Der Berliner Rapper Massiv hatte digital aufgerüstet. Die Zahl seiner Twitter-Follower – Nutzer, die seine Meldungen in dem Kurznachrichtendienst verfolgen – hatte sich binnen Wochen auf 100.000 verzehnfacht. Der Rapper hielt nicht hinter dem Berg, wo viele der Fans pünktlich zur Veröffentlichung seines neuen Albums herkamen. „Wer Follower will: Bei Ebay gibt’s Hammer-Angebote“, twitterte er.
Zahl der gekauften Bewertungen steigt
So offen spricht kaum einer der Käufer darüber, doch im Netz blüht ein Handel mit „Likes“, Followern und Kommentaren in sozialen Netzwerken. 1500 Klicks auf den eigenen „Like“-Button auf Facebook gibt es beispielsweise für 92,99 US-Dollar, Lieferung in fünf bis acht Tagen. „Wir liefern jeden Monat mehr als 2,5 Millionen Twitter-Follower“, wirbt ein anderer Anbieter. Das Marktforschungsunternehmen Gartner rechnet damit, dass 2014 zwischen 10 und 15 Prozent der Bewertungen in sozialen Netzwerken gekauft sein werden.
Unternehmen messen an der Anhängerzahl Kampagnen-Erfolge
Das Geschäft laufe erst an, warnt eine Studie des IT-Spezialisten Barracuda Networks. Hintergrund ist, dass die Zahl der Anhänger in den Netzwerken sich zu einer wichtigen Währung entwickelt hat. Unternehmen messen daran den Erfolg ihrer Werbekampagnen, auch Journalisten orientieren sich daran.
„Solange Erfolg an Zahlen geknüpft wird, ist es verführerisch, das über eine Abkürzung zu machen“, sagt der Social-Media-Berater Boris Eldagsen. Er hat beide Seiten des Geschäfts getestet, das er in Vorträgen als „dunkle Seite der Likes“ bezeichnet – Logo im „Star Wars“-Design inklusive. Eldagsen und drei Mitstreiter tragen auf ihrer Webseite „Like Detectives“ Informationen zum Thema zusammen.
Das „Gefällt mir“ kommt von einer Software
Manchmal kommt das „Gefällt mir“ von Facebook-Accounts, die von einer Software (Bot) gesteuert werden. Manchmal sind es Menschen, die für einige Cent auf „Like“ klicken oder einen Kommentar schreiben. „Zurzeit ist der Markt so, dass viele semi-professionelle Anbieter sich gegenseitig das Wasser abgraben“, beobachtet Eldagsen.
Auch auf den Profilen großer Unternehmen finden sich Bot-Fans, wie eine Auswertung des Mailänder Professors Marco Camisani Calzolari zeigte. Im US-Wahlkampf fiel ein sprunghafter Anstieg der Follower des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney auf. Sein Twitter-Konto gewann an einem einzigen Tag fast 117000 Anhänger. Barracuda Networks fand bei vielen von ihnen Indizien, dass es sich um Bots handelt.
Der Fall zeigt ein Problem auf: Wer die mutmaßlich falschen Follower gekauft hat, ist offen. Immerhin wäre es auch denkbar, dass das gegnerische Lager dahintersteckt. Oder eine Agentur, die ohne das Wissen ihres Auftraggebers handelt, um eine vereinbarte Zielmarke zu erreichen. „Der Nachweis ist das große Problem“, sagt Eldagsen.
Facebook geht davon aus, dass es sich nur bei 1,5 Prozent seiner Nutzer um missbräuchlich angelegte Profile handelt. Das Unternehmen hat angekündigt, stärker gegen falsche Likes vorzugehen und sie automatisch zu löschen. dpa