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Region: "Zukunft ohne Bundeswehr": Die Kasernen-Schließungen in Bayern

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"Zukunft ohne Bundeswehr": Die Kasernen-Schließungen in Bayern

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    Der Blick aus luftiger Höhe in Richtung Westen zeigt, welche gewaltige Fläche die Bundeswehr auf dem Donauwörther Schellenberg aufgegeben hat.
    Der Blick aus luftiger Höhe in Richtung Westen zeigt, welche gewaltige Fläche die Bundeswehr auf dem Donauwörther Schellenberg aufgegeben hat. Foto: Ulrich Wagner (AZ)

    Von „Schock“ und „schwerem Schlag“ war in einigen schwäbischen Rathäusern am 26. Oktober 2011 die Rede. Von „großen Chancen“ wird heute gesprochen. Vor knapp drei Jahren hatte der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) seine „Giftliste“ mit Schließungen und Reduzierungen von Bundeswehrstandorten präsentiert. Es galt, die Truppenstärke nach dem Wegfall der Wehrpflicht von 250000 auf 185000 Soldaten zu senken. Deutschlandweit am stärksten betroffen ist der Freistaat Bayern. Dort sollen 10500 Stellen wegfallen. Innerhalb Bayerns wiederum muss der Regierungsbezirk Schwaben die stärksten Einschnitte verkraften – rund 5600 Posten fallen weg.

    Längst haben die Städte Donauwörth, Kaufbeuren und Kempten die Herausforderung „Zukunft ohne Bundeswehr“ angenommen. Immerhin übernimmt der Freistaat bis zu 80 Prozent der Planungskosten. Ansprechpartner für den Verkauf oder die Weiternutzung der Areale ist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima). Die Kommunen haben ihre Forderungen nach einem Vorkaufsrecht für die Flächen durchgesetzt. Kaufverhandlungen haben jedoch bisher in keinem Fall begonnen. Diese Zeitung hatte bereits im Mai 2013 eine Übersicht über den Stand der Konversions-Projekte vorgelegt. Seitdem hat sich einiges getan:

    Ein Konzept für die Nutzung der Fläche muss stehen

    In Sachen Konversion ist Donauwörth in ganz Bayern mit am weitesten. Bereits am 28. Februar 2014 sperrte Hauptmann Michael Langlotz die Delp-Kaserne endgültig zu. Ein symbolischer Akt, der das Ende der Bundeswehr-Präsenz auf dem Schellenberg markierte – und den letzten Arbeitstag von Hauptmann Langlotz. Das 30 Hektar große Gelände, auf dem einst bis zu 2000 Soldaten Dienst taten, gehört dem Bund. Die Stadt will die Erstzugriffsoption ziehen, um das Kasernengelände zu kaufen.

    Das Prozedere für den Erwerb der Flächen ist gesetzlich geregelt. Die Kommune legt ein Konzept für die Nachnutzung der Fläche vor. Darin müssen alle Daten enthalten sein, die für die Ermittlung des Wertes des Areals erforderlich sind. Dann ist wieder die Bima am Zuge, die einen unabhängigen Sachverständigen damit beauftragt, ein Wertgutachten zu erstellen.

    Natürlich sind auch Fristen zu beachten. Das gesamte Verfahren, also der Zeitraum von der Ausübung der Erstzugriffsoption durch die Kommune bis zur notariellen Beurkundung des Kaufvertrages, soll nicht länger als zwei Jahren dauern. Flexible Zahlungsmodelle sollen dafür sorgen, dass die Städte sich finanziell nicht übernehmen. Scheitern die Verhandlungen, kann die Bima an private Investoren verkaufen. Der geschäftsführende Beamte der Stadt, Richard Lodermeier, ist sich sicher, dass es so weit nicht kommen wird: „Ich gehe davon aus, dass Anfang 2015 erfolgreiche Verhandlungen mit der Bima beginnen.“

    Dienstleister sollen sich auf dem Schellenberg ansiedeln

    Geplant ist auf dem Schellenberg eine „behutsame“ Wohnbebauung mit Dienstleistern und Platz für Sport. An Vorschlägen und Plänen für die Fläche, die doppelt so groß wie die Altstadt ist, fehlt es nicht. Neben dem europaweiten Wettbewerb für junge Architekten „Europan“ beteiligt die Stadt ihre Einwohner über eine Bürgerwerkstatt an der Detailplanung. Entscheidungen sind noch nicht gefallen.

    Das gilt auch für den ebenfalls verwaisten, riesigen Standortübungsplatz im Nordwesten Donauwörths. Auf 162 Hektar hat sich eine fast unberührte Natur mit Wald und Heidewiesen entwickelt. Die Initiative Heide-Allianz Donau-Ries setzt sich für den Erhalt des Idylls ein. Die Stadt hatte Interesse an dem Gelände signalisiert. Doch: „Der Bund will die Fläche vorerst im Eigentum behalten – eventuell als Ausgleichsfläche für Bauprojekte“, sagt Lodermeier.

