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Kreis Günzburg: Liebe zu Beruf wird für Hebammen immer teurer

Kreis Günzburg

Liebe zu Beruf wird für Hebammen immer teurer

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    „Wir müssen sehen, wie sich das jetzt einspielt.“Für Hebammen der schönste Beruf der Welt: Hier ist Janina Muskietorz mit einem wenige Tage alten Baby in der Kreisklinik Günzburg zu sehen.
    „Wir müssen sehen, wie sich das jetzt einspielt.“Für Hebammen der schönste Beruf der Welt: Hier ist Janina Muskietorz mit einem wenige Tage alten Baby in der Kreisklinik Günzburg zu sehen. Foto: Bernhard Weizenegger

    Ab dem kommenden Jahr dürfen Beleghebammen nur noch die Betreuung von zwei gebärenden Frauen gleichzeitig abrechnen. Das hat der Schiedsspruch im Streit zwischen den Hebammen und den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen ergeben. Das wird für die Hebammen aber auch im Landkreis Günzburg einige Probleme bringen.

    Das Team der Praxis Levana in Günzburg, das die Hebammen im Kreißsaal der Kreisklinik Wir haben viel zu tun“, sagt Carola Dilger-Lott. In diesem Jahr wird seit langer Zeit wieder die Schwelle von 600 Geburten in Günzburg überschritten, über kurz oder lang werde wohl ein Reservekreißsaal zu einem regulären werden müssen. Grundsätzlich seien sie zwar genug, um das stemmen zu können. Aber die neue Regelung zwinge sie, einen Hintergrunddienst einzurichten, um eine zweite Hebamme für den Fall der Fälle rufen zu können. Mehr als das sei personell kaum machbar – abgewiesen werde aber niemand. Zum einen aus Gründen der Berufsethik, zum anderen, um nicht in die Situation einer unterlassenen Hilfeleistung zu geraten. „Wir müssen sehen, wie sich das jetzt einspielt.“ So oder so werde die Regelung finanzielle Einschnitte bringen, ist sie sich sicher. Bislang konnte jede Leistung abgerechnet werden, unabhängig von der Zahl der betreuten Frauen. Jetzt gibt es nur für maximal zwei gleichzeitig Geld.

    Ungelöst ist nach wie vor das Problem der steigenden Haftpflichtversicherungsbeiträge für die Geburtshilfe. Pro Jahr werde sie um neun bis zehn Prozent teurer, momentan seien es 8500 Euro im Jahr. „Das muss jede Einzelne erst einmal stemmen, es lohnt sich für viele nicht mehr.“ So sagt auch Dilger-Lotts Kollegin Verena Caliebe, die in Teilzeit arbeitet, dass sie die Geburtshilfe nur noch aus Liebe zum Beruf ausübe, „ich kann mich noch nicht davon trennen“. Irgendwann werde sie es aber wohl tun müssen.

    Eine Kollegin habe bereits vor sechs Jahren ganz aufgehört und arbeite nun als Arzthelferin. Zwei Hebammen werden nur noch in der Praxis mitarbeiten, wenn sie aus ihrer Elternzeit zurückkommen. Die Geburtshilfe geben sie auf, weil es sich nicht mehr rechne. Momentan sind sie zu acht, hinzu kommen die beiden Kolleginnen in Elternzeit. Die Betreuung der Frauen in der Schwangerschaft und darüber hinaus sei nicht nur gut für die (werdenden) Mütter, sondern auch finanziell wichtig, weil die Geburtsbetreuung alleine angesichts des Versicherungsbeitrags und der geringen Vergütung finanziell einfach nicht mehr zu leisten sei.

