Herr Failer, beim Jahresgespräch der Kraftwerksleitung ist angekündigt worden, dass bei der Kernkraftwerk Gundremmingen GmbH ab Januar 2018 noch 560 Mitarbeiter beschäftigt sein werden. Zu Beginn des vergangenen Jahres waren es noch 100 mehr. Wie die Geschäftsführung betonte, sei der Personalabbau sozialverträglich gelaufen. Sehen Sie das als Betriebsratsvorsitzender auch so?
Anton Failer: Die Atomausstiegsbeschlüsse waren für uns zwar schmerzhaft, wir hatten aber den großen Vorteil, dass die Abschalttermine Jahre im Voraus bekannt waren uns wir uns deshalb vorausschauend um die Personalplanung kümmern konnten. Im Kraftwerk Biblis war das schmerzhafter, weil das Kraftwerk dort nach dem Moratorium nicht mehr angefahren werden durfte. Wir können über eine Vorruhestandsregelung etwa 140 Arbeitsplätze abbauen. Die Verträge dafür wurden bereits 2015 unterschrieben, aber der größte Teil der betroffenen Mitarbeiter wird erst Ende 2017 oder Mitte 2018 gehen. Das läuft sehr einvernehmlich mit der Geschäftsführung, und es war ein freiwilliges Angebot an die Kollegen, das gerne angenommen wurde. Das ist sicherlich auch ein Erfolg des Betriebsrats. So konnten wir damals schon sagen, dass wir bis Ende 2021, wenn auch Block C abgeschaltet wird, keinen Personalüberhang haben werden. Jetzt planen wir bereits für die Zeit danach.
Wie viel Personal wird dann noch im Kraftwerk tätig sein? Und wird der Stellenabbau dann auch wieder sozialverträglich vonstatten gehen?
Failer: Ich kenne noch keine Zahlen. Aber es wurde bereits eine Altersteilzeitregelung beschlossen. So könnte ein möglicher Personalüberhang abgebaut werden, 80 bis 100 Kollegen könnten es sein. Wir verhandeln schon seit über einem Jahr einen Interessensausgleich und einen Sozialplan. Für den Fall, dass Mitarbeiter zukünftig doch einmal betriebsbedingt gekündigt werden müssen, fordern wir, dass sich die Kollegen frei entscheiden können, ob sie einen anderen Arbeitsplatz im Konzern irgendwo in Deutschland annehmen oder eine Abfindung haben wollen. Wir stecken fest, da gibt es noch Differenzen. Das mag auch der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens geschuldet sein. Dennoch brauchen wir dringend einen Sozialplan, um klare Rahmenbedingungen für die Kolleginnen und Kollegen zu schaffen, damit niemand auf der Strecke bleibt.
Wie ist denn generell die Stimmung?
Failer: Die Abschaltung des Kraftwerks ist für alle schmerzhaft und erfordert ein Umdenken. Aber wir wissen, dass wir es tun müssen und dass der Rückbau eine gesellschaftspolitische Aufgabe ist. Wir werden unsere Arbeit beim Rückbau genauso verantwortungsvoll wie im laufenden Betrieb machen. Als der Regierungsbeschluss fiel, dass alle Kraftwerke stillgelegt werden, war die Stimmung vor dem Kippen, aber als klar war, dass aufgrund der Vorruhestandsverträge bis 2021 keiner um seinen Arbeitsplatz zu fürchten braucht, war wieder Ruhe.
Dabei wird das Kraftwerk ja von Kritikern in immer kürzeren Abständen als unsicher bezeichnet und die sofortige Abschaltung gefordert. Nagt das nicht an Ihnen und Ihren Kollegen?
Failer: Es ist wichtig, dass Parteien und Umweltverbände nicht mit Halbwahrheiten und falschen Behauptungen operieren. Die Kollegen haben Anerkennung für ihre gewissenhafte Arbeit verdient. Die Reaktorsicherheitskommission hat in einem Memorandum festgestellt, dass es eine Gefahr für den sicheren Betrieb von Kernkraftwerken darstellen kann, wenn Know-how und Motivation verloren gehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Kollegen Anerkennung erfahren. Parteien, Umweltverbände und auch die Medien sollten sich hier ihrer Verantwortung bewusst sein. Wir müssen uns viele Angriffe gefallen lassen, dabei ist nicht alles richtig und nicht alles sachlich. Die Kollegen brauchen eine langfristige Perspektive, da ist es nicht hilfreich, wenn Tatsachen verdreht und diffuse Ängste geschürt werden.
Also drücken die ständigen Attacken auf die Motivation?
