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Abschied von Gabriel García Márquez: „Weine nicht, weil es vorbei ist, lache, weil es überhaupt passiert ist“

Abschied von Gabriel García Márquez

„Weine nicht, weil es vorbei ist, lache, weil es überhaupt passiert ist“

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    Gabriel García Márquez  war ein Zauberer in der Literatur, Cervantes vergleichbar. Mit seinem Roman „100 Jahre Einsamkeit“, der ihm 1982 den Literaturnobelpreis einbrachte, schlug der Kolumbianer

    „Tausend Jahre Einsamkeit und Trauer wegen des Todes des größten Kolumbianers aller Zeiten“, schrieb kondolierend der kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos in Anlehnung an Márquez’ fantastischen Roman: „Solidarität und Beileid seiner Frau und seiner Familie. Solche Giganten sterben nie.“

    Der Erfolg des schnauzbärtigen Mannes aus dem Dorf Aracataca im Norden Kolumbiens hatte der Literatur neue Impulse gegeben – ohne die etwa eine Isabel Allende nicht denkbar gewesen wäre. In Márquez’ magischem Realismus fließen Realität und Fantasie, Tatsachen und Träume ineinander, und die wort- und bildgewaltige Sprache balanciert auf einem Hochseil zwischen Drama und Groteske.

    Der Márquez-Biograf Gerald Martin erklärte einmal, „Hundert Jahre Einsamkeit“ sei der erste Roman gewesen, in dem die Lateinamerikaner sich selbst, ihre Leidenschaft und Spiritualität, ihren Aberglauben und großen Hang zum Scheitern anerkannt hätten.

    Es ist aber auch eine eigene, faszinierende Welt, die Márquez in seinen Büchern schuf. Dabei war er von Jorge Luis Borges ebenso beeinflusst wie von dem amerikanischen Romantiker Nathaniel Hawthorne, der ihn nach seinen eigenen Worten „fürs ganze Leben prägte“.

    Aber es ist auch seine Kindheit und Jugend, die sich in Márquez’ Romanen und Novellen spiegelt. Geboren wurde er am 6. März 1927 in Aracataca an der kolumbianischen Karibikküste als ältestes von elf Kindern. Kurz nach der Geburt ließen ihn die Eltern bei den Großeltern und zogen in eine andere Stadt, wo der Vater eine Apotheke eröffnete. So wuchs der junge Gabriel die ersten acht Jahre seines Lebens bei den Großeltern auf. Und Aracataca wurde später zum Vorbild für „Macondo“, die Ortschaft am Fuß der Sierra Nevada, in der sich während „Hundert Jahre Einsamkeit“ die Geschichte von sechs Generationen der Familie Bundía entfaltet.

    Als Kind, so verriet der Schriftsteller später, habe er davon geträumt, Zauberer zu werden. Da ahnte er noch nicht, dass er mit seinem magischen Realismus Millionen von Lesern bestricken würde. Sein Weg führte ihn zunächst über ein ungeliebtes Jura-Studium zu brotlosem Journalismus. Zeitweilig, so kann man in den Memoiren Márquez’ nachlesen, quartierte er sich wegen günstiger Zimmerpreise in einem Bordell ein. Den Mädchen blieb er zeitlebens verbunden. Sein letzter Roman galt der „Erinnerung an meine traurigen Huren“.

    Gegen den Widerstand vor allem des Vaters widmete sich der junge Gabriel García Márquez nebenbei der Schriftstellerei. „Sag ihm, ich will im Leben nur eins, ich will Schriftsteller sein, und ich werde es“, gibt der Student der Mutter mit auf den Nachhauseweg. Es sollte 40 Jahre dauern, bis sich diese Prophezeiung erfüllte. Als er 1967 das Manuskript für „Hundert Jahre Einsamkeit“ beendet hatte, reichte das Geld nicht einmal für das volle Porto, um den Text zum Verlag zu schicken. So ging er in zwei Teilen vom Postamt in Mexiko-Stadt, wo Márquez inzwischen lebte, an den Verleger in Buenos Aires.

    Gabriel García Márquez befreundet mit Fidel Castro

    Als Márquez mit diesem Roman die literarische Welt im Sturm eroberte, war er in Lateinamerika schon als Essayist, Kommentator und Intellektueller bekannt, hatte er schon wiederholt zu politischen und gesellschaftlichen Themen Stellung bezogen. „Gabo“, wie er liebevoll genannt wurde, mischte sich ein. Und sein politisches Engagement trägt auch seine Bücher – etwa den surrealistischen Diktatorenroman „Herbst des Patriarchen“, in dem sich poetisch verfremdete Charakterzüge von realen lateinamerikanischen Potentaten wiederfinden.

    So kritisch sich Márquez auch immer wieder zu Machtmissbräuchen äußerte: Seiner lebenslangen Freundschaft mit Fidel Castro tat das keinen Abbruch. 58 Jahre lang hielt er daran fest und verweigerte sich vehement einer kritischen Auseinandersetzung mit den politischen Verbrechen Kubas. Mario Vargas Llosa beschimpfte ihn deshalb als „Höfling Kubas“.

    In seinen Memoiren erinnert sich Márquez an lange Gespräche mit Castro über „alles Irdische und Himmlische“. Er selbst hat sein Leben lang dafür gekämpft, Lateinamerikas Wege aus der Armut und der Ungerechtigkeit zu respektieren – auch in seiner Dankesrede zum Literaturnobelpreis. Wenige Tage vor seinem Tod kürten ihn die Kolumbianer zu einem der größten Vorbilder und einer der einflussreichsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Landes. Dass er Kolumbien vor Jahrzehnten den Rücken gekehrt hatte, um in Mexiko zu leben, hatten sie ihm längst verziehen.

    Zum 87. Geburtstag Anfang März hatten sich Gratulanten vor seinem Haus in einem exklusiven Viertel von Mexiko-Stadt versammelt, um dem Autor ein Ständchen zu bringen. Anfang April wurde Márquez wegen einer schweren Lungenentzündung rund eine Woche lang in einem Krankenhaus von

    Gabriel García Márquez veröffentlichte 2002 seine Memoiren

    Zu Márquez’ bekanntesten Werken gehören „Die Liebe in den Zeiten der Cholera“, „Chronik eines angekündigten Todes“ und „Der General in seinem Labyrinth“. 2002 kam der erste Teil seiner Memoiren unter dem Titel „Leben, um davon zu erzählen“ auf den Markt, zwei Jahre später die „Erinnerung an meine traurigen Huren“. Zuletzt erschien eine Sammlung journalistischer Arbeiten, Ausdruck dessen auch, dass Márquez von 1998 bis 2006 zu den Eigentümern der kolumbianischen Zeitschrift Cambio gehörte, in der er regelmäßig Kommentare schrieb.

    Den schönsten Trost für alle um ihn Trauernden hat Márquez einst selbst formuliert: „Weine nicht, weil es vorbei ist, lache, weil es überhaupt passiert ist.“

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