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Datenschutz: Facebook stoppt Gesichtserkennung in Europa

Datenschutz

Facebook stoppt Gesichtserkennung in Europa

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    Die automatische Gesichtserkennung soll nach der Vorstellung von Facebook den Nutzern helfen, ihre Freunde in Fotos zu finden und zu markieren.
    Die automatische Gesichtserkennung soll nach der Vorstellung von Facebook den Nutzern helfen, ihre Freunde in Fotos zu finden und zu markieren. Foto: Jens Büttner dpa

    Facebook stoppt nach Kritik von Datenschützern die umstrittene Gesichtserkennungs-Funktion in Europa. Das Online-Netzwerk erklärte sich bereit, bis zum 15. Oktober alle bisher dafür erstellten Nutzerprofile zu löschen, wie die irische Datenschützbehörde am Freitag mitteilte. Die Funktion sei bereits für alle neuen Nutzer in der Europäischen Union abgeschaltet gewesen und werde jetzt komplett auf Eis gelegt. "Wir glauben weiter, dass man Gesichtserkennung in Europa legal anbieten kann", betonte danach Facebook-Europachef Richard Allan im Gespräch mit der dpa. Er nannte keinen Zeitrahmen, wann die Funktion wieder eingeführt werden könnte.

    Gesichtserkennung soll helfen, Freunde auf Fotos zu finden

    Die automatische Gesichtserkennung soll nach der Vorstellung von Facebook den Nutzern helfen, ihre Freunde in Fotos zu finden und zu markieren. Dabei werden die Bilder von einer Software analysiert und dem Nutzer werden Namen seiner Bekannten vorgeschlagen.

    Unter anderem der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar hatte kritisiert, eine Datenbank mit dem "Gesichtsabdruck" von Millionen Mitgliedern habe ein immenses Risiko- und Missbrauchspotenzial. So forderte er, dass Nutzer ausdrücklich um ihre Zustimmung zur Freischaltung der Funktion gefragt werden müssten. Als Facebook im Juni 2011 die Gesichtserkennung in Deutschland einführte, war sie standardmäßig eingeschaltet und musste erst in den Einstellungen abgewählt werden.

    Was ist ein Shitstorm und wie entsteht er?

    Als Shitstorm wird die öffentliche Entrüstung im Internet bezeichnet, bei der sich Argumente mit Beleidigungen und Bedrohungen mischen.

    Transportiert wird die Empörung über Soziale Online-Netzwerke und Blogs, sie verselbstständigt sich schnell und wird häufig in traditionellen Medien wieder aufgegriffen.

    Der Begriff setzt sich zusammen aus den englischen Wörtern "shit" (Scheiße) und "storm" (Sturm). Eine Gruppe von Sprachwissenschaftlern um Prof. Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin hat Shitstorm zum Anglizismus des Jahres 2011 gekürt.

    Wenn sich ein Shitstorm zusammenbraut, kann das verschiedene Ursachen haben. "Es gibt unterschiedliche Ausgangslagen", sagt der Social-Media-Experte Bernhard Jodeleit.

    Der Sturm werde oft gezielt von Kritikern initiiert, könne aber auch durch eine ungeschicktes Verhalten, ein Versehen oder mangelnde Sensibilität ausgelöst werden.

    Oft reichen ein einzelner Kommentar, Facebook-Eintrag oder ein Blogeintrag, um die geballte Empörung der Nutzer zu provozieren.

    Facebook: Kompletter Neustart mit Löschung aller Gesichter

    Facebook hatte in den vergangenen Monaten immer wieder betont, die Fotomarkierungs-Funktion sei aus Sicht des Netzwerks vollkommen konform mit den europäischen Datenschutzbestimmungen. Die irischen Datenschutzbehörde verlangte aber nach Konsultationen mit ihren Kollegen in anderen Ländern Änderungen an dem Verfahren. "Die irischen Datenschützer haben betont, dass sie nicht glauben, dass wir etwas illegales getan haben", schränkte Facebook-Europachef Allan ein. Zugleich hätten sie aber mit Nachdruck ein Verfahren empfohlen, bei dem Nutzer der Funktion zustimmen müssen. Facebook habe sich daher für einen kompletten Neustart mit der Löschung aller bisheriger Gesichtsmuster entschieden, um für klare Verhältnisse zu sorgen.

    Die irische Datenschutzbehörde ist für die Kontrolle von Facebook in Europa zuständig, weil der US-Konzern in dem Land sein europäisches Hauptquartier angesiedelt hat. Sie legte am Freitag den aktuellen, fast 200 Seiten starken Prüfbericht vor. Die Datenschützer zeigten sich weitgehend zufrieden damit, wie ihre Empfehlungen von Dezember 2011 umgesetzt wurden.

