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Grenzerfahrung: Zehn Tage ohne Nahrung in Schwabens Wäldern

Grenzerfahrung

Zehn Tage ohne Nahrung in Schwabens Wäldern

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    Überlebenstraining Lars Konarek, Trainer
    Überlebenstraining Lars Konarek, Trainer Foto: Horst Hörger

    Die erste Wahrnehmung: Der Mann stinkt. Lars Konarek hat außerdem mächtig Hunger und Durst und er ist völlig durchgefroren. Lars Konarek war zehn Tage und Nächte lang bei sibirischen Temperaturen in Schwabens Wäldern unterwegs. Ohne Nahrung, ohne Wasser, ohne Schlafsack, ohne Messer, ohne Feuerzeug, ohne Handy und natürlich auch ohne Toilettenpapier und Seife. Der Mann muss einfach stinken.

    Eine kleine Gruppe von Freunden und Journalisten wartet am Montag bei der Burgruine Helfenstein im württembergischen Geislingen auf die Rückkehr des 32-jährigen Abenteurers. Kurz nach 8 Uhr erscheint auf dem verschneiten Waldweg eine leicht torkelnde und verdreckte Gestalt mit einem gequälten Lächeln auf den verschorften Lippen, die rechte Hand triumphierend zur Faust geballt. Freundin Ellen fällt Lars um den Hals, Kumpel Klaus Gilcher reicht ihm einen Becher Tee. "Das war eine Tour hart am Limit", sagt Konarek. "Es ging um mein Leben."

    Gestartet ist der frühere Elitesoldat am 5. März bei Türkheim (Kreis Unterallgäu) in der Nähe von Gilchers Wohnort Landsberg. Zehn Tage später und nach etwa 330 Kilometern durch den schwäbischen Wald gesteht er, dass der Gedanke an Aufgabe da war. Zwei bis drei Mal, vor allem in den ersten Nächten, in denen das Thermometer auf bis zu minus 17 Grad fiel. Konarek hat sich dann für wenige Stunden in einem Fuchsbau verkrochen, auf einen Hochsitz oder in einer Felsspalte, aber geschlafen hat er in diesen Nächten kaum: "Es war einfach zu kalt." Also weiter mit klappernden Zähnen und den Sternen als Orientierungshilfe. Einfach nur bewegen, um den Körper auf Temperatur zu bringen, Erfrierungen oder gar den Kältetod zu vermeiden.

    Die Kraft ließ nach, das Laufen fiel von Tag zu Tag schwerer. Hagebutten, Moos und Brombeerblätter waren die feste Nahrung des einsamen Wanderers, Reste von Asche mit Schneematsch vermischt lieferten ein paar Mineralien. Konarek hat sich vor seinem Überlebens-Experiment ganz bewusst mit mehreren Tafeln Schokolade am Tag ein paar Pfunde angefuttert und während der Tour acht Kilogramm verloren.

    Auf Vorrat trinken geht dagegen nicht und die Tage im Wald waren deswegen auch geprägt von der Suche nach Wasser. Konarek hat aus Bächen und Tümpeln getrunken und Unmengen von Schnee gegessen: "Alle drei Schritte bücken und eine Handvoll in den Mund."

    Kontakt zur Außenwelt gab es kaum, Konarek hätte im Ernstfall keine Hilfe erwarten können. Da war diese kurze Begegnung in der Nähe von Krumbach mit einem älteren Spaziergänger, der noch darüber dozierte, dass wohl niemand eine einzige dieser eisigen Nächte im Freien überleben würde. Konarek hat ihn in seinem Glauben gelassen. Einem Landwirt war die wandernde Vogelscheuche sogar derart suspekt, dass er sich auf seinem Traktor vom Acker machte.

    Die einzige und eher theoretische Bezugsperson war Kumpel Klaus. Der fuhr von Landsberg aus täglich tote Briefkästen an Strommasten oder Wegkreuzungen an und holte dort selbst gedrehte Videoclips für die Internet-Gemeinde und die kurzen schriftlichen Nachrichten von Konarek ab. "Vor allem gegen Ende lasen die sich wie von einem Erstklässler geschrieben", sagt Klaus Gilcher. Die Tage und Nächte im Wald haben eben Spuren hinterlassen. Physisch und auch psychisch.

    Konarek weiß, worauf er sich nach der Rückkehr aus der Wildnis am meisten freut. Auf eine heiße Dusche natürlich. Auf das Wiedersehen mit der kleinen Tochter. Und auf eine heiße Brühe. "Ich werde mich dann allmählich steigern zur Pizza und zum Schnitzel." Bei der Frage nach der Motivation für diese Tour tut er schwer. Grundsätzlich will er Denkanstöße geben und die Menschen für ein Leben in und mit der Natur begeistern. Für einen wie ihn stellt sich die Frage ohnehin eher umgekehrt. "Hätte ich das nicht gemacht, dann würde ich mich immer fragen, warum ich es nicht mache." Pit Meier

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