Wer auf die Seite der Olympischen Spiele www.london2012.com verlinkt, verpflichtet sich, die Olympia-Organisatoren und ihre Aktivitäten nicht "in einer falschen, irreführenden, abwertenden oder anderweitig anstößige Art und Weise" darzustellen. Das sehen zumindest die Nutzungsbedingungen der Seite www.london2012.com vor - unter Punkt 5 der "Terms of use".
Aber kann das Olympische Komitee tatsächlich so vorschreiben, in welchem Kontext auf die Seite der Olympischen Spiele in London verlinkt wird? Und was passiert, wenn man trotzdem auf die Seite verweist? Wir befragten dazu Justitiar Dr. Hans-Peter Anlauf, LL.M., und Verena Dalgas von der Rechtsabteilung der Augsburger Allgemeinen.
Frage: Mal ganz grundsätzlich: Kann ich eigentlich verbieten, dass meine Internetseite verlinkt wird?
Dr. Anlauf: Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Grundsätzlich ist das Setzen von Hyperlinks nach deutschem Recht zulässig. Allerdings können beispielsweise urheberrechtliche und wettbewerbsrechtliche Aspekte dazu führen, dass eine Verlinkung unzulässig ist.
Frage: Wo ist die grundsätzliche Zulässigkeit von Hyperlinks rechtlich geregelt?
Dr. Anlauf: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Leitsatz-Entscheidung "Paperboy" vom 17.07.2003 das Setzen von Hyperlinks für zulässig befunden. Konkret ging es in der Entscheidung um sogenannte Deep-Links. Der BGH hat damals entschieden, dass ein Webseitenbetreiber, der seine Webseite ohne technische Schutzmaßnahmen im Internet öffentlich zugänglich macht, dadurch bereits selbst die Nutzungen ermöglicht, die ein Besucher der jeweiligen Webseite vornehmen kann - und dazu gehören eben auch Verlinkungen per Deep-Links.
Außerdem hat der BGH in seiner Leitsatz-Entscheidung "AnyDVD" vom 14.10.2010 geurteilt, dass die Verlinkung eines durch Presse- und Meinungsfreiheit geschützten Online-Artikels mit einer fremden Webseite zulässig ist, wenn diese Verlinkung dazu dient, einzelne Angaben des Online-Artikels zu belegen.
Frage: Und das ist auf den aktuellen Fall, die Olympia-Seite www.london2012.com, übertragbar?
Dr. Anlauf: Für den deutschen Rechtsraum ja, geht man von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus. Wenn das Organisationskomitee der Olympischen Spiele eine öffentlich zugängliche Webseite ohne jede technische Schutzmaßnahme ins Internet stellt, muss es damit rechnen, dass auf diese Webseite verlinkt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verlinkung aus den Gründen erfolgt, die in der oben zitierten BGH-Entscheidung "AnyDVD" genannt werden. Ob im englischen Recht etwas anderes gilt, kann ich nicht sagen.
Link-Regeln sind "so kaum haltbar"
Frage: In den Nutzungsbedingungen der Seite heißt es aber, dass ich nur unter ganz bestimmten Bedingungen auf die Seite verlinken darf.
Dr. Anlauf: Das dürfte - zumindest wenn man von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgeht - so kaum haltbar sein. Aus mehreren Gründen: Zum einen bewegt sich der Verlinkende ja außerhalb der Webseite, auf die er verlinkt, er "nutzt" sie also nicht im eigentlichen Sinne des Wortes wie ein Besucher. Zum anderen: Selbst wenn man dies anders bewerten wollte, müsste vorher auf die Geltung der "Terms of Use" ausdrücklich hingewiesen worden sein. Schließlich müssten diese "Terms of Use" dem Betroffenen vor der Nutzung konkret zugänglich gemacht worden und seine Einwilligung tatsächlich erfolgt sein. Nur dann wäre überhaupt eine Bindungswirkung beizuführen. Ein Blick auf die Webseite www.london2012.com zeigt aber, dass dies bezüglich der "Terms of Use" nicht erfolgt.
Spektakuläre Abmahnungen im Internet
Mit Abmahnungen im Internet sorgen Firmen, aber auch Privatpersonen häufig für Kopfschütteln und Schlagzeilen - zumal sie oft genug nach hinten losgehen. Hier Beispiele aus den vergangenen Jahren.
