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NS-Drama: Stella, Verräterin der Juden

NS-Drama

Stella, Verräterin der Juden

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    Die Geschichte ist fürchterlich. Die 1922 in Berlin geborene Stella Goldschlag, Tochter eines Komponisten und einer Konzertsängerin, ist eine lebenslustige junge Frau, blond und blauäugig. Wenig verbindet sie mit ihrer jüdischen Herkunft. 1942 taucht sie unter, wird aber bald verhaftet. Nach gescheitertem Fluchtversuch und Folter erklärt sie sich bereit, mit der Gestapo zu kollaborieren, vor allem, um ihre Eltern zu schützen. Sie kundschaftet untergetauchte Juden in

    Nach dem Krieg verurteilten die Sowjets die Frau als Gestapo-Spitzel zu zehn Jahren Lagerhaft. Später konvertierte sie zum Christentum, 1994 nahm sie sich das Leben. In der Berliner Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“ erinnert eine Tafel an Stella Kübler, die wohl in ihrer Verzweiflung und Ausweglosigkeit in die Irre ging, nicht mehr wusste, wo sie hingehörte, schließlich bedenkenlos nur noch an das eigene Überleben dachte und später ihre Schuld verdrängte.

    Aus dieser Horror-Biografie hat Peter Lund ein Musical-Textbuch gemacht, Wolfgang Böhmer die Musik dazu geschrieben. „Stella – Das blonde Gespenst vom Kurfürstendamm“ mit dem Untertitel „Ein deutsches Singspiel“ wurde letztes Jahr in der Neuköllner Oper Berlin uraufgeführt. Die zweite Inszenierung des Stücks hat nun für das Stadttheater Ingolstadt der aus Texas stammende, in Berlin lebende Regisseur Brian Bell eingerichtet.

    Sarah Horak singt und spielt die Titelrolle exzellent. Vorzüglich auch die fünf männlichen Darsteller an ihrer Seite. Das von Walter Lochmann am Klavier geleitete Septett musiziert hinreißend. Die angemessen dezente Choreografie (Sebastian Eilers), die Vielfalt rasch wechselnder Kostüme (Andrea Fisser), die pfiffige Bühnenbildidee (Daniel Unger) – eine Kopie der Sichtbeton-Seitenwände des Zuschauerraums samt den sogenannten Goldbildern darauf –, das alles ist vom Besten.

    Die entscheidende Frage aber ist: Taugt das Genre Musical für diese höchst sensible Thematik? Wohl eher nicht. Es gibt Szenen im Stück, die schlichtweg peinlich sind: Wie der bürokratische Organisator des Holocaust, Adolf Eichmann, als komische Operettenfigur herumgeistert. Oder der merkwürdig deplatzierte Song „Juden haben Spaß am Sex“. Die Texte sind oftmals platt. Der Instrumentalpart hat Raffinesse, aber bei den Songs ertönt manchmal konventionelle Melodienseligkeit, wenn von höchst unseligen Geschehnissen die Rede ist. Immerhin, Stellas Song am Schluss hat eine unmissverständliche Botschaft: Was damals geschehen ist mit Juden, mit unseren Juden, wird niemals aus dem Gedächtnis gelöscht werden können.

    27. und 30. Oktober; 4., 5., 10. und 25. November

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