Herr Kubicki, wie bewerten Sie den Prozess gegen Uli Hoeneß?
Kubicki: Das Landgericht München hat die Anklage der Staatsanwaltschaft zugelassen, mit der Uli Hoeneß eine Steuerhinterziehung in sieben Fällen in einer Gesamthöhe von mehr als drei Millionen Euro vorgeworfen wird. Das heißt, es hat die vorgreifliche Rechtsfrage zu Ungunsten von Uli Hoeneß entschieden, nämlich dass die von ihm in Auftrag gegebene und dem Finanzamt zugeleitete Selbstanzeige nicht strafbefreiend wirkt.
Warum hat die Selbstanzeige Hoeneß nicht vor einem Strafverfahren gerettet?
Grund dafür kann sein, dass diese Selbstanzeige entweder nicht rechtzeitig - also vor unmittelbarer Entdeckung - übermittelt wurde oder dass sie nicht vollständig hinsichtlich der nachzuversteuernden Einkünfte war. Oder beides.
Mit welchem Ausgang rechnen Sie?
Kubicki: Es ist mit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu rechnen. Angesichts der Größenordnung ist auch eine Haftstrafe unausweichlich. Die spannende Frage wird sein: Kann sie noch zur Bewährung ausgesetzt werden - das heißt, wird das Urteil zwei Jahre nicht überschreiten?
Wovon hängt es ab, ob Hoeneß noch mit Bewährung davon kommt?
Im Rahmen der Strafzumessung wird das Gericht Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe berücksichtigen, wobei die Gründe, die die strafbefreiende Selbstanzeige unwirksam machen, nicht noch einmal ins Gewicht fallen dürfen. Sicher spielt die Höhe der nicht entrichteten Steuern eine Rolle.
Strafmildernd ist zu werten, dass Uli Hoeneß die Selbstanzeige aus freien Stücken in Auftrag gab und nicht auf einer CD stand. Die möglichen Fehler seiner professionellen Berater haben ihn der Verfolgung preisgegeben, im Rahmen der Strafzumessung ist dies zu seinen Gunsten zu gewichten.
Was spricht noch für Uli Hoeneß?
Uli Hoeneß: Die Geschichte der Steueraffäre
Uli Hoeneß: Vor vielen Jahren begann er an der Börse eine Zockerei, die ihn 2013 ins Visier der Justiz brachte.
2001: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto in der Schweiz.
2002 bis 2006: In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte.
2008: Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es «endgültig in den Keller» gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert.
August 2011: Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.
November 2012: Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.
Am 17. Januar 2013 reicht Hoeneß nach eigenen Angaben Selbstanzeige bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim ein.
März 2013: Das Finanzamt hat die Selbstanzeige schnell an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Am 20. März kommt es zur Hausdurchsuchung in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ihm wird der Haftbefehl eröffnet, dieser wird gegen eine Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt.
April 2013: Der «Focus» macht den Fall öffentlich.
Juli 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt am 30. Juli Anklage gegen Hoeneß. Diese wird im November vom Landgericht München II unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.
März 2014: Hoeneß wird wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Juni 2014: Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.
September 2014: Erster Ausgang - für einige Stunden kann Hoeneß das Gefängnis verlassen, um sich mit seiner Familie zu treffen.
Januar 2015: Hoeneß wird Freigänger. Er muss jetzt nur noch zum Übernachten in die JVA, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern.
Januar 2016: Die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg entscheidet, dass die Haftstrafe zum 29. Februar zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Beschwerde.
Februar 2016: Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommt mit 64 Jahren vorzeitig aus der Haft frei.
Am 8. August 2016 teilt der FC Bayern auf seiner Homepage mit, dass Hoeneß wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Sein Nachfolger Karl Hopfner verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Im November wird Hoeneß wiedergewählt.
Kubicki: Uli Hoeneß ist nicht (einschlägig) vorbestraft, er hat die Steuern sofort und in voller Höhe nachgezahlt, also den Schaden wieder gut gemacht, er war durch die Selbstanzeige geständig, er hat in seinem sozialen Umfeld und darüber hinaus viel geleistet und vor allen Dingen durch die mediale Berichterstattung bereits eine erhebliche Persönlichkeitsbeeinträchtigung hinnehmen müssen. Die damit einhergehende Belastung dürfte nach oder neben der Causa Wulff nahezu einmalig sein.
Von Uli Hoeneß sind Straftaten vergleichbarer Art nicht mehr zu erwarten, dass Verfahren dürfte ihm mit Sicherheit zur Warnung gedient haben. Das Urteil muss keine abschreckende Wirkung auf potentielle Steuerhinterzieher mehr entfalten.
Nach alledem spricht deutlich mehr für, als gegen ihn, weshalb ich eine Bewährungsstrafe erwarte. Außerdem dürfte es zusätzlich entweder eine weitere Geldstrafe oder im Rahmen der Bewährung eine Geldauflage in erheblicher Höhe geben.
Wird der Prozess Folgen haben für das Steuerrecht in Deutschland?
Kubicki: Nein. Die Debatte über den Charakter der strafbefreienden Selbstanzeige war und ist auch ohne den Prozess um Uli Hoeneß in vollem Gang, wobei an dem Institut grundsätzlich nicht gerüttelt werden wird. Aller Voraussicht nach wird es bei der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall, also ab 50 000 Euro, zu einer Anhebung der zusätzlichen Strafzahlung auf die hinterzogene Summe - von jetzt 5 Prozent auf 10 Prozent - kommen.