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Interview: Wissenschaftsminister Spaenle sieht keinen "Akademikerwahn" in Bayern

Interview

Wissenschaftsminister Spaenle sieht keinen "Akademikerwahn" in Bayern

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    Es wird wieder voller in Bayerns Universitäten und den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Etwa 376.000 Studierende sitzen im Freistaat in den Vorlesungen.
    Es wird wieder voller in Bayerns Universitäten und den Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Etwa 376.000 Studierende sitzen im Freistaat in den Vorlesungen. Foto: Fotolia

    In Bayern sind 2015 rund 376.000 Menschen mit ihrem Studium beschäftigt. Das sind gut zwei Prozent mehr als im vergangenen Studienjahr. Ist das ein von Ihnen erwarteter Anstieg?

    Ludwig Spaenle: Die Erwartungen orientieren sich an den Prognosen der Kultusministerkonferenz. Ursprünglich hat man mit einem Abschmelzen der Studierendenzahl nach 2020 gerechnet, weil dann der doppelte Abiturjahrgang die Hochschulen verlässt. Inzwischen geht man von moderaten Steigerungen bis Mitte des kommenden Jahrzehnts aus. Danach erst gibt es einen Rückgang. Das hat mit der steigenden Studierwilligkeit zu tun. Die Zahlen haben nicht nur statistische Bedeutung. Sie sind die Grundlage für die Fortschreibung des Hochschulpaktes zwischen Bund und Ländern. Auf Heller und Pfennig wird da jeder eingeschriebene Erstsemester abgerechnet. Bund und Länder finanzieren das je zur Hälfte. Das macht pro Kopf insgesamt 26000 Euro aus, um die es geht.

    Experten warnen vor vollen Hörsälen und leeren Werkbänken. In einer aktuellen Studie wird davon ausgegangen, dass es bis zum Jahr 2030 fünf Prozent weniger Studenten gibt, aber 17 Prozent weniger Auszubildende. Ist das noch gesund?

    Das ist der vermeintliche „Akademikerwahn“, den es angeblich gibt. Wissen Sie, wenn ich mit den Industrie- und Handelskammern rede, kommt folgendes heraus: Es wird auf den Fachkräftemangel hingewiesen und der Vorwurf erhoben, die Hochschulen nähmen der Wirtschaft die Auszubildenden weg. Und zwei Türen weiter heißt es, wir brauchen auf Dauer mehr Mitarbeiter auf akademischem Niveau. Das ist ein Glaubenskrieg, der uns so nicht weiterbringt. Ich bin überzeugt davon, dass gerade auch in vielen praktischen Berufsfeldern die Weiterbildung – in welcher Form auch immer – notwendiger wird als bisher. Das kann ein Studiengang sein oder etwas anderes.

    Die Bertelsmann-Stiftung, die sich mit dieser Problematik erst jüngst wieder beschäftigt hat, rät dringend dazu, die traditionelle strikte Trennung zwischen akademischer und beruflicher Bildung zu überwinden. Teilen Sie die Ansicht? Gibt es da Ansatzpunkte?

    Das sehe ich genauso. Nehmen Sie einen Mittelständler irgendwo auf dem Land. Er beschäftigt Spitzenarbeitskräfte – nämlich diejenigen, die seinen Betrieb tragen. Und die müssen im Laufe der Jahre einfach mehr wissen, als sie sich während ihrer klassischen Ausbildung angeeignet haben. Techniker und Meister haben ja auch eine Studienberechtigung. Und die Anzahl der jungen Leute, die ein duales System absolvieren, also eine betriebliche Ausbildung und zugleich ein Hochschulstudium durchlaufen, hat sich in den vergangenen acht Jahren von 500 auf 6300 erhöht. Ich gebe zu, die absolute Zahl ist auf niedrigem Niveau, aber die Richtung stimmt. Damit durchbrechen wir diese Wand, die Handwerk und Wirtschaft von der Akademikerwelt getrennt hat.

    Mehr Studenten – das bedeutet auch eine größere Nachfrage nach Wohnraum. Die Lage ist in München ohnehin sehr angespannt. Was ist zu tun?

    Dafür ist zwar nicht mein Ressort zuständig. Aber ich will darauf hinweisen, dass auch durch die Flüchtlingsthematik mehr Mittel in den Bau öffentlich geförderten Wohnraums fließen. Das wird für Studenten eine gewisse Rückwirkung haben. Derzeit gibt es 36800 staatlich geförderte Plätze in Studentenwohnheimen. Rund 1000 weitere Plätze sind im Bau und 1500 in der Planung. Damit sind etwa 15 Prozent der Studierenden abgedeckt. Der Staat ist da sicherlich noch weiter gefordert – trotz aller bisherigen Anstrengungen.

    Knapp 4,9 Milliarden Euro sind in diesem Jahr im Landeshaushalt für den Hochschulbereich und für Universitätskliniken vorgesehen. Reicht das?

    2014 waren es noch 4,7 Milliarden Euro. Trotz der Steigerung bleibt der Wissenschaftsbereich strukturell unterfinanziert. Das ist in allen Bundesländern so. Aber wir waren eines der wenigen Länder, das nicht nur daran mitgewirkt hat, dass der Bund seit diesem Jahr die Bafög-Kosten komplett übernimmt. Wir setzen die frei gewordenen Mittel – immerhin 160 Millionen Euro – auch voll in Wissenschaft und Bildung ein. Da fließt nichts in den allgemeinen Haushalt.

    Wie läuft es mit dem Augsburger Universitätsklinikum?

    Dies ist die größte wissenschaftspolitische Unternehmung, die es derzeit in Deutschland gibt. Wir sind im Zeitplan. Diesen Herbst wird das Wissenschaftsministerium dem Wissenschaftsrat ein Konzept, vorlegen, über das wohl nächsten Sommer entschieden wird. Die medizinische Fakultät in Augsburg soll ihre Schwerpunkte auf Umweltmedizin und Medizininformatik legen. Das passt in die Gesamtlandschaft der bayerischen Universitätsmedizin.

    Interview: Till Hofmann

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