 DM. „In dieser Zeit konnte er nebenher auch andere Aufträge annehmen, damit er sein Auskommen sichern konnte“, erklärt Käsmayr den Deal. Geld für das Vorhaben bekam der Augsburger Verleger vom Deutschen Literaturfonds, aber auch durch die Idee, Subskriptionsexemplare anzubieten – also Bücher, für die die Käufer schon vorab bezahlten. 320 DM verlangte Käsmayr pro Exemplar der Vorzugsausgabe, die besonders gestaltet und vom Autor unterschrieben war. „Innerhalb von drei Wochen waren alle 100 Bücher weg – und ich hatte eine Wette gewonnen, weil mir niemand geglaubt hatte, dass ich das schaffen werde“, sagt Käsmayr. Dass es dann aber doch noch Schwierigkeiten gab, weil die von Sorrentino signierten Papierbögen auf der Rückreise aus den USA einen Wasserschaden bekamen, erwähnt er eher beiläufig.

    Wenn man mit Benno Käsmayr zusammensitzt, stellt sich die Frage nicht, wie einer wie er auf dem hart umkämpften Buchmarkt überleben kann: Ein Hang zum Subversiven, zu Abenteuerlust und Wagemut sind bei ihm gepaart mit einer gehörigen Portion Idealismus und der Bereitschaft, das große Geld andere machen zu lassen. In den entscheidenden Momenten stand ihm immer das Glück zur Seite: Als er 2002 mit dem Kurt-Wolff-Preis ausgezeichnet wurde, rettete ihn das Preisgeld von 26000 Euro vor der Pleite. Über 35 Jahre lang konnte er seine verlegerische Leidenschaft durch die Maro Druckerei, die er neben dem Verlag betrieb, gegenfinanzieren. Doch dann musste er sie vor einigen Jahren aufgeben, weil sie gegenüber Großdruckereien nicht mehr konkurrenzfähig war.

    Mit fast 70 Jahren denkt Benno Käsmayr nun übers Aufhören nach. Ob Sohn und Tochter, die beide nebenbei im Verlag mitarbeiten, die Geschäfte weiterführen werden, weiß er noch nicht. Was mit dem Verlag geschieht, steht noch nicht fest. „Das geht nicht von heute auf morgen, schließlich gibt es Lizenzen, die noch über längere Zeit gültig sind“, stellt er klar. Einfach verscherbeln wird er sein Lebenswerk aber sicherlich nicht – hat er sich doch auch bisher gegen alle Übernahmeangebote gewehrt, die seinen Verlag zu einem austauschbaren Unternehmen gemacht hätten. Den Glauben daran, dass Bücher Wertgegenstände sind und nicht nur stapelbare Massenware, hat Benno Käsmayr sich immer bewahrt.

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