Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, stand nach Aussage einer Zeugin kurz vor dem Auffliegen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" spürbar unter Druck. "Sie hat auch mehr getrunken", erinnerte sich die frühere Nachbarin in Zwickau am Dienstag im NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht. Zudem "wirkte sie sehr fahrig" und habe auch nicht mehr so "gelockert gesprochen wie sonst immer".
Mit Beate Zschäpe sind vier mutmaßliche Helfer angeklagt
Wegen einer Erkrankung Zschäpes wurde der Prozess am Dienstag erneut außerplanmäßig unterbrochen. Der für den Nachmittag als Zeuge vorgesehene sächsische Verfassungsschutzchef Gordian Meyer-Plath wird zu einem späteren Termin erneut geladen. Am Mittwoch soll der Prozess aber planmäßig mit zwei Zeugen aus dem NSU-Umfeld in Chemnitz fortgesetzt werden.
Erst vor zwei Wochen war ein Verhandlungstag wegen einer Erkrankung Zschäpes abgesagt worden. Zschäpe muss sich für zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde und zwei Sprengstoffanschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) verantworten. Mit ihr sind vier mutmaßliche Helfer angeklagt.
Beate Zschäpe sei "freundlich und sehr offen" gewesen
Sie habe Zschäpe zuvor als "freundlich und sehr offen" kennengelernt, berichtete die früheren Nachbarin am Dienstag . Auch ihr Alkoholkonsum habe sich zunächst im Rahmen gehalten, "aber dann hat sie Mischungen gemacht mit härteren Sachen, wo sie dann nicht mehr so normal nach Hause gegangen ist", sagte die Zeugin. Einmal sei sie "etwas schwer aufs Fahrrad" gekommen.
Die Nachbarin sagte, sie habe Zschäpe unter dem Namen "Lisa" in der Zwickauer Polenzstraße kennengelernt. Dort soll sie zusammen mit ihren mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gelebt haben. Der Kontakt zu Zschäpe sei auch dann nicht abgerissen, als sie in eine andere Wohnung an der Zwickauer Frühlingstraße umzog. Die Frauen hätten sich gelegentlich getroffen und "gefeiert".
Zschäpe habe ihr erzählt, sie müsse nicht arbeiten gehen, weil ihr "Schwiegervater" Geld habe. Erst nach dem Auffliegen des NSU und der Explosion der Wohnung an der Frühlingstraße habe sie aus den Medien die Wahrheit erfahren.
Was nach dem NSU-Desaster geschah
Nach dem Auffliegen der rechtsextremen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) im November 2011 begann in Deutschland eine mühsame politische Aufarbeitung der Geschehnisse. Nach und nach kamen Detail s zu den Verbrechen ans Licht - und die haarsträubenden Pannen bei der Aufklärung.
13. November 2011: Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe.
16. Dezember 2011: Als Folge der Ermittlungspannen im Fall NSU wird das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus eröffnet. Dort sollen sich die Sicherheitsbehörden ständig über Gefahren aus der rechten Szene austauschen.
27. Januar 2012: Im Bundestag nimmt ein Untersuchungsausschuss zum Fall NSU seine Arbeit auf.
16. Februar 2012: Auch im Landtag von Erfurt startet ein Untersuchungsausschuss, weil das NSU-Trio aus Thüringen stammte.
17. April 2012: Ein Untersuchungsausschuss im Dresdner Landtag macht sich an die Aufarbeitung - in Sachsen war das Trio jahrelang untergetaucht.
2. Juli 2012: Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, bittet nach den Pannen bei der Aufklärung der NSU-Morde um seine Entlassung.
3. Juli 2012: Auch Thüringens Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel muss sein Amt aufgeben.
5. Juli 2012: Ein weiterer Untersuchungsausschuss geht im Landtag in München an die Arbeit - in Bayern hatten die NSU-Terroristen die meisten Morde begangen.
11. Juli 2012: Sachsens Verfassungsschutz-Präsident Reinhard Boos tritt zurück.
13. September 2012: Die Pannen rund um die NSU-Morde zwingen auch Sachsen-Anhalts Verfassungsschutz-Chef Volker Limburg aus dem Amt.
19. September 2012: Eine neue Neonazi-Datei geht in Betrieb. Die Sicherheitsbehörden aus Bund und Ländern sammeln darin Informationen über gewaltbereite Rechtsextremisten und deren Hintermänner.
8. November 2012: Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Zschäpe.
14. November 2012: Berlins Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid tritt von ihrem Posten zurück.
7. Dezember 2012: Die Innenminister von Bund und Ländern einigen sich auf Reformen beim Verfassungsschutz: Dazu gehören eine zentrale Datei für Informanten des Inlands-Geheimdienstes und einheitliche Kriterien zur Führung dieser V-Leute. Der Informationsaustausch der Ämter in Bund und Ländern soll besser werden.
14. Dezember 2012: Der Schock über die NSU-Verbrechen hat die Debatte über ein NPD-Verbot neu entfacht. Die Länder preschen vor und beschließen im Bundesrat, vor dem Bundesverfassungsgericht ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei einzuleiten.
20. März 2013: Das Bundeskabinett entscheidet sich dagegen, einen eigenen Verbotsantrag gegen die NPD zu stellen.
März 2013: Das Oberlandesgericht München steht wenige Wochen vor Prozessbeginn in der Kritik: Das Gericht hatte die Presseplätze nach dem Windhund-Prinzip vergeben. Alle türkischen und griechischen Medien gingen leer aus.
4. April 2013: Eklat um den NSU-Prozess: Die türkische Zeitung "Sabah" reicht eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.
13. April 2013: Die Verfassungsschützer ordnen an, mindestens drei weitere Plätze für ausländische Medien zu schaffen. Das OLG verschiebt den Prozess daraufhin auf den 6. Mai - die Plätze werden im Losverfahren neu vergeben.
Nach der erneuten Unterbrechung des Münchner Prozesses waren am Dienstag Einzelheiten über das Befinden Zschäpes nicht zu erfahren. Am Rande des Prozesses hieß es, sie leide zunehmend unter der langen Untersuchungshaft. Zschäpe ist seit November 2011 inhaftiert. dpa/lby