Seine Verse füllten dickleibige Bücher in Millionenauflage, sein Humor lockte in entbehrungsreichen Zeiten die Bundesbürger vor die Radioempfänger, in Konzertsäle und später in die Kinos. Bear Family Records gratuliert dem Multitalent Heinz Erhardt mit einer CD verschollen geglaubter Lieder zum 100. Geburtstag. "Blödelnd durch den Ernst der Zeit" heißt das Album, das in Zeiten der globalen Finanzkrise ungewollte Aktualität hat.
1909 in Riga geboren, 1979 in Hamburg gestorben. Zum Doppeljubiläum des deutschesten aller Humoristen erscheint eine ganze Bibliothek von Büchern und Tonaufnahmen. "Blödelnd durch den Ernst der Zeit" nimmt dabei einen besonderen Stellenwert ein, denn es handelt sich um kein Best-Of-Album, um keine Neueinspielung. Vielmehr ist es ein Schatz alter Reimsonaten aus der Kriegs- und frühen Nachkriegszeit, der nun gehoben wurde und Fans zugänglich gemacht wird. Die Auswahl der 14 Lieder porträtiert einen Mann, der eigentlich Pianist werden wollte, dann aber im Alter von 30 Jahren ins Kabarettlager wechselte. Dabei kam ihm ein Zufall zu Hilfe: Als Peter Igelhoff, damals mit zungenbrecherischen Chansons wie dem vom Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän in aller Munde war, einen Auftritt in Breslau absagen musste, sprang Erhardt für ihn ein und besang auf hinreißend komische Weise das Objekt seiner heimlichen Begierde, "Fräulein Mabel".
Dem vielumjubelten Auftritt des Debütanten folgte ein sensationelle Karriere als Sprichwort-Verdreher und Sprach-Drechsler, dem auch das dunkle Kapitel des Zweiten Weltkrieges wenig anhaben konnte. Als Nichtschwimmer wurde er - es klingt wie aus einem seiner TV-Schwänke - zur Marine eingezogen und hielt später die Landser mit ulkigen Reimen bei Laune. Völlig enthost, pardon enthemmt, trat er vor sein Publikum, auch wenn er zeitlebens seine Schüchternheit nicht ablegen konnte. Um sein Lampenfieber zu überwinden, setzte der Kurzsichtige angeblich eine Brille mit Fensterglas auf und nahm zudem oft einen doppelten Korn.
Während seine Filme nach wie vor zum festen Fernsehprogramm gehören, lagen bislang nur Tondokumente ab 1949 vor. Bear Family ist es gelungen, in den Archiven die Lieder zu bergen, die den Beginn seiner musikalischer Karriere ab 1939 dokumentieren. Alle Einspielungen stammen aus der Feder des Komponisten Heinz Erhardt, der sie selbst vorträgt und sich am Klavier begleitet. Neben "Sie wohnt im 3. Stock", "Reg dich nicht auf" und "Muselmann" gibt es auch zwei Aufnahmen von "Mein Mädchen". Das Lied, das Heinz Erhardt erstmalig 1939 im Berliner "Kabarett der Komiker" spielte, war sein erster Hit und gilt bis heute als Beweis seiner vollendeten Spitzbübigkeit. Posthum geht damit Erhardts größter Herzenswunsch in Erfüllung, als Musiker anerkannt zu werden.