Als „existenziell für die CSU“ hat Parteichef Horst Seehofer die Landtagswahl am 15. September bezeichnet. Trotz der guten Umfrageergebnisse hält er den Ausgang der Wahl für völlig offen. An eine absolute Mehrheit der CSU glaubt er nicht. Wir sprachen mit Seehofer bei einem Besuch in unserer Redaktion.
Herr Ministerpräsident, trauen Sie den guten Umfragen für die CSU?
Seehofer: Die Entscheidung am 15. September ist völlig offen. Ich rate jedem in meiner Partei, keinerlei Übermut zu entwickeln und bis zum Schluss knallhart zu arbeiten. Außerdem liegt die Zahl der Unentschiedenen bei fast 50 Prozent. Es gibt also keinen Anlass zur Entwarnung.
Untertreiben Sie da nicht etwas? Es sieht doch längst nach einer absoluten Mehrheit für die CSU aus.
Seehofer: Absolute Mehrheiten in einem Fünf-Parteien-Parlament sind äußerst schwierig. Ich will die Fortsetzung dieser schwarz-gelben Koalition. Ich habe das immer gesagt und dabei bleibt es. Auch in Bayern haben sich die Zeiten geändert.
Die Umfragen sagen etwas anderes.
Seehofer: Nochmals. Die Zeit, in der im Parlament nur drei Parteien waren, sind vorbei. Der Kardinalfehler war die Ablösung von Edmund Stoiber im Jahr 2007. Dieser Fehler hat das Parlament und die politische Landschaft in Bayern verändert.
Wünschen Sie sich keine absolute Mehrheit?
Seehofer: Ich habe das schon mehrfach gesagt: Mein Wahlziel ist Schwarz-Gelb. Die Landtagswahl ist für die CSU die Mutter aller Schlachten. Diese Wahl ist existenziell für uns. Vom Erfolg in Bayern hängt doch auch unser Gewicht in Berlin ganz entscheidend ab.
Worauf kommt es denn an? Die gute wirtschaftliche Lage allein reicht doch heute nicht mehr aus, eine Wahl zu gewinnen.
Seehofer: Richtig. Die Bilanz reicht nicht. Stil, Person, Inhalt – darauf kommt es an.
Haben Sie denn alles richtig gemacht? Zum Beispiel in der Verwandtenaffäre.
Seehofer: Wir haben sehr hart durchgegriffen, bei den Vorkommnissen, die man nicht dulden will und nicht dulden kann. Sie können sicher sein, das war menschlich nicht immer angenehm. Auch nicht für meine Kabinettsmitglieder. Aber Ehegatten mit Steuergeldern zu beschäftigen, das möchte ich nicht in meinem Kabinett.
Sie haben noch etwas anderes getan. Sie haben Dinge geändert, die zu den Grundüberzeugungen Ihrer Partei gehörten – bei der Wehrpflicht, bei der Atomkraft, beim Donau-Ausbau und bei den Studiengebühren. Sind Sie mit Ihrer Partei im Reinen?
Seehofer: Denken Sie an das Jahr 2008. Minus 17 Prozent für die CSU. Das gab es noch nie. Die Antwort konnte da nicht sein: weiter so. Es gibt die schöne Wahrheit, die Zeiten ändern sich und wir uns mit ihnen. Beispiel Wehrpflicht. Zuletzt haben noch 15 Prozent der jungen Männer Wehrdienst geleistet. Da mussten wir etwas tun. Oder die Studiengebühren. Sie wurden eingeführt in Zeiten knapper Kassen. Jetzt können wir das aus dem Staatshaushalt bezahlen. Oder der Donau-Ausbau. Ich war dort, einen Tag lang, habe mir vor Ort selbst ein Bild gemacht und mit den Menschen geredet – und heute sind alle zufrieden. Die Wirtschaft wie die Bevölkerung.
Es ist also alles in Ordnung in der CSU?
Seehofer: Die CSU ist wieder stabilisiert. Die Partei ist frisch und modern. Wir sind schneller weitergekommen, als ich gedacht habe vor fünf Jahren – auch im Politikstil. Wir konzentrieren uns auf die Dienstleistung für die Menschen.
