Es ist die Rückkehr des Jahres. Nicht nur, weil es zwei Alben sind, sehr unterschiedlich, eines ziemlich, eines sehr gut. Sondern auch, weil: Wir schreiben 2014 – und hier schließt sich einerseits der abenteuerliche Bogen einer großen Karriere; und hier öffnet sich andererseits ein neuer Raum für noch viel mehr ausgezeichnete Musik.
Sechs Jahre ist es her, da erschien in unserer Zeitung eine Würdigung der einstigen Dreifaltigkeit des Pop: Michael Jackson, Madonna und Prince – sie, die ab Mitte der Achtziger dem größten aller Unterhaltungsgenres ihren Stempel aufgedrückt hatten, waren 50 geworden. Bereits damals konnte man ihre Bedeutung bloß noch daran ermessen, wie stark ihr Erbe weiter die Hitparaden prägte. Seitdem: War es noch trostloser geworden. Jacko tot – hinterlassene Song-Schnipsel wurden inzwischen zu zwei posthumen Alben aufgemotzt; Madonna auf Ehrenrunde – sie lieferte halt noch eine weitere Platte mit neuen Aufgüssen ihres Kirmes-Techno, der sich kaum noch abhob von Epigonen wie Lady Gaga. Und Prince?
Anfang der Neunziger zog sich Prince zurück
Ja, was war eigentlich aus dem Mann geworden, der uns einst so geliebten Schmalz wie „Purple Rain“ und „Diamonds and Pearls“ geschenkt, so wunderbare Peitschenhiebe wie „Sexy MF“ und „Get off“ verabreicht hatte? Mit ein bisschen Stevie Wonder, ein bisschen Jimi Hendrix, ein bisschen James Brown und doch immer seiner ganz eigenen Note – gipfelnd im Welterfolg des Albums „Sign o’ The Times“ 1987. Wo war er, der weit über 500 Songs geschrieben hatte, darunter auch viele Hits für andere, wie „Nothing Compares to You“ für Sinead O’Connor und „Manic Monday“ für die Bangles? Verrückt geworden?
Nein, tatsächlich hatte er sich zu diesem Zeitpunkt bereits von seinen mächtigsten Fluchtreflexen und größten Versponnenheiten erholt. Anfang der Neunziger war es gewesen, als er sich von allem Ruhm in sein Privatstudio zurückzog, den zehn Millionen Dollar teuren Paisley Park, in dessen Safe angeblich auch heute noch tausende von fertigen Songs liegen.
Und er beging damals die zwei größten Sünden im Business: seinen längst zur Premium-Marke veredelten Namen abzulegen und auf die Vertriebsautobahnen zu verzichten, die in die Hitparaden und zum Geld führten. So war das pedantische Musikgenie und der exzentrische Entertainer, die Prince immer beide war, aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Aber nein, vor sechs Jahren war er nicht mehr nur ein namenloses Symbol und TAFKAP (The Artist Formerly Known As Prince – der Künstler, einst bekannt als Prince), sondern wieder Prince. Keiner mehr, über den man sich grinsend zuraunen konnte, dass er Zeuge Jehovas ist, aber keine Hausbesuche macht. Keiner mehr, der der Musikwelt den Rücken abgewandt hatte und bloß noch über eigene Internetkanäle erreichbar war. Inzwischen erschienen nämlich „Musicology“ und „3121“ bei kleinen Labels wieder offiziell und brachten ihm sofort wieder Kritikerjubel und Platz eins in den US-Charts ein. Natürlich konnte er’s noch, natürlich war er mindestens noch auf der Höhe der musikalischen Gegenwart.
Vom Widerwillen gegen die Musikindustrie
Doch obwohl er aufgehört hatte, ans Netz zu glauben – seinen Widerwillen gegen die Musikindustrie war er nicht los. Etwas von dem Geist, der ihn einst „Slave“ für seine Sklavenschaft auf die Wange hatte zeichnen lassen, also auch etwas von dem Geist, der zum Bruch zwischen Prince und dem Branchenriesen Warner geführt hatte, lebte noch. Und so waren die nächsten drei Alben ausschließlich als Beilage von Zeitungen, Musikmagazinen oder exklusiv bei einer US-Handelskette zu kaufen – Jahre bevor die vielen anderen, die das heute so mit Firmen und Plattformen handhaben, auf diese wohl lukrative Idee kamen. War das nicht irgendwie auch eigensinnig bis verrückt?
Jetzt aber: alles wieder gut, wie einst. Die beiden neuen Platten sind tatsächlich bei Warner erschienen. Und Prince zeigt darauf, dass er seine beiden Tonlagen nach wie vor beherrscht und in beide Richtungen auch noch Lust versprüht. Auf „Plectrumelectrum“ mit Drei-Frauen-Band ist es Funk ’n’ Roll, mit wuchtigen Gitarrenriffs, irgendwo zwischen Siebzigerrock, Postpunk und aktuellem Pop – ziemlich konventionell und meist hübsch.
Auf „Art Official Age“ allerdings tobt er sich von der Power-Ballade Richtung Dance und HipHop aus, sinnen- und effektfreudig wie eh und je, neckisch, mit teils fabelhaftem Groove.
Also, ja, tatsächlich: Er ist wieder da! Und übrigens: Es sind die Prince-Alben Nummer 36 und 37.