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Jettingen-Scheppach: Des willsch scho: Musikprojekt bringt Grundschüler groß raus

Jettingen-Scheppach

Des willsch scho: Musikprojekt bringt Grundschüler groß raus

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    54 Zweitklässler nahmen mit „Thomson“ und „Mate“ von der Allgäuer Band Losamol ihren Song „Des will a Erschtklässler et“ auf. Ihr Auftritt ist Teil einer Online-Sendung, die am 13. November ausgestrahlt werden soll.
    54 Zweitklässler nahmen mit „Thomson“ und „Mate“ von der Allgäuer Band Losamol ihren Song „Des will a Erschtklässler et“ auf. Ihr Auftritt ist Teil einer Online-Sendung, die am 13. November ausgestrahlt werden soll. Foto: Bernhard Weizenegger

    Normalerweise sprechen die Scheppacher Erstklässler reines Hochdeutsch. Zumindest im Unterricht. Seit ein paar Monaten schwäbeln einige Grundschüler aber gewaltig. Zungenbrecherische Sätze wie „awa des gibt’s ja gar it, so hob i ja no nia glitta, des willsch gwiss itta“ gehen nicht nur flüssig über die Lippen, sondern in einem Höllentempo – gesungen wohlgemerkt. Die Mädchen und Jungen haben mit ihrem umgetexteten Song „Des will a Erschtklässler et“ nicht nur Lehrer und Eltern begeistert, sondern auch die für ihre im Dialekt gesungenen Lieder bekannte Band Losamol aus Kempten. Diese hat die Scheppacher Schüler prompt für ein einmaliges Pilotprojekt engagiert: Gestern wurden die kleinen Sänger im Tourbus der Band für eine Sendung gefilmt, die in Kürze online zu sehen ist.

    Auslöser für alles war genau genommen das Bayerische Kultusministerium. Das hatte im Frühjahr einen Aktionstag Musik an Grundschulen angeregt. Teilnahme freiwillig, Inhalt freigestellt, als Vorschlag tauchte noch das Stichwort „Mundart“ in dem Schreiben auf. Die Scheppacher Schule, in der Musik einen hohen Stellenwert hat, entschloss sich zum Mitmachen. Ute Zimmermann, Lehrerin der damaligen 1b, wollte aber nicht einfach nur „teilnehmen und abhaken“, ihr schwebte etwas vor, das Kinder begeistert, mitreißt. Sie engagierte mit Erlaubnis des Rektors ihre Schwester Iris Hildensperger, Mitglied im Elternbeirat und – viel entscheidender – als Mitglied eines musikalischen Duos eine ausgewiesene Expertin auf diesem Gebiet. Ihr gemeinsamer Plan: den Schülern ein möglichst bekanntes, dynamisches Lied im schwäbischen Dialekt beibringen.

    Sie blieben bei dem Lied der Allgäuer hängen

    Die Idee, den Titelsong aus dem unter Grundschülern beliebten Film „Bibi und Tina“ umzutexten, verwarfen die Schwestern schnell. „Zu viel Text auf zu wenig Zeit“, war die Erkenntnis nach einigen Hörtests im heimischen Wohnzimmer. Irgendwann blieben sie bei einem Lied der Allgäuer Band Losamol hängen. „Des willsch it“ greift auf, was jungen Leuten nicht gefällt, mit viel Rhythmus, Witz und Humor. Und genau das gefiel den zweien. „Es zeigt, dass Mundart nichts Verstaubtes oder Bauriges ist, sondern eine Identitätssache“, sagt Hildensperger. Weil aber der Inhalt nicht unbedingt auf Erstklässler passt, wurde kurz entschlossen der Text umgeändert. Steppacher Kinder nehmen Song mit Allgäuer Band "Losamol" auf

    Die Schüler sollten im Unterricht selbst überlegen und zu Papier bringen, was ihnen als Erstklässlern nicht in den Kram passt. Was dabei rauskam, ist kaum zu überbieten: vom Nasenbohren über Brokkoli und Blumenkohl bis hin zu Spinnen, Schimmel und Kuhmist. Aus diesen Schlagwörtern formulierten Zimmermann und Hildensperger einen eigenen Liedtext. Eine Kostprobe gefällig? „Hausaufgaba, des willsch it. Gedichtaufsaga, des willsch it. Neaba dr Chantalle hocka, gelb-greane Rotz-Glocka, des willsch it ...“ Bandleader Martin Folgmann brauchte nicht mehr, stellte auf Nachfrage umgehend eine Playback-Tonspur zur Verfügung.

    Feuer und Flamme für den schwäbischen Dialekt

    Und die Schüler? Die durften das Lied beim Aktionstag zum ersten Mal in der neuen Fassung singen und waren sofort Feuer und Flamme. Maja, Tochter des neuen Rektors Andreas Spatz, dudelte als erstes zu Hause ihrem Papa das Lied vor. „Es ist genial, was da herausgekommen ist“, lobt Spatz. „Der Funke ist sofort auf die Kinder übergesprungen.“ Klassenleiterin Ute Zimmermann sah ihre Erwartungen mehr als übertroffen. Und beschloss kurzerhand, mit den Kindern weiter zu üben, eine passende Choreografie einzustudieren und ein Video davon zu drehen. „Das war schon eine Herausforderung. Die Kinder konnten ja keinen Dialekt“, erzählt sie. Schritt für Schritt, erst langsam, dann immer schneller, hat sie es ihnen beigebracht. Nach vielen zusätzlichen Proben kam am Ende des Schuljahrs ein Kurzfilm heraus, den die Schüler als Dank an die Band Losamol schickten.

    Vom Ergebnis waren die schwäbischen Sänger so fasziniert und inspiriert, dass sie eine Online-Sendung ins Leben rufen wollen, die „Singamol“ heißt und Kindern das gemeinsame Singen schmackhaft machen soll. Die Scheppacher dürfen die Pilotschule sein, weitere Schulen in ganz Schwaben werden folgen. Mit ihrem Tourbus rollte die Band gestern vor, mit an Bord ein Kameramann, der die Kinder in Aktion filmte. Einen Teil der Kosten übernimmt die Gruppe selbst, den anderen schießt der Förderverein der Grundschule zu. Rektor Andreas Spatz sieht für seine Einrichtung „eine riesige Chance“. In seinen Augen ist das Dialektpflegen in der heutigen Zeit wichtig, „das darf nicht verloren gehen“. Nicht umsonst hat er an seiner alten Wirkungsstätte in Waldstetten mit den Schülern an einem Mundart-Wettbewerb teilgenommen.

    Ein Casting wie auf der großen Fernsehbühne

    Weil am gestrigen „Casting“ aus Platzgründen nicht alle Schüler teilnehmen konnten, musste ausgesiebt werden, am Ende blieben schließlich 54 übrig. Sie haben in den vergangenen Wochen geübt, was das Zeug hält. Text rauf und runter, dazu mit den Füßen gewippt, Drehungen eingeübt, mit den Fingern geschnippt. Und das alles bei einem höllisch schnellen Tempo. Nur ein einziges Mal haben sie sich bei den Proben verzettelt. Aufgeregt waren sie schon, aber irgendwie auch gelassen. „War gar nicht schwer“, winken Sebastian und Ben cool ab. Ihr Auftritt gestern konnte sich sehen lassen. Ganz nach dem Motto: „Des willsch scho!“

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