Deutschland steuert auf einen Ärztemangel zu, gerade auf dem Land: Jeder zweite Hausarzt, der aus Altersgründen ausscheidet, findet mittlerweile keinen Nachfolger. Und von den Medizinern, die weiter praktizieren, sind 30 Prozent älter als 60 Jahre. Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), sagt: „Wir stehen vor einer wirklich besorgniserregenden Entwicklung.“ Er fordert eine umfassende Reform des Medizinstudiums. „Wir müssen mindestens doppelt so viele Fachärzte für Allgemeinmedizin weiterbilden, wie wir dies derzeit tun.“
Nach Gerlachs Worten muss das Fach Allgemeinmedizin im Studium gestärkt und die Praxisnähe gefördert werden, etwa durch ein vorgeschriebenes Praktikum im ambulanten Bereich. Darüber hinaus sollen die Studenten während ihres Praktischen Jahres auch ein Quartal verpflichtend in der Allgemeinmedizin ableisten. Bislang ist dies nicht der Fall, wie DEGAM-Sprecher Philipp Leson kritisiert. „Es gibt Universitäten, da kommt die Allgemeinmedizin erst im 10. Semester vor.“
Allgemeinmedizin hat innerhalb der Ärzteschaft ein schlechtes Image
Das bemängelt auch Jakob Berger, Vorsitzender des schwäbischen Hausärzteverbandes. „Bisher ist die Allgemeinmedizin ein Stiefkind an den Universitäten. Husten, Schnupfen, Heiserkeit – das kommt gar nicht vor.“ Gerlach klagt, dass an den Universitätskliniken dagegen Hightech-Medizin im Zentrum steht – und weniger der Generalist, der den ganzen Patienten im Blick hat. Hinzu kommt: In Bayern kann an fünf Universitäten Medizin studiert werden, doch nur an der TU München und in Erlangen gibt es einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin, an der LMU München entsteht er derzeit erst.
Bekannt ist, dass die Allgemeinmedizin gerade innerhalb der Ärzteschaft ein schlechtes Image hat. Das scheint sich innerhalb des Studiums zu festigen, wie eine Befragung der Universität Trier nahelegt. 35 Prozent der Anfänger geben an, dass sie Interesse an der Allgemeinmedizin haben. Doch nur zehn Prozent entscheiden sich für diesen Berufsweg.
Die Bezahlung der angehenden Hausärzte soll reformiert werden
Dass Deutschland mehr junge Hausärzte braucht, hat auch die Große Koalition im Koalitionsvertrag verankert. Die Gesundheits- und Wissenschaftsminister von Bund und Ländern wollen daher einen „Masterplan Medizinstudium 2020“ erarbeiten. Diskutiert werden soll, ob der Studienzugang verändert werden kann. Bislang gilt bei vielen Medizinstudiengängen ein Numerus clausus von 1,0. Auch die Bezahlung der angehenden Hausärzte soll reformiert werden. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verdienen diese 3500 Euro im Monat, wer eine Facharztausbildung im Krankenhaus macht, bekommt etwa 1000 Euro mehr.
Der Marburger Bund lehnt den Vorstoß für eine Reform des Medizinstudiums ab. Der Vorsitzende Rudolf Henke sagt, Studieninhalte müssten „aus sich heraus begründet sein, nicht weil eine bestimmte Fachgruppe Nachwuchsprobleme hat“. (mit dpa)