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Kreis Günzburg: So wird das AKW Gundremmingen rückgebaut

Kreis Günzburg

So wird das AKW Gundremmingen rückgebaut

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    Die Gemeinde Gundremmingen stellt sich langsam schon auf die Zeit nach dem Atomkraftwerk ein. Dieses Schild am Ortsausgang verabschiedet aber nur die Gäste des Ortes.
    Die Gemeinde Gundremmingen stellt sich langsam schon auf die Zeit nach dem Atomkraftwerk ein. Dieses Schild am Ortsausgang verabschiedet aber nur die Gäste des Ortes. Foto: Bernhard Weizenegger

    Es ist ein langer Prozess. Bis zum Jahr 2040 soll die Anlage des Atomkraftwerks (AKW) Gundremmingen bis auf das Brennelemente-Zwischenlager aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen, die Betriebsgebäude sollen dann entkernt sein. Block B läuft noch bis Ende dieses Jahres, Block C bis Ende 2021. Zu Details gibt es einige Fragen und Kritik, worüber am Dienstag beim Erörterungstermin zum Rückbau von Block B gesprochen wird, der nun greifbarer ist. Ob ein Tag genügt, um alle Einwendungen zu besprechen, weiß das bayerische Umweltministerium nicht. Vorsorglich ist das Sportzentrum in dem Ort im Kreis Günzburg für mehrere Tage gebucht. Warum bloß 150 Einwendungen abgegeben wurden, darüber könnte das Ministerium nur spekulieren. Gründe kennt es keine. Zum Rückbau der Kraftwerke Isar 1 waren es gut 450 gewesen, zu Grafenrheinfeld 850.

    Tobias Schmidt, der Sprecher des AKW Gundremmingen, könnte sich einen Grund vorstellen: Er und seine Kollegen haben bereits weit im Vorfeld die Bürger an „Fokustagen“ über die verschiedenen Themen des Rückbaus informiert und ihnen dabei Teile der Anlage gezeigt. An anderen Kraftwerksstandorten habe es so etwas nicht gegeben. Trotzdem gibt es Bedenken von Parteien, Umweltorganisationen, Vereinen und Einzelpersonen, die sowohl aus der Region als auch von weiter her kommen. Auch die Republik Österreich und das Land Vorarlberg haben Einwendungen erhoben, erklärt das bayerische Umweltministerium. Details dazu wird es erst während des Erörterungstermins geben.

    Insgesamt geht es vor allem um Sicherheitsfragen, die Brennelementefreiheit, die Beteiligung der Öffentlichkeit oder den Zeitpunkt der Stilllegung des zweiten noch laufenden Blocks C. Der soll im Gegensatz zu B nicht Ende dieses Jahres abgeschaltet werden, sondern erst Ende 2021. Das ist vielen zu spät. Unterstützt wird die Forderung nach der Stilllegung beider Blöcke bereits in diesem Jahr unter anderem von Atomkraftgegnern vom Umweltinstitut München. Mehr als 20000 Menschen hätten sich der Forderung angeschlossen, so die Organisation. Sie und weitere wollen kurz vor dem Termin mit einer „kleinen Protestaktion“ auf ihr Ziel aufmerksam machen.

    Ministerium: „Genauigkeit geht vor Schnelligkeit“

    So läuft der Rückbau des AKW Gundremmingen.
    So läuft der Rückbau des AKW Gundremmingen. Foto: Daniela Duckhorn/AZ-Infografik

    Wer Bedenken und diese korrekt eingereicht hat, kann sie am Dienstag erläutern. Um 10 Uhr beginnt der Termin, der nur für Einwender, Behörden und Medien zugänglich ist. Mehrere Organisationen wollen aber beantragen, dass die Öffentlichkeit zugelassen wird. Geplant sind acht Tagesordnungspunkte mit Unterthemen. Da geht es um die Aufsicht, die Sicherheit, die Lagerung, den Abriss, die Umweltverträglichkeit und den Abbau bis zur Entlassung aus der atomrechtlichen Überwachung der Gesamtanlage. Nach dem Termin werden die Antragsunterlagen vom Umweltministerium geprüft, durch einen Sachverständigen begutachtet, alle Einwendungen vom Ministerium gewürdigt, ein Entwurf des Genehmigungsbescheids erstellt und das Bundesumweltministerium beteiligt. Wie lange das dauert? „Genauigkeit geht vor Schnelligkeit“, betont ein Sprecher der Umweltbehörde in München. Hier können Sie das Schaubild in höherer Qualität downloaden:

