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Gundremmingen: Ärzteorganisation warnt wieder vor Super-GAU in Gundremmingen

Gundremmingen

Ärzteorganisation warnt wieder vor Super-GAU in Gundremmingen

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    Eine Ärzteorganisation warnt wieder vor einem Super-GAU in Gundremmingen.
    Eine Ärzteorganisation warnt wieder vor einem Super-GAU in Gundremmingen. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Es war die Warnung vor dem Super-GAU im Atomkraftwerk (AKW) Gundremmingen: Die Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) hatte 2014 erklärt, der Ausfall der Hauptwärmesenke – dabei handelt es sich um den Turbinenkondensator mit seinem Kühlkreislauf – könne unter gewissen Bedingungen zur Katastrophe führen. Zwar hatte die Organisation ihre Veröffentlichung damals wieder zurückgezogen, doch nun formuliert die Ulmer Sektion dieselbe Annahme und stellt die Frage, ob „häufige Brennelementeschäden“ im AKW mit Problemen bei dem System zu tun haben.

    Zudem wird gemutmaßt, ob diverse Vorfälle im Kraftwerk im vergangenen Jahr mit der Reaktorschnellabschaltung im März 2015 in Verbindung stehen. Auf jeden Fall unterstützt die Organisation die Forderung anderer Atomkraftgegner, das AKW Gundremmingen noch in diesem Jahr komplett abzuschalten. Denn die Liste „brisanter Ereignisse“ in der Anlage in den vergangenen Jahren sei länger als bekannt, der Betrieb der „veralteten Siedewasserreaktoren“ sei „offensichtlich störanfälliger und damit gefährlicher, als uns das bisher Glauben gemacht worden ist“.

    Das ist das Atomkraftwerk Gundremmingen

    Die Anlage Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, die in dieser Form seit 1984 besteht, ist der leistungsstärkste Kernkraftwerksstandort in Deutschland. Die zwei Reaktoren erzeugen pro Jahr mehr als 20 Milliarden Kilowattstunden Strom. Dies entspricht rund einem Drittel des gesamten Verbrauchs in Bayern.

    Die Betreibergesellschaft der Anlage gehört zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Eon. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 sollen Block B im Jahr 2017 und Block C 2021 abgeschaltet werden.

    Das Zwischenlager in Gundremmingen ging im August 2006 in Betrieb. Die Halle liegt rund 150 Meter vom Reaktorgebäude entfernt und ist 104 Meter lang, 38 Meter breit und 18 Meter hoch. Die Wände aus Stahlbeton sind 85 Zentimeter dick. Die Halle verfügt über eine Kapazität von 192 Castoren. Ein Castor wiederum enthält 52 Brennelemente. Damit ist das schwäbische Zwischenlager das größte in Deutschland.

    Wie alle anderen Zwischenlager ist auch dieses für eine Betriebszeit von maximal 40 Jahren ausgerichtet. Das heißt, in Gundremmingen endet die Genehmigung 2046. Spätestens dann, so die ursprüngliche Planung, sollte ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen.

    Die Kritiker befürchteten schon bei der Genehmigung des Zwischenlagers, dass es de facto zu einem Endlager werden könnte. Außerdem argumentierten sie, dass in jedem der Castoren mehr Radioaktivität enthalten sei, als bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde.

    Gegen den Bau der Zwischenlager wurde bundesweit prozessiert. Im Fall von Gundremmingen reichten fünf Anwohner aus umliegenden Gemeinden Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Der VGH wies die Klage mit seinem Urteil vom 2. Januar 2006 ab.

    Zumindest ist der von der Organisation verwendete Begriff „Störfall“ für die Reaktorschnellabschaltung im März 2015 falsch. Auf der internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) wurde sie der Kategorie 0 zugeordnet, die für keine oder eine nur sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung steht. Ein Störfall entspricht hingegen der Stufe 2. Ansonsten geht es in der Auflistung auch nur um Schäden an Brennelementen.

    Bundesamt sieht keinen Zusammenhang zur Reaktor-Schnellabschaltung

    Das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit, gleichzeitig Störfallmeldestelle, sieht auch keinen Zusammenhang zwischen der Reaktorschnellabschaltung und Defekten in der Anlage, erklärt Pressesprecherin Ina Stelljes auf Anfrage unserer Zeitung. Die Ärzteorganisation hatte einen Bericht der Behörde als Grundlage genommen, von Zusammenhängen der Vorfälle ist darin aber keine Rede.