    Nach der Elternzeit kehren Hebammen oft nicht in Geburtshilfe zurück

    So sagt Mauren Dalton, die für die Beleghebammen in der Kreisklinik Krumbach spricht, dass es für eine Geburt tagsüber – hier ist von 8 bis 20 Uhr die Rede – 165 Euro netto für vier Stunden gibt. Nachts und am Wochenende, das erst samstags ab 12 Uhr gelte, sind es 195 Euro. Sie geht davon aus, dass mit dem Schiedsspruch versucht werden solle, die Beleghebammen loszuwerden. Das sei alles nicht durchdacht und die verbleibenden Geburtsstationen könnten die Schließungen anderer Standorte auch nicht kompensieren. In Krumbach einen Hintergrunddienst einzurichten sei mit fünf Hebammen und einer weiteren, die sporadisch mitarbeitet, personell schwierig. Aber auch hier werde niemand weggeschickt.

    Wie die Günzburger Kolleginnen sagt ebenfalls Dalton, dass nach der Elternzeit die meisten nicht mehr in die Geburtshilfe zurückkehren. Aber solange die Belegärzte an der Krumbacher Klinik noch ihren Dienst tun – in Günzburg gibt es eine Hauptabteilung –, solange wollen auch die Hebammen weitermachen. Auch wenn es sich angesichts vieler Tätigkeiten, die keiner sieht und für die es kein Geld gibt, eben nicht mehr wirklich rechne. Ihre Kollegin Judit Eder ist zudem der Ansicht, dass der Schiedsspruch an sich zwar nicht schlecht sei – aber an der Realität vollkommen vorbei gehe. „Es gibt eben nicht genug Hebammen.“ Carola Dilger-Lott und Verena Caliebe aus Günzburg sagen sogar, dass die für den Schiedsspruch Verantwortlichen keine Ahnung von der Situation in den Kliniken hätten. Das alles gehe zulasten der Familien, nur damit die Krankenkassen weiter Geld sparen können. Darüber hätten sie auch schon mit dem heimischen Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein (CSU) gesprochen, getan habe sich dennoch nichts.

    Kreiskliniken wollen mit Hebammen eine Lösung finden

    Dr. Volker Rehbein, Vorstand der Kreiskliniken, ist aber zuversichtlich, eine einvernehmliche Lösung mit den Hebammen zu finden. Dazu werde es Gespräche geben. Der Schiedsspruch zwinge das Krankenhaus, mehr Personal vorzuhalten. Auch wenn hier der Gesetzgeber gefragt wäre, für passende Rahmenbedingungen zu sorgen, so würden die Kreiskliniken das Problem lösen und die Vergütung prüfen. Für einige Leistungen erhielten die Hebammen zwar mehr Geld, aber je weniger Geburten eine Hebamme betreut, desto weniger bekommt sie. Deshalb werde die Tätigkeit für viele unattraktiver. Auch da müsse eine Lösung her.

    Georg Nüßlein sagt, dass er sich durchaus dem Thema angenommen und sich etwas getan habe. So sei die Vergütung für freiberufliche Hebammen ja um 17 Prozent gestiegen. Der Gesetzgeber gebe aber nur den Rahmen vor – leider zeige sich oft, dass die Selbstverwaltung dessen Vorgaben mitunter konterkariere. Grundsätzlich stiegen die Versicherungsprämien, weil mit einer Geburt nun einmal Risiken verbunden seien. Gespräche mit Hebammen hätten ihn bewogen, einem Regressverzicht zuzustimmen, also dass bei einer durch die Geburt verursachten Behinderung die Kassen nicht auf die Hebammen zurückgreifen. Er habe das lange abgewogen, weil absehbar gewesen sei, dass auch die Gynäkologen etwas Ähnliches fordern – schließlich seien ihre Versicherungen noch teurer.

    Im Umkehrschluss verstehe er, dass die Selbstverwaltung sagte, dass die Risiken bei der Niederkunft gesenkt werden müssten – gegen Hausgeburten ist Nüßlein sowieso. Ob im Sinne eines geringeren Risikos allerdings die Reduzierung auf zwei Geburten gleichzeitig so umsetzbar ist, wisse er auch nicht. Für den Schiedsspruch sei der Gesetzgeber nicht verantwortlich. Sollte es das nicht sein, müsse aber erneut eingegriffen werden. „Das schaue ich mir gerne an“, wenn er dazu eingeladen wird. Auch während einer Hebammen-Schicht.

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