    Der Vorteil am Standort Gundremmingen ist, dass die Mannschaft Erfahrung mit einem Rückbau hat. 1977 ging Block A nach einem Störfall außer Betrieb, ab 1985 wurde er zurückgebaut. Heute befindet sich dort das Technologiezentrum, das zur Dekontamination von Kraftwerkskomponenten und deren Instandhaltung genutzt wird, in Spezialgebieten auch für andere Standorte der Anteilseigner RWE und Preussen Elektra. Wo in Deutschland sonst Atomkraftwerke zurückgebaut werden, müssen erst solche Einrichtungen erstellt werden, so Schmidt.

    Der Rückbau kostet bis zu eine Milliarde Euro - pro Block

    Im Technologiezentrum werden pro Jahr zwischen 500 und 1000 Tonnen Material bearbeitet, tätig ist dort eine Tagschicht. Knapp zehn eigene Mitarbeiter und 30 von Fremdfirmen sind damit beschäftigt. Ähnlich wird es beim Rückbau von Block B und C sein. Spezialisiertes Fremdpersonal wird sich um die Rückbauarbeiten kümmern, instruiert von Experten der Stammbelegschaft.

    Chefrückbauer des AKW ist Helmut Steiner. Wie er sagt, werden nach der Abschaltung von Block B zuerst solche Anlagenteile abgebaut, die für die sichere Lagerung der Brennelemente in Block B und den Weiterbetrieb von Block C nicht mehr gebraucht werden. Beim Dekontaminieren gilt: „Ist die Oberfläche entfernt, dann sind auch strahlende Stoffe vom Werkstück herunter.“ Bezogen auf die Gesamtmasse würden nur zwei bis drei Prozent radioaktiver Abfall anfallen. Überprüft wird alles. Was einmal mit den Gebäuden passiert, ob sie abgerissen oder anderweitig genutzt werden, weiß aber noch keiner. Von außen werde kaum etwas vom Rückbau zu sehen sein, der die Kraftwerksgesellschafter 500 Millionen bis eine Milliarde Euro kostet – je Block.

    In Gundremmingen laufen die Planungen für ein neues Gewerbegebiet

    Ein Blick ins Innere des Technologiezentrums.
    Ein Blick ins Innere des Technologiezentrums. Foto: Bernhard Weizenegger

    Inwieweit es sich finanziell ausgleichen lässt, wenn das Atomkraftwerk als bedeutender Gewerbesteuerfaktor einmal den Betrieb eingestellt hat und auch der Rückbau beendet ist, lässt sich noch nicht sagen. Aber die Gemeinde Gundremmingen hat unter anderem in Immobilien in München und dem schicken Vorort Grünwald investiert, die Infrastruktur im Ort ist in bestem Zustand – und die Planungen für ein neues Gewerbegebiet laufen. Gerade damit soll der langfristige Verlust an Arbeitsplätzen im Kraftwerk abgefedert werden, zumal keiner weiß, wie das Gelände einmal genutzt wird und ob das geplante Gaskraftwerk kommt.