    Facebook-Partys und ihre Folgen – eine Chronik

    Juni 2011: Auf ungewollte Art und Weise lädt die 15-jährige Thessa aus Hamburg-Bramfeld auf Facebook ein Millionenpublikum zu ihrem 16. Geburtstag ein und verspricht die „Party des Jahres“.

    Etwa 15.000 Menschen aus ganz Deutschland kündigen sich via Facebook an, 1600 kommen tatsächlich in das beschauliche Wohngebiet.

    Tessa selbst ist gar nicht zu Hause, die Eltern engagieren einen privaten Sicherheitsdienst, um das Haus abzusichern. Die Polizei ist mit vielen Beamten vor Ort, dennoch kommt es zu Ausschreitungen.

    Elf Personen werden wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Widerstand gegen die Polizei vorübergehend festgenommen.

    Im Landkreis Fürth lädt eine 14-Jährige zu einer Party ins Haus der Großeltern, die gerade verreist sind. 70 ungebetene Gäste kommen, randalieren und betrinken sich zum Teil bis zur Besinnungslosigkeit.

    In Wuppertal gerät ein kleines Straßenfest außer Kontrolle: 800 Leute folgen einem Aufruf bei Facebook und wollen mitfeiern. Die Lage eskaliert und die Polizei wird mit Feuerwerkskörpern beschossen. Bilanz: 41 Festnahmen und 16 Verletzte.

    23. Juli 2011: Im Saarland lädt ein 16-Jähriger irrtümlich öffentlich zu einer Hausparty. Er sagt die Party zwar wieder ab und verreist mit den Eltern. Trotzdem kommen bis zu 2000 Feierwütige und hinterlassen in dem Wohngebiet 50.000 Euro Schaden.

    30. Mai 2012: Rund 120 Jugendliche verabreden sich spät abends im Riemer Park in München, um einen Geburtstag zu feiern. Erst ein Großaufgebot der Polizei kann die Lage unter Kontrolle bringen.

    8. Juni 2012: Ein 18-Jähriger lädt 3000 Leute zu einer Party in die Wohnung eines gleichaltrigen Ebersbergers ein. 150 Jugendliche kommen, 30 von ihnen randalieren in der Wohnung des 18-Jährigen. Die Gruppe zieht danach durch die Ebersberger Innenstadt und randaliert dort ebenfalls.

    Datenschützer: "Facebook muss immer noch nachbessern"

    Nach wie vor müsse Facebook aber unter anderem bei den Datenschutz-Informationen für bestehende Nutzer nachbessern und besser dafür sorgen, dass beim gezielte platzierte Werbeanzeigen sich nicht auf Datenschutz-rechtlich relevante Kategorien beziehen. Facebook werde dazu in den kommenden Wochen Vorschläge vorlegen und die Einhaltung bereits bestehende Regelungen demonstrieren, kündigte Allan an.

    Der Europachef hob das insgesamt positive Fazit der irischen Datenschützer hervor: "Wir sind sehr zufrieden mit den erzielten Fortschritten." Das zeige auch, dass es der richtige Weg sei, vor allem zentral mit der Datenschützbehörde am europäischen Sitz des Unternehmens zu kommunizieren. Zugleich sei Facebook auch im Dialog mit Datenschützern in einzelnen Ländern wie Thilo Weichert aus Schleswig-Holstein. Er versucht, gegen Facebooks "Gefällt mir"-Button vorzugehen.

    Ministerium spricht von Erfolg für den Verbraucherschutz

    Das Bundesverbraucherschutzministerium sprach am Freitag von einem Erfolg für den Verbraucherschutz: "Dass Facebook unter massivem Druck der europäischen Datenschutzbehörden seine Praxis ändert, belegt, dass es bereits nach geltendem Recht Möglichkeiten gibt, auch die globalen Player zur Einhaltung des Rechts zu verpflichten."

    Der Facebook-Entscheidung, bei der Gesichtserkennung "die Uhr neu zu starten" seien monatelange intensive Gespräche zum Teil bis tief in die Nacht geführt worden, sagte der Vize-Chef der irischen Behörde, Gary Davis. Aus seiner Sicht sind nun alle Probleme mit der Funktion ausgeräumt. Für den Einsatz der Gesichtserkennungs-Funktion außerhalb Europas gibt es keine Auswirkungen. dpa/AZ

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