Bäumenheim Vor 40 Jahren fanden in Bäumenheim Veränderungen statt, die das Schicksal vieler Arbeitnehmer und Familien aus der Region nachhaltig beeinflussten. Diesen Umbruch hat der ehemalige Bürgermeister Hans Eichhorn dokumentiert. Er recherchierte die Geschichte der traditionsreichen Landmaschinenfabrik Lely-Dechentreiter und beleucht damit ein Stück Nachkriegsdeutschland.
Was 1896 mit der Gründung einer Reparaturwerkstätte durch Josef Dechentreiter begann, wird heute von AGCO/Fendt in Dechentreiters Heimatort fortgeführt. „Kaum ein Unternehmen im internationalen Landmaschinenbau kann auf eine derart lange Tradition zurückblicken“, resümiert Eichhorn in seiner Firmenchronik, die er der Geschäftsleitung übergab.
Prototyp im Jahr 1922
Dechentreiters Stunde schlug mit dem Bau einer elektromotorbetriebenen Kleindreschmaschine. 1922 war der Prototyp fertiggestellt. Es war eine Pionierleistung, wie der Chronist feststellt, mit der er sich nicht nur ein bleibendes Denkmal in der Technikgeschichte gesetzt habe, sondern auch einen „regelrechten Verkaufsboom auslöste“. Die Nachfrage nach der „Dechentreiter-Dreschmaschine“ war so groß, dass 1928 die Serienproduktion mit dem Bau einer großen Fertigungshalle beginnen konnte. Eichhorn: „Damit veränderte sich nicht nur der Betrieb grundlegend, sondern auch seine Heimatgemeinde.“
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges endete die Wachstumsphase jäh. Doch Dechentreiters Erfindergeist blickte selbst in dieser schwierigen Zeit noch weit nach vorne. Zusammen mit seinem Sohn tüftelte er an einer Maschine, die mähen, dreschen und Stroh binden konnte. Bereits 1938 sah man den ersten Dechentreiter Versuchsmähdrescher in der Bäumenheimer Flur. Der Krieg verhinderte jedoch die Weiterentwicklung des Mähdreschers.
Nach Kriegsende brachten Dreschmaschine und Mähdrescher Dechentreiter zunächst große Marktanteile. Doch war dieser Erfolg von kurzer Dauer, die Mähdrescher machten die Dreschmaschine plötzlich überflüssig. Ende der 50er-Jahre war ihre Zeit abgelaufen. Für Dechentreiter begann eine schwierige Zeit.
Auch das Mähdreschergeschäft lief nicht wie erhofft, neu entwickelte Produkte waren noch nicht wirklich etabliert, die Produktionshallen konnten nicht mehr ausgelastet werden, die Mitarbeiterzahl sank drastisch. Kaum jemand sei damals, so Eichhorn, erstaunt gewesen, dass das Unternehmen an Cornelis van der Ley verkauft worden sei.
1970 geriet die Landmaschinenfirma Lely-Dechentreiter, seinerzeit immerhin der zweitgrößte Industriebetrieb in der Region, in Konkurs. Das Unternehmen war aufgrund langjähriger Patentrechtsprozesse seines Eigners van der Lely in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und so kauften die Brüder Hermann und Xaver Fendt aus Marktoberdorf die gesamte Firma. Somit konnten immerhin rund tausend Arbeitsplätze gesichert werden. Als Werk 3 wurde Bäumenheim ein Zweigwerk des schon damals bekannten Allgäuer Schlepperherstellers. Eichhorn als seinerzeitiger Bürgermeister wollte eine Modernisierung und Umstrukturierung. Mit dem Bau der Nordumgehung mit Bahnunterführung, so erinnert er sich, sei es geglückt, die Hauptzufahrt von Fendt aus dem Ort herauszulagern. 1997 wurde nach Darstellung Eichhorns zum Schlüsseljahr. Der überraschende Verkauf der gesamten Firma Fendt Ende 1996 an den amerikanischen Konzern AGCO habe zunächst bei allen Beteiligten, „auch bei der Gemeinde“, große Unsicherheit ausgelöst. Doch sei es mit der Schlepperproduktion und damit auch dem Werk Bäumenheim aufwärtsgegangen. 2002, kurz bevor Eichhorns Amtszeit endete, sei es gelungen, die schwierigen und lange währenden Grundstücksverhandlungen über den Kauf von weiterem Fendt-Gelände an der Hauptstraße abzuschließen. Ein millionenschwerer Grunderwerb und die Sanierung durch AGCO ermöglichte neue Planungen. Der Weg für die Planungen einer neuen Ortsmitte war frei.
Viele Umstrukturierungen
Die jahrelange Umstrukturierung unseres wichtigen Industriebetriebes hat dazu beigetragen, dass Bäumenheim zu einem modernen Industriestandort wurde. „Fendt fördert Freundschaft“ – ein Slogan, der für Altbürgermeister Hans Eichhorn noch heute gilt.