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Youtube & Co.: Leidende Tiere bringen Millionen Klicks

Youtube & Co.

Leidende Tiere bringen Millionen Klicks

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    Ist die Kamera im richtigen Moment gezückt, können Hundebesitzer zum Beispiel so lustige Aufnahmen machen wie diese - und im Internet Millionen Klicks dafür kassieren.
    Ist die Kamera im richtigen Moment gezückt, können Hundebesitzer zum Beispiel so lustige Aufnahmen machen wie diese - und im Internet Millionen Klicks dafür kassieren. Foto: Robert Schlesinger, dpa

    Ein Hund liegt mit seinem Kauknochen auf einem Sessel. Plötzlich wird er unruhig. Mehrmals beißt er sich ins Bein, dann wieder auf den Knochen. Es scheint, als würde er den Knochen gegen seine eigenen Hinterläufe verteidigen müssen. Weit über vier Millionen Aufrufe hat das Video mit dem Titel „Der dümmste Hund der Welt“ auf Youtube.

    Ein gesunder Hund verhält sich nicht so, sagt der Tierpsychologe

    „Ein gesunder Hund würde sich nicht so verhalten“, sagt Tierpsychologe André Dresel-Edelbrück. Mit seiner mobilen Praxis ist er in Bayern und Baden-Württemberg unterwegs. Seit 30 Jahren beschäftigt er sich mit dem Verhalten von Hund, Katze oder Hamster. „Ein Tier, das sich abnormal verhält, ist krank“, sagt er. Der Tierpsychologe ist den andauernden Hype um Videos von zur Schau gestellten Tieren leid. Wo es geht, meldet er sich in den Kommentarspalten auf Youtube oder Facebook zu Wort: „Ich möchte die Leute aufklären.“ Denn die meisten wüssten nicht einmal, dass viele der vermeintlich lustigen Tiere schlicht krank sind.

    Klicks sind im Internet viel wert

    Haustiere sind manchmal auch unfreiwillig witzig. Ist es okay, ein Video davon zu machen und ins Netz zu stellen?
    Haustiere sind manchmal auch unfreiwillig witzig. Ist es okay, ein Video davon zu machen und ins Netz zu stellen? Foto: Friso Gentsch, dpa

    Klickzahlen sind die Währung des Internets. Und Videos von Tieren garantieren für viele Zuschauer. „Möchtest du dein Haustier berühmt machen?“, steht in der Beschreibung eines Youtube-Kanals für Tiervideos mit über einer Million Abonnenten: „Dann sende uns Videos von deinem Haustier.“ Im Netz wimmelt es von Kanälen, die mit Videos von Tieren Likes generieren. Und damit auch bares Geld. Mit der mittlerweile weltberühmten „Grumpy Cat“ beispielsweise, wurden durch Youtube-Klicks und Werbeeinnahmen viele Million Dollar umgesetzt. Sie leidet an felinem Kleinwuchs, einer Wachstumsstörung. Daher kommt auch der grimmige Blick der Katze, der sie so weltberühmt gemacht hat.

    Grundsätzlich sei es nicht verwerflich, sein Haustier zu filmen und die Videos ins Netz zu stellen, sagt Tierpsychologe André Dresel-Edelbrück. Zur „Schweinerei“ werde dies, sobald sich über offensichtlich kranke Tiere lustig gemacht werde. Viele Videos sind mit Schlagwörtern wie „crazy“ oder „mad“ versehen. Verrückt seien die Tiere aber keineswegs, stellt der Experte klar, sondern krank.

    Der Hund, der sich wie wild im Kreis dreht, habe ein psychisches Problem

    Ein Beispiel seien die Hunde, die sich wie wild im Kreis drehen. Meist hätten diese Tiere ein psychisches Problem. „Irgendwann war so ein Hund einmal in der Bredouille“, sagt Dresel-Edelbrück. Meist habe es bei psychisch auffälligen Tieren – wie beim Menschen – in der Vergangenheit etwas gegeben, das für das auffällige Verhalten verantwortlich ist. War ein Hund beispielsweise für längere Zeit eingesperrt, könne diese Situation ihn auch Jahre später plötzlich wieder belasten und zu einer Psychose führen.

    „In 99 Prozent der Fälle ist das Umfeld entscheidend für das Wohl des Tiers“, sagt Dresel-Edelbrück: „Manche Rassen brauchen nun mal viel Auslauf oder wollen von Natur aus nicht spielen.“ Wenn im sozialen Umfeld der Tiere keine Rücksicht auf deren Veranlagung genommen werde, führe das immer zu Problemen: „Ein Haustier muss körperlich und geistig gefördert werden.“

    Doch nicht immer muss eine psychische Störung der Auslöser für merkwürdiges Tierverhalten sein. Im Netz gibt es beispielsweise den Trend, dass Katzenbesitzer ihre Haustiere mit Gurken überraschen und filmen. Dass die Tiere sich dabei oftmals tatsächlich extrem erschrecken, habe aber nichts mit der Gurke zu tun, erklärt der Experte: „Die Tiere erschrecken, weil sich ihre Umgebung plötzlich verändert.“ Lachen könne er deshalb über die wenigsten solcher Videos.

    Manchmal kann auch der Tierpsychologe lachen

    Doch es gibt auch eine Ausnahme: Über Katzen, die sich beim Absprung von einem Ort zum anderen verschätzen, kann sich selbst der Tierpsychologe amüsieren: „Das ist vollkommen natürlich“, sagt er. „Das machen die auch kein zweites Mal.“ Und außerdem landen Katzen bekanntermaßen ja doch immer wieder auf allen vieren.

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