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    Die zuständige Atomaufsicht, das Umweltministerium in München, erklärt ebenfalls: „Die von IPPNW vermuteteten ursächlichen Zusammenhänge bestehen dabei nicht.“ Auch Defekte an Brennstäben und die Reaktorschnellabschaltung hätten nichts miteinander zu tun. Weder könnten beim Betrieb eines Kraftwerks defekte Brennstäbe noch ein Ausfall der Hauptwärmesenke ausgeschlossen werden. Dafür sei eine solche Anlage aber ausgelegt. Im ersten Fall ergebe sich „keine nennenswerte Strahlenbelastung in der Umgebung“, im zweiten gebe es auch keine hohen Belastungen der Reaktoranlage.

    Bei den Betreibern des Kraftwerks stößt die erneute Kritik der Ärzte-Organisation jedenfalls auf wenig Verständnis. „Diese Unterstellungen gewinnen durch Wiederholung nicht an Wahrheitsgehalt“, betont Sprecher Tobias Schmidt. Bereits 2014 habe das Bundesumweltministerium festgestellt, dass die Aussagen auf der Fehlinterpretation einer Grafik durch die IPPNW beruhten und die daraus gezogenen Schlüsse unzutreffend waren (wir berichteten). Der Organisation seien zwar mehrfach Gespräche angeboten, doch nicht angenommen worden. Sämtliche meldepflichtigen Ereignisse während des Betriebs der Blöcke B und C seien der Stufe Null auf der INES-Skala zugeordnet worden.

    Kraftwerks-Betreiber sehen „Kampagne“ gegen das AKW Gundremmingen

    Dass Zusammenhänge zwischen einzelnen Vorfällen vermutet werden, „können wir nicht nachvollziehen“ – denn es gebe keine. Bei einer Reaktorschnellabschaltung gebe es keinen Ausfall der Hauptwärmesenke, sodass hier auch deshalb nicht die Ursache für nachfolgende Vorfälle liegen könne.

    Zudem sei nachgewiesen worden, dass ein Ausfall des Systems „sicher beherrscht“ werde. Es sei auch schlicht falsch zu behaupten, dass ein solcher Fall unter gewissen Bedingungen zum Super-GAU führe, das entbehre jeder technischen Grundlage. Defekte an Brennelementen gebe es praktisch in allen Kernkraftwerken hin und wieder, was den sicheren Betrieb aber nicht tangiere. Offenbar werde hier eine „Kampagne zur Diskreditierung unseres Kraftwerkes unterstützt“. Trotzdem bestehe weiter das Angebot zum Gespräch.

    Der Sprecher der Ulmer Sektion der IPPNW, Reinhold Thiel, bleibt dabei: Für sich genommen sei ein Ausfall der Hauptwärmesenke vielleicht ungefährlich, aber unter gewissen Bedingungen könne sich eben durchaus ein Super-GAU entwickeln. Diese Erkenntnis müsse sich allerdings wohl erst noch durchsetzen und die Gefahr werde bislang auch verschleiert. Dass 2014 die Information der Ärzte-Organisation zu diesem Thema zurückgezogen wurde, hält Thiel ohnehin für „nicht glücklich“. Schließlich habe es damals nur einen Detailfehler in einer Grafik gegeben.

    Grüne im Landtag bekräftigen Forderungen zum AKW

    Derweil bekräftigen die Grünen im Bayerischen Landtag eine Forderung an die Staatsregierung. Sie solle dafür sorgen, dass beim geplanten Rückbau von Block B des Kraftwerks kein Kernbrennstoff mehr in der Anlage ist. Außerdem soll der Abbau erst dann beginnen, wenn auch Block C abgeschaltet ist, da Systeme gemeinsam genutzt würden.

    Die Grünen

    äußern zudem wieder Kritik daran, dass viele Brennelemente in den Abklingbecken lagern, obwohl sie in die sichereren Castorbehälter gebracht werden könnten. Die Staatsregierung solle sich nach den Leitlinien der Entsorgungskommission richten, die sich „für die Herstellung der Kernbrennstofffreiheit als Maßnahme“ zur Vorbereitung des Abbaus einer Anlage ausgesprochen habe. In seiner Antwort betont das

    Umweltministerium

    , dass der Betrieb der Nasslager unbefristet genehmigt sei und es keine sicherheitstechnischen Gründe gebe, abgebrannte Brennstäbe auch länger dort zu behalten.

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