    Momentan sind im Ort nur noch knapp 4000 Quadratmeter an Gewerbeflächen frei, sagt Bürgermeister Tobias Bühler. Doch es gebe Interessenten, die mehr benötigen. Daher ist die Gemeinde dabei, neben neuen Wohnbauplätzen auch zehn Hektar für eine weitere Gewerbenutzung auszuweisen. Dort könnte es dann vielleicht Synergieeffekte mit dem noch vom Atomkraftwerk genutzten Areal geben. Was damit geschieht, weiß RWE momentan noch nicht. „Mit unserem Abbauvorhaben wollen wir die grüne Wiese möglich machen“, erklärt Kraftwerkssprecher Tobias Schmidt. Aber auch wenn das Areal – bis auf das derzeit bis 2046 genehmigte Standortzwischenlager für abgebrannte Brennelemente, das in wenigen Jahren vom Bund übernommen werden soll – um das Jahr 2040 aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen werden kann, werden noch die Gebäude des Kraftwerks stehen. „Und erst dann stellt sich für unser Unternehmen und seine Gesellschafter die Frage, ob die Gebäudehüllen nach dem dann geltenden Baurecht abgerissen werden oder ob es sinnvolle Möglichkeiten für die Nachnutzung gibt. Dazu haben wir heute verständlicherweise noch keine unternehmerische Entscheidung getroffen.“

    Es ist noch zu früh für genaue Planungen

    Bis dahin wird die kleiner werdende Belegschaft noch viel zu tun haben, und Sorgen macht man sich dort angesichts des Rückbaus nicht, zumindest nicht nach außen. So ist etwa Tobias Metzner nach seinem Maschinenbaustudium 2008 ins Unternehmen gekommen, war vier Jahre mit für den Betrieb der Anlagen zuständig und ist dann zu den Rückbauern gewechselt. Er findet diesen Bereich spannend, hätte trotz der Abschaltung keinen Grund zum Wechsel in eine andere Branche gesehen und sagt: „Wenn ich schon nicht beim Aufbau des Kraftwerks dabei war, dann möchte ich wenigstens beim Rückbau dabei sein.“

    Sollte RWE zu dem Schluss kommen, die Flächen nicht mehr zu benötigen, wäre die Gemeinde am Zug. Jahrzehnte im Voraus zu planen mache aber keinen Sinn, betont Bühler. „Ich wüsste auch nicht, was man solange vorher dort tun sollte.“ Aber zwei Jahre Vorlauf würden seiner Ansicht nach genügen, das Areal sinnvoll zu entwickeln. Auch der Geschäftsführer der unter anderem für die Wirtschaftsförderung im Kreis zuständigen Regionalmarketing Günzburg, Axel Egermann, sagt, dass es zu früh sei für konkrete Planungen zum bisherigen Kraftwerks-Gelände. Daher sei es richtig, sich um das Gewerbegebiet zu kümmern. Dass es schwierig werde, die vom Kraftwerk an Firmen vergebenen und langfristig wegfallenden Aufträge zu kompensieren – international sind es laut Schmidt gut 1000, in Bayerisch-Schwaben mehr als 200 Unternehmen –, sei aber jedem sehr bewusst.

    Noch ist keine Entscheidung zu den Gaskraftwerken gefallen

    Ein paar Arbeitsplätze in Gundremmingen selbst könnten durch das geplante Gaskraftwerk erhalten werden. Ob der Standort aber zum Zug kommt, ist so unklar wie vieles andere rund um seine Zukunft. Wohl Mitte April soll die Überprüfung der Bundesnetzagentur fertig sein, ob es einen Bedarf für Netzstabilitätsanlagen gibt – dazu würde auch ein Gaskraftwerk gehören. Diese sollen die „Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Übergangszeitraum zwischen der Außerbetriebnahme der Kernkraftwerke in den Jahren 2021 und 2022 und der Inbetriebnahme“ der neuen Hochspannungsleitungen im Jahr 2025 gewährleisten, erklärt die Behörde mit Sitz in Bonn.

    Sollte der Bedarf bestätigt werden, müssten die Übertragungsnetzbetreiber aber erst einmal Standorte für die Anlagen auswählen und ein „geeignetes Entscheidungsverfahren zur Standortwahl entwickeln“. Die Europäische Kommission müsste auch noch eingebunden werden. Deren Zeitplan kennt die Bundesnetzagentur allerdings derzeit noch nicht. RWE bereitet derweil die Teilnahme an der Ausschreibung vor – und auch die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm treiben ihre Planungen voran für ein mögliches Reservegaskraftwerk auf dem Areal Pro, dem ehemaligen Fliegerhorst.

    Lesen Sie hier unsere große Serie zum Rückbau des Atomkraftwerks Gundremmingen.

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