Gleich dreimal gewann er mit seinen neorealistischen Streifen den Europäischen Filmpreis. 1998 brachte es der schmale Mann mit dem Vollbart mit dem Film "Cosi ridevano" (So lachten sie) über das Schicksal junger Sizilianer in der norditalienischen Industriestadt Turin gar zu einem "Goldenen Löwen" bei den Filmfestspielen von Venedig. Am Mittwoch (20. Januar) wird der Regisseur 65 Jahre alt.
Kurz vor Kriegsende 1945 in dem kleinen Bergdorf San Pietro Magisano in Kalabrien geboren, wächst Gianni Amelio mit Mutter und Großmutter auf. Der Vater verlässt die kleine Familie knapp zwei Jahre nach Giannis Geburt, um sein Glück in Südamerika zu suchen. Die Zeiten sind hart, der Süden Italiens schon damals ärmer als der Norden. Just in dem Jahr, als sein Vater erfolglos und verarmt zurückkehrt, zieht Gianni Amelio nach Rom, um Philosophie zu studieren. Nach dem Studium findet er dort 25-jährig zunächst als Kameramann zum Film. Es herrscht die große Zeit des italienischen Kinos - und Rom ist seine unumstrittene Metropole.
Nach mehreren Regieassistenzen und TV-Produktionen schafft Amelio 1990 den Durchbruch. Sein Film "Porte aperte" (Offene Türen) bringt ihn auf das internationale Parkett. Der Streifen über die italienische Gesellschaft während des Faschismus gewinnt den Europäischen Filmpreis "Felix" und bringt Amelio 1991 eine Oscar- Nominierung ein.
Unvergessen bleiben vor allem seine Dokudramen wie "Il ladro di bambini" (Gestohlene Kinder). Der 1992 in Cannes mit dem Spezialpreis und in Berlin erneut mit dem "Felix" gekrönte Film schildert die Leidensgeschichte zweier verwahrloster Kinder. Erschütternd und leise erzählt, ist der Film über einen neunjährigen Jungen und dessen elfjährige Schwester, die von der Mutter aus sozialer Not zur Prostitution gezwungen wird, zugleich Anklage und Liebeserklärung an Italien. Die tristen Bilder wurden von vielen als Fortführung der Tradition des italienischen Neorealismus gesehen.
Auf derselben Linie liegt "Lamerica", eine ergreifende Reise durch ein alptraumhaftes Albanien, der Amelio 1994 zum dritten Mal den Europäischen Filmpreis einbringt. Bis heute erschreckend aktuell bleibt das eindringliche Roadmovie - für den Regisseur selbst eine "Gewissensprüfung" und ein notwendiger Aufruf zu Toleranz und Nächstenliebe, gerichtet an eine Generation, die er als "hochmütig, hartherzig und rassistisch" beschreibt. Dabei reflektiert der Streifen einfühlsam auch die Vergangenheit des armen italienischen Süden.
Seitdem ist es stiller geworden um Gianni Amelio. Das Vater-Sohn-Drama "Le chiavi di casa" (Die Hausschlüssel) und sein 2006 in Venedig präsentierter Streifen "La stella che non c'è" (Der Stern, den es nicht gibt) haben nicht die Kraft der ersten Filme. Dabei bestünde angesichts der heutigen italienischen Dramen um Einwanderer und Armut durchaus Bedarf an einem "empfindsamen Fotografen der Gesellschaft", der sich um Toleranz und Menschlichkeit bemüht.