Zwei Minuten kommt sie zu spät und entschuldigt sich mehrmals. Yseult Lendvai entpuppt sich als höfliche Frau, sehr zurückhaltend mit einem scheuen Lächeln auf den Lippen. Seit 2007 ist die Ehefrau von Ballettdirektor Robert Conn Trainingsleiterin der Ballettcompagnie am Theater Augsburg.
Wer sie vor einer Vorstellung erlebt, wenn sie, kaum sichtbar, auf einen Sitzplatz huscht, kann kaum glauben, dass die gebürtige Französin bis 2002 erste Primaballerina am Stuttgarter Ballett war. Als "Inbegriff höchster klassischer Tanzkultur" hat sie ein Kritiker bezeichnet. Die 43-Jährige winkt ab. "Mir wurde als Künstlerin vieles auf dem Silbertablett serviert."
Sie hat als junge Tänzerin in Kanada den Choreografen Reid Anderson kennen gelernt. Dieser schätzte die zierliche Ballerina, die es so gut verstand, Geschichten auf der Bühne zu erzählen und die Zuschauer in ihrem Innersten zu berühren.
Dem Kanadier folgte sie von Montreal nach Vancouver und später nach Stuttgart. Dort ist Anderson seit 1996 Ballettintendant. Er hat die Rechte für alle Cranko-Ballette. John Crankos Arbeiten, der 1973 während einer Flugreise starb, sind noch immer in der Ballettszene wegweisend.
Auch für Yseult Lendvai. Sie tanzte viele große Partien, darunter die Julia in Romeo & Julia, die Tatjana aus Eugen Onegin und die Kameliendame. Partner war einige Jahre Vladimir Malakov, noch immer einer der berühmtesten Tänzer der Welt und inzwischen Ballettintendant an der Berliner Staatsoper.
Mit Vladimir Malakov ist sie befreundet
Mit ihm ist die ehemalige Primaballerina befreundet. Als ihr Mann, Ballettdirektor Robert Conn, bei Malakov um ein Solistenpaar für die Ballettgala 2009 bat, gab dieser sofort das OK. Als das Paar dann wegen eines Gastspiels keine Zeit hatte, kam er selbst. Noch heute bekommen Ballettfans feuchte Augen, wenn sie an den Auftritt des Russen im Theater denken.
Dagegen sind für Yseult Lendvai Auftritte auf der großen Bühne Vergangenheit, mit 36 Jahren tanzte sie letztmals im Rampenlicht. "Ich hatte schon meinen ersten Sohn und merkte, dass die Kraft weniger wird."
Bereut hat sie den Abschied nie. "Alles hat seine Zeit", davon ist die zierliche Französin überzeugt. 2004 ging sie mit ihrem Mann Robert Conn nach Nürnberg. Dieser, der vorher in Stuttgart als Tänzer engagiert war, wurde in der Frankenmetropole stellvertretender Ballettdirektor, Yseult Lendvai war nur noch Mutter und glücklich. Denn Quillan und Liam forderten viel Aufmerksamkeit.
Seit 2007 wohnt die Familie Lendvai/Conn in Augsburg in der Nähe des Marionettentheaters. Die Söhne sind inzwischen neun und sechs Jahre alt, sprechen mit der Mutter französisch, dem Vater englisch und untereinander deutsch. Sie gehen hier zur Schule, lassen ihrer Mama mehr Zeit. Die braucht sie auch, denn sie trainiert sechs Tage pro Woche die Compagnie. Vor allem auf deren Können ist sie derzeit richtig stolz. Von Lilo Murr