Wie sieht es denn im Kabinett und im Landtag aus? Von der Verwandtenaffäre waren ja besonders die Schwaben betroffen. Ist hier nicht ein Bedeutungsverlust zu befürchten?
Seehofer: Ach, das kriegen wir schon hin. Die Personalentscheidungen, die wir getroffen haben, waren notwendig. Wir mussten konsequent handeln und für Transparenz sorgen. Das akzeptiert die Bevölkerung. Es gibt sogar Menschen, die sagen mir: Ich gehe jetzt wieder zur Wahl, weil Sie das so gemacht haben.
Bei Justizministerin Beate Merk kommt aber noch der Fall Mollath hinzu. Sind Sie denn mit Ihrer Arbeit zufrieden?
Seehofer: Ja.
Sie bleibt also im Kabinett?
Seehofer: Ich werde keine Personalentscheidungen treffen, bevor das Volk gesprochen hat. 2008 lief die Kabinettsbildung vor allem unter dem Aspekt: Wir haben verstanden. Jetzt geht es darum, wer das Land einmal weiter in die Zukunft führt – auch über 2018 hinaus. Zukunft bemisst sich auch daran, wer bekommt von der Bevölkerung Zuspruch, wer ist in der Bevölkerung verankert.
Kultusminister Ludwig Spaenle hat von Ihnen aber schon eine Jobgarantie bekommen.
Seehofer: Ja. Aber das war die Ausnahme.
Nun ist ausgerechnet die Bildung das wichtigste Wahlkampfthema – zumindest, wenn man Ihrem SPD-Herausforderer Christian Ude glaubt?
Seehofer: Ich habe nicht diesen Eindruck. Ich war auf zahlreichen Veranstaltungen, bei denen ich stundenlang mit Bürgern diskutiert habe. Es kam nur eine einzige Frage zur Bildung.
Es gibt aber den Vorwurf, dass es nicht gerecht zugeht und keine Chancengleichheit herrscht. Gibt es da keinen Handlungsbedarf?
Seehofer: Es gibt immer Handlungsbedarf, Menschen aus allen Schichten die bestmögliche Bildung zukommen zu lassen. Wir haben, um Klassen in Ballungsräumen mit einem hohen Migrantenanteil zu teilen, 400 Lehrer zusätzlich eingestellt. Es gibt in über 80 Prozent der bayerischen Gemeinden ein Ganztagesangebot. Unser Ziel ist, dass es dies bis 2018 für Schüler bis 14 Jahre überall dort gibt, wo es gewünscht wird. Entscheidend für mich ist, wir brauchen keine neue Bildungsreform. Ich bekomme überall Riesenbeifall, wenn ich sage: Wir brauchen Ruhe an der Schulfront.
Ein weiterer Vorwurf wird Ihnen bei der Energiewende gemacht. Herr Ude sagt, Sie bremsen mit der Vergrößerung der Abstände zwischen Windrädern und Wohnbebauung den Ausbau erneuerbarer Energien.
Seehofer: Wie viele Windräder stehen in der Landeshauptstadt München? Ein einziges auf dem Schuttberg. Als die Abstände festgelegt wurden, waren wir bei Windrädern mit einer Höhe von 100 oder 140 Metern. Jetzt haben wir es mit 200-Meter-Ungetümen zu tun. Deshalb sage ich: Je höher das Windrad, desto größer der Abstand zur Wohnbebauung. Man soll anderen nicht zumuten, was man selbst nicht vor der Haustüre haben will.
Bleibt denn dann in Bayern genügend Fläche für den Ausbau der Windkraft?
Seehofer: Hundertprozentig. Wir werden unser Ziel, die Hälfte unseres Bedarfs aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, bis 2022 erreichen.
Noch eine Frage zur Bundespolitik. Ist die CSU kämpferisch genug?
Seehofer: Kanzlerin Angela Merkel macht das erstklassig. Warum sollten wir ihr in die Parade fahren, nur damit wir Aufmerksamkeit erregen. Wir würden es anders machen, wenn es notwendig wäre. Aber es ist nicht notwendig.
Interview: Uli Bachmeier und Jörg Sigmund