Es ist eine Lüge, die Facebook teuer zu stehen kommt: Drei Jahre nach der Übernahme des beliebten Messenger-Dienstes Whatsapp muss Facebook noch einmal tief in die Tasche greifen: 110 Millionen Euro Strafe hat die Brüsseler EU-Kommission dem sozialen Netzwerk gestern aufgebrummt. Man fühle sich betrogen. „Abschreckung“, „irreführende Angaben“, „vorsätzlich unrichtige Informationen“ – die Stellungnahme der europäischen Behörde wimmelt nur so von Vorwürfen an den US-Konzern. Es ist nicht nur ein einzigartiger Vorgang in der Geschichte der europäischen Fusionskontrolle, sondern auch ein besonders eklatanter.
2014 hatte Facebook Whatsapp übernommen und diesen Schritt ordnungsgemäß Brüssel zur Genehmigung vorgelegt. Doch sowohl in dem Anmeldeschreiben der Fusion wie auch in der Stellungnahme, die die Kommission einforderte, nahm der US-Konzern es mit der Wahrheit nicht wirklich genau. Facebook behauptete nämlich, dass ein „zuverlässiger automatischer Abgleich zwischen den bei Facebook beziehungsweise Whatsapp vorhandenen Benutzerkonten“ nicht möglich oder beabsichtigt sei – eine glatte Lüge.
Facebook muss 110 Millionen Euro zahlen
Das ist WhatsApp
WhatsApp wird 2009 in Santa Clara, Kalifornien, von Jan Koum und Brian Acton gegründet.
WhatsApp ist eine Anwendung (App) für Smartphones. Mit dem Messenger können Nutzer Nachrichten austauschen.
Zusätzlich zum normalen Nachrichtendienst können WhatsApp-Nutzer Gruppen erstellen und sich Bilder, Video- und Audiodateien zuschicken. Auch eine Anruf-Funktion gibt es.
WhatsApp Messenger ist für iPhone, BlackBerry, Windows Phone, Android und Nokia erhältlich.
Anfang 2014 übernimmt Facebook WhatsApp für 19 Milliarden US-Dollar.
Seit Januar 2015 gibt es eine browsergestützte Version von WhatsApp, mit der auf bestehende Nachrichten zugegriffen werden kann.
Anfang 2016 teilte das Unternehmen mit, über eine Milliarde aktive Nutzer zu haben.
Nachdem zwischenzeitlich Gebühren von 89 Cent pro Jahr für WhatsApp eingeführt wurden, ist der Messenger seit 2016 wieder kostenlos.
2016 forderten die beiden Häuser von ihren Nutzern die Zustimmung zu genau dieser Verbindung. Die Kommission schritt ein und bezeichnete das Verhalten gestern als „schwerwiegende Zuwiderhandlung“ und Verstoß gegen die Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben vorzulegen. Mehr noch: In beiden Häusern, so betonte ein Kommissionssprecher gestern, sei schon bei der Übernahme bekannt gewesen, dass dieser Abgleich durchaus technisch möglich und beabsichtigt war. Aus Furcht vor einer Ablehnung der Fusion habe man Brüssel lieber nicht die volle Wahrheit sagen wollen.
Doch das Manöver ging nun schief. Denn EU-Kontrolleure argwöhnten schon 2014, dass die Kundendaten durchaus automatisch angeglichen werden könnten, hieß es aus dem Ressort der Brüsseler Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Trotzdem habe die Behörde den Zusammenschluss grundsätzlich genehmigt. Die Tatsache, dass man mit falschen Angaben gefüttert worden war, dürfe nicht ungestraft bleiben. Facebooks Bußgeld fällt auch deswegen mit 110 Millionen Euro besonders drastisch aus, weil eine „abschreckende Wirkung erreicht werden“ solle. Auf Twitter ergänzte Kommissarin Vestager: „Wir brauchen korrekte Angaben, um unseren Job machen zu können.“
Facebook gibt sich kleinlaut und will das Bußgeld zahlen
Das ist Facebook
Facebook ist nach wie vor das wichtigste soziale Netzwerk der Welt. Zahlen und Fakten:
Facebook gibt es seit Februar 2004.
Das weltweit beliebteste soziale Netzwerk zählt mehr als 2 Milliarden Mitglieder (Stand Ende 2017).
Gegründet wurde das Unternehmen vom Amerikaner Mark Zuckerberg. Über ihn und seine Idee erschien 2010 der Film "The Social Network".
Auf ihren persönlichen Profilseiten können die Facebook-Nutzer Nachrichten, Bilder oder Links verbreiten.
Die Nutzung ist kostenlos. Einnahmen werden nur über das (personalisierte) Werbegeschäft erwirtschaftet.
Seit Februar 2014 gehört auch der beliebte Messenger Whatsapp zu Facebook.
Datenschützer sehen Facebook wegen seiner gewaltigen Datensammlung kritisch.
Facebook gab sich gestern zunächst kleinlaut und erklärte: „Wir haben seit den allerersten Kontakten zur Kommission nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt und versucht, zu jeder Zeit korrekte Informationen zu liefern.“ Fehler seien keine Absicht gewesen, ergänzte ein Sprecher. Die Last der Vorwürfe ist jedoch so erdrückend, dass der Konzern die Millionenstrafe akzeptierte und zahlen will. Das Geld fließt in den EU-Etat und mindert die Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten.
In Deutschland hatte das Landgericht Hamburg erst im April die Weitergabe von Whatsapp-Daten an das Facebook-Mutterhaus ohne ausdrückliche Zustimmung der Nutzer untersagt. Die Entscheidung blieb aber umstritten, weil sie nur für die Zeit ab dem Urteil galt. Bereits gespeicherte Angaben durften Facebook und Whatsapp behalten.
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