Failer: Ja, das nagt an einem. Die Sinnhaftigkeit der Arbeit und die Sicherheit der Arbeitsplätze sind zentrale Elemente für die Kollegen. Es wäre auch fatal, die Beschlüsse der Bundesregierung auf den Kopf zu stellen und etwa das Kraftwerk vorzeitig stillzulegen. Das hätte fatale Folgen, denn dann wären akut Jobs gefährdet, für eine solche Situation hätten wir keine Lösung. Und die Zahl der Kollegen, die selbst kündigen, würde zunehmen. So haben wir durch den Rückbau eine Perspektive für mindestens zwei Jahrzehnte für die Mitarbeiter. Bislang haben wir es auch geschafft, die Kollegen zu motivieren, das zeigt sich an der sehr geringen Fluktuation. Aber jede Kündigung, jeder Verlust von Erfahrung und Wissen, ist sehr schmerzhaft. Einzelne, vor allem jüngere Kollegen, haben für sich keine Perspektive mehr hier gesehen.
Wie haben sich denn die Beschlüsse zum Atomausstieg und der Stellenabbau konkret bemerkbar gemacht?
Failer: Die Energiewende ist nicht spurlos an uns vorüber gegangen, die Energieunternehmen sind in einer wirtschaftlich schwierigen Situation. Die Preise an der Strombörse sind eingebrochen. Seit dem Beschluss zum Atomausstieg 2011 gab es auch mehrere Sparwellen, die wir im Geldbeutel schmerzhaft spüren. Alle freiwilligen Leistungen, zum Beispiel die vermögenswirksamen Leistungen, wurden Schritt für Schritt gekündigt, da haben wir als Betriebsrat wenig Handhabe. Selbst viele kleine Handwerksbetriebe zahlen Mitarbeitern vermögenswirksame Leistungen. Deshalb sind wir froh, dass wir einen Tarifvertrag haben. Ohne den hätte es mit Sicherheit noch drastischere finanzielle Einschnitte gegeben.
Finden Sie denn angesichts dessen überhaupt noch genug gute Leute, wenn eine Stelle frei und nachbesetzt wird, und für die Ausbildung?
Failer: Die Bewerberzahlen sind zurückgegangen, speziell bei der Ausbildung. Wir haben aber sehr gute Bewerber, und unsere Ausbildung hat einen ausgezeichneten Ruf. Einen Teil der nachzubesetzenden Stellen können wir über befristete Verträge für fertig gewordene Auszubildende füllen, das ist eine gute Lösung für beide Seiten. Und wer bei uns seine Ausbildung gemacht hat, hat allerbeste Chancen, in der Region unterzukommen.
Wird es genug Arbeitsplätze für die geben, die nicht bis zum Ruhestand im Kraftwerk bleiben können, und kann die Region den Jobverlust abfedern?
Failer: Ich hoffe, dass es mindestens noch zehn Jahre lang keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird. Und wir wollen auch möglichst viel selbst machen, das sichert viele unserer Arbeitsplätze.
Darüber besteht Konsens mit der Geschäftsführung?
Failer: Ja. Die KFK-Kommission (die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs, Anmerkung der Redaktion) hat festgeschrieben, dass Eigen- vor Fremdbeschäftigung geht. Das ist mehr eine politische als eine juristisch verwertbare Zusage. Die Mannschaft muss flexibel sein, es kann gut sein, dass sich Aufgaben verändern. So könnte ein heutiger Reaktorfahrer einmal im Strahlenschutz arbeiten. Auch hier können wir selbst ausbilden. Aber die Politik muss zeitnah die Rahmenbedingungen für den geplanten Rückbau geben, damit alles so läuft wie geplant.
Und was wird aus den für das Standort-Zwischenlager zuständigen Mitarbeitern, wenn der Bund in den nächsten Jahren dort den Betrieb übernimmt?
Failer: Vieles läuft mit anderen Bereichen in Personalunion, sodass man nicht sagen kann, wie viele betroffen sind. Die Erfahrung liegt bei uns. Denkbar wäre es aus Sicht des Betriebsrates, dass wir auch weiter für den operativen Betrieb des Zwischenlagers zuständig bleiben und das dann mit dem Bund abgerechnet wird. Ich kann mir beispielsweise nicht vorstellen, dass er eigenes Sicherheitspersonal dafür einstellen würde, wo wir doch schon unseren Werkschutz vor Ort haben. Dies entscheidet aber der Bund.
Zur Person Anton Failer, 54, arbeitet seit 1990 im Atomkraftwerk Gundremmingen. Der gelernte Elektroingenieur ist seit 2010 freigestellter Betriebsratsvorsitzender. Zuvor war er auch schon Mitglied des Betriebsrats.