Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe muss sich womöglich nicht vor den Ergebnissen eines Vergleichs eigener Briefe mit einem NSU-Manifest fürchten. Eine Stellungnahme einer Expertin des Bundeskriminalamts, die das Münchner Oberlandesgericht vorab für den Prozess um die Verbrechen der Terrororganisation "NSU" erbeten hatte, weckt einige Zweifel. Es ist fraglich, ob ein solcher Textvergleich allzu aussagekräftig wäre.
Der NSU-Prozesstag am Mittwoch fiel wegen Krankheit Zschäpes komplett aus. Bereits am Dienstag hatte die 39-Jährige nach nur einer guten halben Stunde über Übelkeit geklagt - der Prozess wurde unterbrochen. Als Grund für die Übelkeit hatte Zschäpe im Gespräch mit dem Arzt eine Nachricht angegeben, die sie am Dienstag vor Sitzungsbeginn erhalten habe. Genauere Angaben dazu machte sie allerdings nicht.
Expertin: Unklar, ob Zschäpe nachgewiesen werden kann, dass sie Co-Autorin ist
In dem BKA-Vermerk zum Textvergleich heißt es, es sei zwar nicht grundsätzlich auszuschließen, dass damit Aussagen über eine mögliche Co-Autorenschaft Zschäpes an dem NSU-Manifest getroffen werden könnten. Andererseits listet die Expertin zahlreiche Probleme auf, die einen solchen Vergleich erheblich erschwerten.
So sei das NSU-Papier insgesamt nicht markant, sondern setze sich aus verbreitet vorkommenden Fehlern und häufig zu findenden Stilmerkmalen zusammen.
Gericht will möglicherweise Zschäpes Briefe untersuchen
Am Dienstagabend war bekanntgeworden, dass das Gericht möglicherweise drei Briefe Zschäpes an einen inhaftierten Gesinnungsgenossen in Nordrhein-Westfalen beschlagnahmen will - darunter ein neues, bisher unbekanntes Schreiben von Mitte April.
Hintergrund sind Anträge, ein solches vergleichendes Sprachgutachten erstellen zu lassen. Unter Prozessbeteiligten wurde am Mittwoch spekuliert, ob die angedrohte Beschlagnahme Auslöser für Zschäpes Kreislaufprobleme sein könnte.
In einer Expertise im Auftrag des Magazins Stern waren Fachleute zu dem Schluss gekommen, dass Zschäpe "mit hoher Wahrscheinlichkeit" Co-Autorin des NSU-Dokuments ist - was sie im Prozess weiter belasten würde. Das Papier zeugt von der rassistischen Ideologie des NSU.
Zschäpe verhandlungsunfähig: Prozesstag fiel aus
Der rege Briefwechsel zwischen Zschäpe und dem inhaftierten Gesinnungsgenossen Robin S. war 2013 bekanntgeworden. Die Briefe der mutmaßlichen Neonazi-Terroristin hatten wegen ihres teilweise sehr intimen Inhalts Aufsehen erregt.
Am Mittwoch wurde Zschäpe von einer Ärztin der JVA München-Stadelheim für verhandlungsunfähig erklärt - auch wenn einige Testergebnisse noch ausstünden. Der Grund: "Verdacht auf beginnenden Infekt mit unklarer Kreislaufreaktion". Ob Zschäpe am Donnerstag weiterhin verhandlungsunfähig sein könnte, ließ die Ärztin offen.
Das ist Beate Zschäpe
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena geboren. Dem Hauptschulabschluss folgte eine Ausbildung als Gärtnerin.
Von Mitte 1992 bis Herbst 1997 ging Beate Zschäpe einer Arbeit nach, zweimal unterbrochen von Arbeitslosigkeit. So steht es in einem Bericht des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer für die Thüringer Landesregierung. «Ihre Hauptbezugsperson in der Familie war die Großmutter», heißt es weiter.
Mit dem Gesetz kam Zschäpe erstmals als 17-Jährige in Konflikt. Der Schäfer-Bericht vermerkt 1992 mehrere Ladendiebstähle. 1995 wurde sie vom Amtsgericht Jena wegen «Diebstahls geringwertiger Sachen» zu einer Geldstrafe verurteilt.
Zu der Zeit war sie aber häufiger Gast im Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla, bald an der Seite des Rechtsextremen Mundlos. Über das ungewöhnliche Dreiecksverhältnis zwischen ihr, Mundlos und Böhnhardt ist viel spekuliert worden.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt beteiligten sich zu der Zeit an Neonazi-Aufmärschen im ganzen Land.
Im Alter von 23 Jahren verschwand die junge Frau mit den beiden Männern aus Jena von der Bildfläche. Zuvor hatte die Polizei ihre Bombenbauerwerkstatt in der Thüringer Universitätsstadt entdeckt.
Danach agierte Zschäpe mit einer Handvoll Aliasnamen: Sie nannte sich unter anderem Silvia, Lisa Pohl, Mandy S. oder Susann D. Zeugen beschrieben sie als freundlich, kontaktfreudig und kinderlieb. Bei Diskussionen in der Szene soll sie jedoch die radikaleren Positionen ihrer beiden Kumpane unterstützt haben.
Nach der Explosion in Zwickau am 4. November 2011 war Zschäpe mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland unterwegs. Sie verschickte auch die NSU-Videos mit dem menschenverachtenden Paulchen-Panther-Bildern. Am 8. November stellte sie sich der Polizei in Jena.
Im Prozess schwieg Zschäpe lange Zeit. An Verhandlungstag 211, im Juni 2015, antwortete sie dem Richter ein erstes Mal, und zwar auf die Frage, ob sie überhaupt bei der Sache sei.
Zu den Vorwürfen äußerte sich Zschäpe erstmal im September 2015. Ihr Verteidiger las das 53-seitige Dokument vor, in dem Zschäpe ihre Beteiligung an den Morden und ihre Mitgliedschaft im NSU bestritt. Lediglich die Brandstiftung in der letzten Fluchtwohnung des Trios gestand sie.
Ein psychologisches Gutachten aus dem Januar 2017 beschreibt Zschäpe als "voll schuldfähig".
Damit wurde am Mittwoch - ein Jahr und einen Tag nach dem Prozessbeginn - erstmals überhaupt ein Verhandlungstag wegen Erkrankung Zschäpes abgesetzt. Bereits am Dienstag war die Hauptverhandlung wegen Übelkeit der 39-Jährigen und eines Befangenheitsantrags der Verteidigung gegen einen Gerichtsarzt nahezu komplett ausgefallen. dpa