Die Gabriel-Abmahnung: Der damalige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnt im Jahr 2006 den Blogger Marcel Bartels ab. Ein Nutzer von Bartels Webseite hat eine satirische Bildmontage von Gabriel hochgeladen. Der Politiker sieht darin seine Persönlichkeitsrechte verletzt.
Die Brötchen-Abmahnung: Ein Blogger veröffentlicht Anfang 2007 auf seiner Webseite ein Foto eines Brötchens. Das hat er allerdings von der Seite marions-kochbuch.de kopiert. Deren Betreiber mahnen den Blogger ab - er soll 6000 Euro bezahlen.
Die Olympia-Abmahnung: Die Betreiber des Saftblogs bekommen eine Abmahnung des Deutschen Olympischen Sportbunds. Die Blogger hätten illegalerweise die olympischen Ringe verwendet - ein markenrechtlich geschütztes Symbol.
Die Bahn-Abmahnung: Im Februar 2009 schickt die Deutsche Bahn dem Betreiber von netzpolitik.org eine Abmahnung. Dessen Betreiber Markus Beckedahl hatte ein internes Memo der Bahn veröffentlicht. Das Unternehmen wirft ihm daraufhin "Verrat von Geschäftsgeheimnissen" vor.
Die Tatzen-Abmahnung: Der Kleidungs-Hersteller Jack Wolfskin geht im Herbst 2009 massiv gegen Hobby-Handarbeiter vor, die im Internet Waren mit Pfotenabdrücken anbieten. Das Tatzen-Logo sei markenrechtlich geschützt, argumentiert die Firma - und gerät dafür in die Kritik.
Die JAKO-Abmahnungen: Die Sportartikelfirma Jako AG mahnt im August 2009 den Blogger "Trainer" Frank Baade wegen unliebsamer Äußerungen ab. Die Abmahnung wird zum PR-Gau. Angesichts des massiven öffentlichen Drucks muss sich die JAKO AG wenig später entschuldigen.
Die Augsburg-Abmahnung: Nur, weil er die Internetadresse augsburgr.de für sich registriert hatte, lässt die Stadt Augsburg 2009 einen jungen Blogger abmahnen. Wenig später rudert die Stadt zurück: Der Blogger muss die Kosten nicht bezahlen.
Inwieweit das englische Recht, das übrigens gemäß Ziffer 14 der "Terms of Use" gelten soll, eine andere Bewertung zulässt, kann ich allerdings nicht sagen. Für diese Klausel gelten meiner Meinung nach die obigen Ausführungen entsprechend.
Es darf auch kritisch berichtet werden
Frage: Was ist also von diesen Link-Vorgaben zu halten?
Dalgas: Der Inhalt von Ziffer 5 der "Terms of Use" der Website www.london2012.com ist - gerade auch unter dem Aspekt der Presse- und Meinungsfreiheit - als bedenklich einzustufen. Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um den Versuch einer Zensur. Gleichzeitig ist sie auch überflüssig. Schließlich sieht das Medienrecht - sicherlich auch im englischen Recht - bereits hinreichend "Leitplanken" für eine rechtlich zulässige Berichterstattung vor.
Frage: Was heißt das nun für mich: Darf ich auch bei kritischer oder abwertender Berichterstattung auf london2012.com verlinken oder nicht?
Dalgas: Solange relevante Vorgaben des Medien- und Presserechts eingehalten werden, darf auch kritisch und pointiert berichtet werden. Derartige Berichte dürfen aber nicht zu sogenannter Schmähkritik führen, also beleidigend werden. Die Grenze der Meinungsfreiheit ist dann erreicht, wenn die Absicht des sich Äußernden im Rahmen seiner Berichterstattung zu diffamieren und herabzusetzen überwiegt. Auch bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt.
Frage: Was könnte mir schlimmstenfalls passieren?
Dalgas: Im Falle medien- und presserechtlich unzulässiger Berichterstattungen droht insbesondere die kostenpflichtige Inanspruchnahme auf Unterlassung. Im Regelfall werden Rechtsanwälte mandatiert, um derartige Unterlassungsansprüche durchzusetzen. Gegebenenfalls kommen weitere (medien-) rechtliche Ansprüche in Betracht, wie Gegendarstellung, Widerruf oder Richtigstellung, unter bestimmten Voraussetzungen sind auch Schadensersatzansprüche möglich.