    Soldaten könnten noch weiter in Kaufbeuren bleiben

    Es ist nicht offiziell, doch im Rathaus gilt als ausgemachte Sache, dass Kaufbeuren länger als vorgesehen Bundeswehr-Standort bleibt. „Natürlich freuen wir uns über jeden Tag, den wir die Soldaten länger bei uns haben“, sagt Wirtschaftsreferent Siegfried Knaak. Von einst 1160 Dienstposten sind noch rund 550 besetzt. Doch es gibt einen anderen, weniger erfreulichen Aspekt: „Es ist für uns natürlich schwer, mit Interessenten zu verhandeln, wenn wir keinen konkreten Zeitplan für den Abzug der Truppe vorlegen können.“

    Beispiel ADAC. Der Automobilclub erwägt, ein Testgelände für Fahrerassistenz-Systeme auf dem Gelände des Fliegerhorsts einzurichten. Knaak kann zwar das wunderbare Bergpanorama anpreisen, das die 230 Hektar große Fläche prägt, aber er kann nicht sagen, wann die Truppe das Areal freigibt. Ursprünglich wollte die Bundeswehr den Flugplatz bis Ende 2017 räumen. Doch aktuell sieht es so aus, dass Teile des Ausbildungszentrums für Techniker mindestens noch bis 2020 bleiben werden. Hintergrund: Die Verlegung des Zentrums nach Lagerlechfeld macht dort Bauarbeiten nötig, die nicht vor 2016 beginnen sollen.

    Ausbildungsstätte für Fluglotsen der Bundeswehr in Planung

    Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) setzt trotz der Verzögerung auf den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Luftfahrt und Fahrzeugtechnik. Die schlechte Anbindung Kaufbeurens an das Fernverkehrsnetz ließ Visionen von einem großen Gewerbegebiet mit überregionaler Bedeutung von vornherein als unrealistisch erscheinen. So rückten die Themen Bildung, Schulung und Forschung in den Vordergrund.

     Als „eine spannende Alternative“ für die Nach-Bundeswehr-Ära bezeichnete Bosse recht konkrete Pläne, dass die Deutsche Flugsicherung, die dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist, als privater Betreiber Fluglotsen für die Bundeswehr und die freie Wirtschaft in Kaufbeuren ausbilden könnte. An Räumen für Schulungen herrscht auf dem Gelände kein Mangel. Die Hoffnungen auf eine Außenstelle der Hochschule Kempten mit dem Studienzweig „Gesundheit und Generationen“ mit 600 Studierenden, die Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) der Stadt gemacht hatte, scheinen sich dagegen zu zerschlagen. Das bayerische Wissenschaftsministerium ließ erkennen, dass es neuen Außenstellen von Hochschulen generell skeptisch gegenübersteht.

    Die Bundeswehr bleibt auch noch länger in Kempten stationiert

    Auch Kempten bleibt die Bundeswehr länger erhalten, als geplant. Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU) rechnet damit, dass sich die Streitkräfte, die einst 870 Dienstellen in der größten Stadt des Allgäus unterhielten, „nicht vor 2018“ verabschieden. Eigentlich sollte im 3. Quartal 2016 Schluss sein. Die geplante Verlegung der Einheiten nach Dornstadt bei Ulm verzögert sich jedoch wegen des schlechten baulichen Zustandes der dortigen Rommelkaserne. Kiechle gibt sich dennoch gelassen: „Das ist nicht dramatisch, wenn man weiß, dass sich die Konversion über einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren erstrecken dürfte.“

    Kempten, das mit ausgezeichneten Verkehrsanbindungen glänzt, setzt in erster Linie auf Gewerbe für das Gelände der Artillerie-Kaserne. Etwas weiter nördlich, nahe der Kaufbeurer Straße, sollen Wohnungen entstehen. Auf dem Gelände des Lazaretts am Haubensteinweg wäre Platz für die Hochschule. Insgesamt geht es um 23 Hektar im Stadgebiet. „Die Nachfrage ist da. Jetzt hoffe ich, dass das gesamtwirtschaftliche Umfeld auch 2018 oder später noch günstig ist“, sagt Kiechle.

    Bis 2019 soll die Kaserne von Sonthofen auf der Burg sein

    Von einer „Jahrhundertchance“ für Sonthofen sprach der frühere Bürgermeister Herbert Buhl (Freie Wähler). Auch Nachfolger Christian Wilhelm, ebenfalls Freie Wähler, ist optimistisch, dass die Stadt den Wegfall von rund der Hälfte der einst 1200 Dienstposten der Bundeswehr gut verkraften wird. „Die Bürger sehen enorme Chancen“, sagt er. Die Zukunft der Bundeswehr in Sonthofen liegt auf der „Burg“ – der hoch über der Stadt gelegenen Generaloberst-Beck-Kaserne (GOB). Auf dem Areal der 1934 errichteten NSDAP-Ordensburg soll die „Schule ABC-Abwehr und Gesetzliche Schutzaufgaben“ unterkommen. Teile des „Zentrums Brandschutz“ der Bundeswehr sind dort bereits in Betrieb. 200 Millionen Euro sollen auf dem Gelände der GOB-Kaserne verbaut werden.

    „Es heißt offiziell, dass 2019 alles oben auf der Burg ist“, sagt Wilhelm. Denn erst, wenn „alles oben“ ist, können die Pläne für die weitere Nutzung der zentral gelegenen Jägerkaserne verwirklicht werden. Dort soll eine Mischung aus Wohnbebauung und Gewerbe entstehen. Aber auch eine Stadthalle, ein Vereinsheim, ein Feuerwehr- und Rettungszentrum sind vorgesehen. Alles Schritt für Schritt, um die Stadt finanziell nicht zu überfordern.

    Während einige gut erhaltene Gebäude der Jägerkaserne in das Konzept eingefügt werden sollen, gibt es für die marode Bebauung auf dem Areal der Grüntenkaserne keine Zukunft. Dort sollen Wohnhäuser sowie eine parkähnliche Anlage für die Bürger der Stadt entstehen. Allerdings vertraut Wilhelm dem Zeitplan des Verteidigungsministeriums nicht blind. So wurde der Plan, sich mit den Flächen der Grüntenkaserne um die Landesgartenschau 2022 zu bewerben, aufgegeben. „Das schien uns dann doch zu knapp und zu riskant. Vielleicht bewerben wir uns 2024.“

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