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NSU-Prozess: Zschäpes Brief an Dortmunder Neonazi sorgt für Wirbel

NSU-Prozess

Zschäpes Brief an Dortmunder Neonazi sorgt für Wirbel

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    Ob Beate Zschäpes 26-seitiger Brief an einen Bielefelder Häftling in den Prozess aufgenommen wird, muss jetzt geprüft werden.
    Ob Beate Zschäpes 26-seitiger Brief an einen Bielefelder Häftling in den Prozess aufgenommen wird, muss jetzt geprüft werden. Foto: dpa

    Während die mutmaßliche NSU-Terrorisitin Beate Zschäpe vor Gericht nach wie vor schweigt, hat sie sich in einem 26-seitigen Brief einem Mithäftling anvertraut. Wie die Süddeutsche Zeitung am Samstag berichtet, könnte das Schriftstück zu einem großen Problem für Zschäpes Verteidigung werden. Nebenkläger wollen den Brief in das laufende Verfahren einbringen.

    In dem Brief an einen Mann, der seit 2007 in der JVA Bielefeld seine Haftstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung absitzt, brach Zschäpe aber ihr Schweigen. Handschriftlich berichtet sie auf 26 Seiten über ihre Gedanken, ihre Gefühle und den Prozess.

    Empfänger von Zschäpes Brief hat rechtsextremen Hintergrund

    Obwohl die mutmaßliche NSU-Terrorisitin den Empfänger ihre Briefes bis zu ihrem Briefkontakt in diesem Jahr noch gar nicht kannte, hat sie sich Robin S. anvertraut.

    Laut Süddeutscher Zeitung hat S. bei einem Überfall auf einen Lebensmittelmarkt als 20-Jähriger mehrfach auf einen gebürtigen Tunesier geschossen. Vor seiner Inhaftierung habe S. der rechtsextremistischen Szene in Dortmund angehört.

    Zschäpes Brief könnte politisch und juristisch hochrelevant werden

    Doch Zschäpes Brief an S. gewährt nicht nur einen Einblick in das Gefühlsleben der Angeklagten. Das Schriftstück ist sowohl politisch als auch juristisch hochrelevant. Offensichtlich hat S. den Kontakt mit Zschäpe gesucht, in seinem ersten Brief ihren Mut gelobt.

    In ihrem Brief wiederum dankt Zschäpe ihm für seinen Mut, mit ihr in Kontakt getreten zu sein, obwohl eine Verhandlung über eine vorzeitige Entlassung des Gefangenen anstehe. Sie äußert ihre Zweifel an einem fairen Prozess, geschürt durch die Äußerungen der Kanzlerin bei einem Besuch in der Türkei. Dort versprach Merkel eine vollständige Aufklärung der NSU-Affäre. Zschäpe fühlt sich vorverurteilt, auch vom Bundesinnenminister.

    Verteidigung könnte durch den Brief Probleme bekommen

    In ihrem Brief offenbart Zschäpe außerdem Gedanken über ihr bisheriges Leben. So soll sie laut Süddeutscher Zeitung ihrem Briefpartner berichtet haben, ihr Leben sei eine Reise durch den Wahnsinn gewesen, durch Licht und Dunkelheit. Aber da das nun einmal ihr Leben sei, müsse sie diese Bürde erhobenen Hauptes tragen. Damit liefert die Angeklagte, die vor Gericht unnahbar und unergründlich wirkt, eine Erklärung für ihr Verhalten.

    Für ihre Verteidigung ist der Brief, den sie im März noch vor Beginn des Prozesses schrieb, ein Problem. Ihre Anwälte könnten die Strategie geplant haben, sie als eine Frau darzustellen, die der rechten Szene längst entsagt hat. Da passt ein solcher Brief nicht ins Bild.

    Nebenkläger fordern Einbeziehen des Briefes in den NSU-Prozess

    Die Nebenkläger dagegen, so die Süddeutsche Zeitung, fordern jetzt, den Brief in das Verfahren aufzunehmen. Rechtsanwalt Jens Rabe, der Semiya Simsek vor Gericht vertritt, sagt: "Es ist an der Tagesordnung, dass beschlagnahmte Briefe von Häftlingen verlesen werden. So ein Brief kann die Persönlichkeit der Angeklagten aufhellen.

    Auch Forderungen nach der Vorladung von Zschäpes Brieffreund werden laut. "Vielleicht weiß er noch mehr über die Haltung von Frau Zschäpe, da gibt es spannende Aspekte", so die Münchner Anwältin Angelika Lex gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

    Versteckte Zschäpe Nazi-Codes in ihrem Brief?

    Das ist Beate Zschäpe

    Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.

    Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.

    Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.

    Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.

    Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.

    Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.

    Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.

    Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.

    Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.

    Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.

    Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".

    In dem Schreiben, so Anwalt Sebastian Scharmer, versteckt Zschäpe sogar mögliche politische Codes. "Plötzlich schreibt sie darüber, dass man bei 18 Grad nicht frieren wolle. Das ergibt an dieser Stelle keinen Sinn."

    In der Neonazi-Szene ist die Zahl 18 ein gängiger Code für Adolf Hitler - der erste Buchstabe des Alphabets A und der achte H. Die Zahl kann aber, so die Süddeutsche Zeitung, auch eine Anspielung auf Combat 18 sein, eine militante Gruppe von Neonazis.

    JVA Bielefeld wurde misstrauisch bei Zschäpes Brief

    Obwohl die Nebenkläger den Brief als überaus wichtig betrachten - für das Oberlandesgericht München war das Schriftstück nicht von Relevanz. Das OLG, das Zschäpes Post kontrolliert, gab den Brief ohne Beanstandung weiter. Erst in der JVA Bielefeld wurde man darauf aufmerksam, dass da ein Austausch zwischen einem Häftling mit rechtsextremen Hintergrund und Deutschlands bekanntester Angeklagter im Gange ist.

    Der Brief wurde beschlagnahmt und nach München weitergeleitet. Gerichtssprecherin Andrea Titz berichtet, der Senat habe den Brief noch nicht auf seine Relevanz geprüft. "Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass etwas versäumt wurde oder übersehen", so Titz. Über die Bedeutung des Briefes könne man bislang noch nicht urteilen.

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