Es ist eine Horrorvorstellung: Bei einem schweren Unfall wird dringend Hilfe benötigt, doch keiner darf kommen. Denn die ehrenamtlichen Retter müssen Pause machen – von Gesetzes wegen. Das könnte passieren, wenn die Pläne der Europäischen Union in die Tat umgesetzt werden und die ehrenamtliche Tätigkeit unter die Arbeitszeitenregelung fällt. Bei einer 40-Stunden-Woche blieben also nur acht Stunden für ehrenamtliches Engagement. Die GZ hat Verbände, Institutionen und Vereine in der Region gefragt, was passiert, wenn Helfer nur noch stundenweise einsatzbereit sind.
„Totaler Schwachsinn“, so lautet das Urteil von Jörg Munkenast, Fußballabteilungsleiter des VfL Bühl, zu den Plänen der EU. Eine solche Regelung sei völlig realitätsfremd. „Wir sind gottfroh, wenn sich jemand um die Kinder in der Gemeinde kümmert“, sagt Munkenast. Und mit acht Stunden pro Woche Ehrenamt sei da mit Sicherheit nichts getan. Schon bei der A-Jugend komme man bei drei Trainings und einem Spiel auf 15 Stunden. „Das kann ja gar nicht funktionieren“, sagt er. Und schließlich sei das ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Die EU habe bei der Freizeitplanung kein Mitspracherecht.
Ähnlich sieht es auch Carmen Schüller, Leiterin des Freiwilligenzentrums desLandkreises Günzburg: „Ehrenamt ist freiwillig, da muss sich keiner einmischen.“ Mehr als 52 Prozent der Landkreisbürger seien ehrenamtlich engagiert. Würden sie zeitlich eingeschränkt, müssten soziale Einrichtungen wie die Kleiderkammer oder das Möbellager schließen, so Schüller. „Auch die Jugendarbeit oder Nachbarschaftsprojekte würden wegbrechen“, befürchtet sie. Den Ehrenamtlichen solle ruhig selbst zugetraut werden, was sie leisten können. Bisher habe das gut funktioniert. „Bei der Feuerwehr sind die Leute viel im Einsatz, aber sie machen das gerne“, sagt sie.
Eine Tatsache, die Kreisbrandrat Robert Spiller nur bestätigen kann. Sollten sich die EU-Pläne durchsetzen, werde dadurch das System zerstört. „Wer dann die Hilfeleistung sicherstellt? Keine Ahnung!“ Denn flächendeckend sei eine Versorgung mit hauptamtlichen Kräften nicht möglich, schließlich müssten diese zentral stationiert werden. „Wenn die Augsburger Berufsfeuerwehr dann auch nach Günzburg fahren soll, kommt keine Hilfe mehr in zehn Minuten“, sagt Spiller. Im Moment sei der gesamte Landkreis mit etwa 4200 ehrenamtlichen Feuerwehrlern versorgt. Für ihre Entlastung hätte Spiller einen besseren Vorschlag: Zusatzaufgaben – wie zum Beispiel der Einsatz bei Tierseuchen – sollten aus der Zuständigkeit gestrichen werden.
Mathias Abel, Geschäftsführer des Caritasverbandes Günzburg/Neu-Ulm, hat es da leichter: „Vor Ort trifft es uns nicht so, weil die meisten Helfer schon in Rente sind.“ Mit solchen EU-Vorschlägen werde alles kaputt geregelt, so Abel.