Im Münchner NSU-Prozess hat die Verteidigung der Hauptangeklagten Beate Zschäpe erneut einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellt. Götzl habe bei einer Zeugenvernehmung am Donnerstag den Eindruck erweckt, "dass das Ergebnis, welches die Hauptverhandlung erst erbringen soll, in der Vorstellung des Vorsitzenden bereits feststeht".
Der wegen Beihilfe angeklagte Ralf Wohlleben schloss sich dem Antrag Zschäpes an. Es ist der sechste Befangenheitsantrag in dem Verfahren, das sich bereits über 165. Verhandlungstage zieht.
Zschäpe-Verteidiger attackieren Vorsitzenden Richter Götzl
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
Entzündet hatte sich der Konflikt an der Zeugenaussage eines Thüringer Kripo-Ermittlers. Er hatte 1996 an einer Vernehmung Zschäpes teilgenommen. An deren Inhalt konnte er sich am Donnerstag nicht mehr erinnern. Als Richter Götzl begann, ihm Passagen des damaligen Vernehmungsprotokolls vorzutragen, unterbrachen ihn die Verteidiger. In der Begründung ihres Antrags warfen sie ihm einen "verkappten Urkundsbeweis" vor.
Anklage und Nebenklage nahmen den Richter in Schutz und warfen der Verteidigung vor, die "Verhandlungsführung an sich zu reißen", die nach dem Gesetz allein dem Vorsitzenden zustehe. Außerdem habe sich der Zeuge auch nach mehr als 18 Jahren noch an Einzelheiten erinnert, die nicht protokolliert waren - etwa, dass er während einer Pause "Smalltalk" mit Zschäpe gehalten habe.
NSU-Prozess soll trotzt Befangenheitsantrag vorerst weitergehen
Bundesanwalt Herbert Diemer forderte, den Prozess bis zur Entscheidung über den Befangenheitsantrag fortzusetzen, was die Verteidigung aber ebenfalls ablehnte. Das Verfahren soll kommende Woche dennoch planmäßig weiterlaufen. Als Zeugen sind dann Mitglieder der rechtsradikalen Chemnitzer Unterstützerszene geladen, die dem NSU-Trio nach seinem Abtauchen geholfen haben sollen.
Am Vormittag hatte eine Sprachwissenschaftlerin des Bundeskriminalamtes als Zeugin ausgesagt. Sie hatte geprüft, ob Zschäpe einen Propagandatext des NSU mitverfasst hatte. In diesem sogenannten "NSU-Brief" hatte die Gruppe das Motto "Taten statt Worte" propagiert. Laut ihrer Analyse ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass Zschäpe daran mitgeschrieben hat. Es sei aber auch nicht bewiesen. dpa